Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach spricht sich für eine Änderung bei der Regelung der Organspende aus und fordert bundesweit die Einführung der Widerspruchslösung. Die Lage sei bedrückend. Auch in Bayern: Aktuell stünden etwa 1100 Menschen im Freistaat auf der Warteliste für ein Spenderorgan. „Die Zahl der postmortalen Organspender betrug 2024 jedoch nur 157“, sagte die CSU-Politikerin mit Blick auf den „Tag der Organspende“ am 7. Juni.
Gerlach appelliert an den Bundestag
Deutschlandweit warten aktuell knapp 8100 Menschen auf ein lebenswichtiges Spenderorgan, sagte Gerlach. Die Zahl der postmortalen Organspender lag im vergangenen Jahr aber nur bei 953. „Die Widerspruchslösung könnte helfen, diesen Organmangel zu lindern“, sagte die Ministerin. In Deutschland gilt aber die Entscheidungslösung: Organe und Gewebe dürfen nur entnommen werden, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Bei der Widerspruchslösung ist dagegen jeder Bürger potenzieller Organspender, es sei denn, er widerspricht aktiv. „Ich setze mich deshalb klar für die Einführung der Widerspruchslösung ein und appelliere an den Bundestag, das Thema wieder aufzugreifen“, betont Gerlach.
Dem Bundestag lagen in der vergangenen Legislaturperiode bereits zwei Gesetzentwürfe vor, die die Widerspruchslösung vorsahen. Dies war zum einen der Gesetzentwurf des Bundesrates und zum anderen der Gesetzentwurf des fraktionsübergreifenden Gruppenantrags aus der Mitte des Bundestags. Über keinen der Entwürfe wurde noch im alten Bundestag abgestimmt. Die Gesetzentwürfe müssten nun, wie eine Sprecherin des Bayerischen Gesundheitsministeriums erklärt, erneut vom Bundesrat beziehungsweise aus der Mitte des Bundestags eingebracht werden.

Mit der Widerspruchslösung wäre die Organspende die Normalität, sagte die Ministerin. Zumal auch laut einer 2024 durchgeführten Umfrage des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit 85 Prozent der Menschen in Deutschland angegeben hätten, dem Thema Organ- und Gewebespende positiv gegenüberzustehen. Doch habe nach eigenen Angaben nur etwa ein Drittel einen Organspendeausweis.
Viele Angehörige fürchten, dass sie etwas falsch machen könnten
Der häufigste Grund, warum in Deutschland mögliche Organspenden nicht durchführbar sind, sei aber eine fehlende Zustimmung, sagte Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Es liege dann an den Angehörigen, in einer emotional meist angespannten Lage schnell zu entscheiden. Oft hätten diese Angst, etwas falsch zu machen. „Wenn Angehörige nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen oder gar nach eigenen Wertvorstellungen entscheiden müssen, sinkt die Zustimmungsrate dramatisch“, so Rahmel, „im letztgenannten Fall sogar auf rund 25 Prozent.“ Liege jedoch ein schriftlicher Wille vor, erreiche die Zustimmungsrate über 75 Prozent.

Doch es gibt weitere Hürden: Nicht immer setzen sich Kliniken in Deutschland für Organspenden ein. „Da gibt es durchaus noch Luft nach oben“, sagte der Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Uniklinikum Augsburg, Professor Matthias Anthuber. „Ein Problem ist sicherlich auch, dass circa 80 Prozent der deutschen Krankenhäuser defizitär sind. Dort wird darauf geachtet, dass möglichst viele Operationen, die ja die Kliniken über die dadurch erwirtschafteten Fallpauschalen refinanzieren, stattfinden. Die Abwicklung einer Organspende ist aber eine sehr personal- und ressourcenintensive Angelegenheit, weil der Organspender ein Bett auf der Intensivstation belegt und OP-Kapazität bereitgestellt werden muss.“ Daher fordert Anthuber, der seit Jahren für die Widerspruchslösung kämpft, dass Kliniken finanziell so ausgestattet werden, dass die Organspende wenigstens kostendeckend ist. „Wir brauchen auf bundespolitischer Ebene die Entscheidung für die Einführung der Widerspruchslösung und dann auch das intensive und nachhaltige politische Engagement in der Umsetzung nicht nur der gesetzlichen Regelung, sondern auch aller Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Organspende, wie zum Beispiel regelmäßige Informations- und Aufklärungskampagnen im öffentlichen Raum.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden