Wo sonst tausende Autos vorbeifahren, herrscht eine fast gespenstische Stille. Nur vereinzelt hallen Rufe von Männern in ihren orangen Arbeitsoveralls durch die ovale Tunnelröhre. Begibt man sich weiter ins Innere, wird ein sonores Dröhnen von Maschinen hörbar. Männer mit Bauhelmen spritzen mit Dampfstrahlern die grauen Seitenwände der Tunnelröhre ab, eine schwarze Substanz rinnt herunter.
Es ist eine von vier Nächten im Jahr, an dem der Grenztunnel Füssen für 14 Stunden gesperrt wird. Von 17 Uhr abends bis 7 Uhr früh. Wegen Wartungsarbeiten.
„An diesen beiden Tagen muss alles passieren, was nur gemacht werden kann, wenn kein Verkehr fließt“, sagt Erich Obermeier von der Autobahndirektion Süd. Der 49-Jährige ist als Elektriker gewissermaßen ein Mann der ersten Stunde. Seit der Eröffnung 1998 ist er für den Grenztunnel zuständig. In dieser Nacht koordiniert er die Arbeiten in Füssen, an denen 16 verschiedene Firmen beteiligt sind. „Das reicht vom Überprüfen der Brandschutz- und Notrufanlage bis zum Austausch defekter Lichter“, sagt Obermeier.

Es fahren Kehrmaschinen, die die Straße säubern. Mit Spezialfahrzeugen und Dampfstrahlern befreien Arbeiter die Tunnelwände von einer dicken Staub- und Rußschicht. Und der Kanal wird gründlich gespült, um ein Verkalken der Rohre zu verhindern. „Spezialfirmen kümmern sich zudem um Verschleißtests an den sechs großen Lüftern im Tunnel“, sagt der 49-Jährige. Auch die UKW- und Digitalfunksender an der Tunneldecke müssen wieder instandgesetzt werden. Es hatte zuletzt Beschwerden von Autofahrern gegeben, deren Radios im Tunnel nicht mehr funktionierten.
Gotthard-Unglück als Warnung
Auf 40.000 Euro summieren sich die zweimal im Jahr stattfindenden Arbeiten laut Roland Immerz von der Autobahndirektion Südbayern in Kempten. „Nach Unglücken wie am Gotthard gelten in Bayern besonders scharfe Richtlinien, was Tunnel angeht“, sagt der Beamte, der die Wartung überwacht. Der Grenztunnel ist eine von drei Autobahnröhren im Allgäu – allerdings die einzige mit nur zwei Fahrspuren. „Das erschwert die Wartung etwas“, meint Immerz. „Bei Reinertshof mussten wir vor Kurzem nur wechselseitig den Verkehr umleiten, da hatten wir zwei Schächte zur Verfügung.“ In Füssen allerdings sei eine Vollsperrung nötig.
Da ein Dichtmachen untertags zu einem Verkehrschaos führen würde, geschieht dort alles in der Nacht. „Um kurz vor sieben fährt nochmal ein Kontrollfahrzeug durch, dann muss alles abgeschlossen sein“, sagt Tunnelektriker Obermeier.
Normalerweise ist da keiner
Auf dem Weg zu seinem Kontrollgang, der am Betriebsgebäude vor dem Tunnel startet und in einer der Haltebuchten im Tunnel endet, wird er von zwei leicht angespannten Männern angesprochen. Die beiden sollen die in den Boden eingelassenen LED-Lichter austauschen. Problem dabei: Das Reinigungsfahrzeug hatte die Betonfläche vorher unter Wasser gesetzt, was den Männern das Bohren erschwert. „Sowas passiert halt“, meint Obermeier. „Alles ist sehr eng getaktet, wir haben nicht viel Zeit.“ Der Oberallgäuer steht inzwischen in einem der Not-Stollen. Sie sollen im Brandfall garantieren, dass Menschen sich ins Freie retten können. Zu kontrollieren, ob die Magnetkontakte an den dortigen Türen funktionieren, die automatisch Alarm auslösen, gehört auch zum Zweck der Wartungsarbeiten.
Doch Obermeier nutzt den Stollen in dieser Nacht als Abkürzung zurück zum Betriebsgebäude, wo sich sein Büro befindet. Dass so viele Menschen im Tunnel arbeiten wie im Moment, sei eine absolute Ausnahme: „Normalerweise ist hier keiner.“ Es sei ein bisschen so wie für den Einzelhandel Weihnachten, erzählt er und meint damit die beiden Tage im Frühjahr und Herbst. Bis Mitternacht wird seine Schicht an diesem Abend noch dauern.