Ab Donnerstag startet in Bayern in ausgewählten Kommunen die Ausgabe von Bezahlkarten für Asylbewerber und Flüchtlinge. Damit soll der Missbrauch von Leistungen und in der Konsequenz auch die Zuwanderung begrenzt werden. Das Verfahren ist aber durchaus umstritten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Wo und wie wird die Bezahlkarte zunächst eingeführt?
Zu den Pilot-Kommunen gehören die Landkreise Fürstenfeldbruck, Traunstein, Günzburg und die kreisfreie Stadt Straubing. In allen anderen Kommunen im Land bleibt es zunächst bei der bisherigen Praxis. "Neu ankommende Asylbewerber bekommen bereits ab morgen eine Bezahlkarte mit Leistungsguthaben. Asylbewerber, die schon hier sind, erhalten ebenfalls ab morgen die Bezahlkarte, die aber erst zum 1. April mit dem Guthaben aufgeladen wird, da diese bereits Barleistungen für März erhalten haben", sagte Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) am Mittwoch bei der Vorstellung in München.
Was bezweckt der Staat mit der Bezahlkarte?
Grundlage ist die Annahme, dass ein Teil der Asylbewerber das ihnen in Deutschland ausgehändigte Geld ins Ausland transferiert - entweder zur Unterstützung der Familien zu Hause oder sogar zur Bezahlung von illegalen Menschenhändlern, also Schleusern. "Die Bezahlkarte löse nicht alle Probleme, sie sei aber ein wichtiger Teil zur Lösung, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Sachleistungen seien besser als Geldleistungen, mit den Karten setze der Freistaat ein Zeichen zur Hilfe und ein Nein zu Geldtransfers ins Ausland. "Der Geldhahn für Schlepper und Schleuser wird deutlich reduziert." Grundsätzlich folgt die Einführung der Annahme, dass damit ein Anreiz für Flüchtlinge wegfällt, nach Deutschland zu kommen - solche Anreize werden auch Pull-Faktoren genannt.
Was sagen die Kritiker dazu?
Verbände wie der bayerische Flüchtlingsrat halten die Bezahlkarte für Gängelei. "Die Annahme der Existenz von wirtschaftlichen Pull-Faktoren ist wissenschaftlich nicht haltbar", sagt Johanna Böhm vom bayerischen Flüchtlingsrat. "Dass Geflüchtete während ihres Verfahrens nennenswerte Beträge an die Familie ins Ausland überweisen, ist nicht belegt und eher abwegig." Auch die Diakonie hält das Argument, Geflüchtete würden mit ihren Sozialleistungen Schlepperbanden finanzieren, für vorgeschoben - letztlich stehe dahinter ein grundsätzliches Misstrauen. Sie befürchtet, dass der Beratungsbedarf für Geflüchtete zunehmen wird. Auch der Deutschland-Chef des Kreditkartenanbieters MasterCard, Peter Robejsek, glaubt nicht an die Wirkung der Bezahlkarte.
Wie viel Geld ist auf der Karte verfügbar?
Konkret erhält ein Asylbewerber, der etwa in einer Gemeinschaftsunterkunft lebt, 460 Euro pro Monat auf seine Karte gespielt. Davon wird er in Bayern nur 50 Euro in bar abheben können - etwa für Kleineinkäufe beim Bäcker oder in Läden ohne Kartenlesegerät. Damit würden die Anreize auf das Kernanliegen begrenzt, auf der Flucht eine neue Heimat zu finden, sagte Söder. Mehr Geld sei nicht notwendig.
Wie genau soll die Karte funktionieren?
Die Bezahlkarte ist letztlich nichts anderes als eine Mastercard, wie sie auch normale Bankkunden für bargeldlose Zahlungen nutzen. Online-Käufe werden ausgeschlossen. Nach den Worten von Kirchner gibt es die Karten sowohl für Personen in den sogenannten Anker-Zentren, also den Erstaufnahmeeinrichtungen, als auch in der Anschlussunterbringung. Im Alltag ist die Nutzung aber strengen Regeln unterworfen. Zwar sei die Karte in allen Geschäften und bei allen Dienstleistern einsetzbar, die Mastercard annehmen, allerdings regional nach Postleitzahlen beschränkt auf den gesetzlich zulässigen Aufenthaltsbereich.
Was ist mit der Karte nicht möglich?
Überweisungen an Dritte oder gar ins Ausland sind nicht machbar. Gesperrt sind auch jegliche Online-Käufe, der Einsatz für Glücksspiel und der Einsatz bei Geldübermittlungsdienstleistern. Die staatlichen Stellen können auch Händlergruppen oder einzelne Läden sperren, wenn im Lauf der Pilotphase missbräuchliche Nutzungen bekannt würden.
Wer bekommt die Karte in Bayern?
Laut Söder werde die Karte in Bayern am Ende an rund 70 000 Leistungsempfänger ab 14 Jahren ausgegeben, der landesweite Roll-Out sei für das zweite Quartal geplant.
Ist Bayern damit bundesweiter Vorreiter?
Nein. Bereits seit Mitte Februar wird in der Hansestadt Hamburg die Bezahlkarte genutzt, allerdings zunächst nur für Asylbewerber in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Auch hier darf jede volljährige Person monatlich nur bis zu 50 Euro Bargeld abheben. Pro minderjährige Person im gleichen Haushalt können zusätzlich 10 Euro monatlich abgehoben werden. Zudem gibt es in anderen Bundesländern bereits zahlreiche Landkreise, wo es Bezahlkarten gibt, darunter etwa die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover, in Thüringen gehörten die Landkreise Greiz und das Eichsfeld zu den Ersten, die das Konzept ausprobierten. Anderorts warten Kommunen auf eine bundesweit einheitliche Lösung.
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