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Cyber-Mobbing nimmt neue Dimensionen an

Auch an Allgäuer Schulen

Cyber-Mobbing nimmt neue Dimensionen an

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    Mobbing über das Internet ist nach Angaben der Polizei zu einem „konstanten Problem“ geworden.
    Mobbing über das Internet ist nach Angaben der Polizei zu einem „konstanten Problem“ geworden. Foto: Ulrich Wagner

    Die Gruppenaufnahme im Klassenzimmer liefert die Vorlage: Der Zwölfjährige fotografiert seinen Mitschüler für das Portraitbild ab, macht ein paar Eingaben bei Facebook. Fertig. Rasch hat das gefälschte Profil des Mitschülers einige Besucher – auf Einladung des zwölfjährigen Klassenkameraden machen sie das Opfer verächtlich, äußern Lügen und Beleidigungen.

    Was sich im Internet bei dem sozialen Netzwerk abspielt, erfährt der Betroffene erst später. Mit einer Anzeige scheitert seine Mutter, denn der damals zwölfjährige Täter ist strafunmündig. Anders endet der Zivilprozess. Das Urteil: Der Täter muss ein Schmerzensgeld und die Kosten des Verfahrens zahlen, insgesamt etwa 13.000 Euro. Diesen Fall schildert Bernd Rettensberger, Jugendbeamter der Memminger Polizei, als einen der schwereren. Doch er sagt auch: Missbrauch, den Jugendliche im Umgang mit Facebook, Whatsapp und Co. treiben, ist zu einem „konstanten Problem“ geworden – unabhängig von Schultyp oder Altersgruppe.

    Neue Dimension

    Nicht immer wachse sich das zum Cyber-Mobbing aus, betont Schulamtsdirektorin Elisabeth Fuß: „Und es ist nicht so, dass uns das jeden Tag beschäftigt. Aber diese Handlungen nehmen zu und wir schätzen das Thema als sehr ernst ein.“ Zwar gab es Beleidigungen und Drohungen gegen Mitschüler, Lehrer oder Schulleitungen auch früher schon. Doch das Internet verleihe dem eine neue Dimension: „Ich habe 24 Stunden Zugriff auf das Opfer und muss ihm nicht einmal gegenüberstehen, um es zu attackieren“, sagt Rettensberger.

    Ich habe 24 Stunden Zugriff auf das Opfer und muss ihm nicht einmal gegenüberstehen, um es zu attackieren.

    Jugendbeamter Bernd Rettensberger

    Nicht nur mit Schimpfwörtern oder Fäkalausdrücken werden Personen belegt. Fuß und Rettensberger beobachten auch, dass vielfach Fotos von Personen ohne deren Wissen hochgeladen werden. Rettensberger berichtet von Aufnahmen, „die heimlich unter der Toilettentür hindurch gemacht wurden“ oder intimen Fotos, die ein Partner nach einer Trennung in Umlauf bringt. Ein klarer Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild, sagt der Polizist: Denn nicht nur der Urheber, sondern auch die abgelichtete Person müsse der Veröffentlichung zustimmen.

    Das Bewusstsein für solche Persönlichkeitsrechte fehle manchen Schülern, weiß auch Fuß. Mehrmals im Jahr rufen laut Rettensberger Lehrer bei der Polizei an, weil sie heimlich im Unterricht gefilmt wurden. Mit Kommentaren wie „Unser Lehrer ist so behindert“ kursiere so etwas in Whatsapp-Gruppen oder bei vergleichbaren Diensten. Auch pornografische Darstellungen machten dort immer wieder die Runde. „Vielen Schülern ist nicht klar, dass sie mit der Verbreitung eine Straftat begehen. Sie unterscheiden nicht zwischen einem Oben-Ohne-Bild und einem, auf dem Geschlechtsteile erkennbar sind.“ Im zweiten Fall jedoch handelt es sich um Pornografie.

    Vielen Schülern ist nicht klar, dass sie mit der Verbreitung eine Straftat begehen.

    Bernd Rettensberger

    „Kettenreaktion“

    Rettensbergers Erfahrungen beziehen sich auf die härteren, aufwendigen Fälle, für die er zuständig ist: Etwa 15 bis 20 sind es nach seiner Schätzung pro Jahr. Um leichtere Fälle kümmern sich die Kollegen im Schichtdienst. Insgesamt entstehe „immense Arbeit, die die Polizei stark belastet“: etwa wenn es gilt, den Besitzer eines Handys mit Prepaid-Karte oder bei mehreren Nutzern den Täter zu finden. Wenn etwa pornografische Inhalte oder reale Gewaltvideos im Umlauf sind, ergebe sich teils eine „Riesen-Kettenreaktion“: Begeht doch jeder, der sie weiterleitet, eine Straftat.

    „Bei massiven Beleidigungen schalten wir auch die Polizei ein“, sagt Fuß. An erster Stelle stünden jedoch schulinterne Gespräche. „Wir schauen den Schüler und seine Geschichte an, ehe wir über weitere Schritte entscheiden.“ Auch der Mobbingbeauftragte des Schulamtsbezirks kann hinzugezogen werden. Wichtig sei es, dem Täter klarzumachen, „was er da tut, sein Einfühlungsvermögen zu schulen“. Auch als Prävention ist es für Fuß unabdingbar, Sozial- und Medienkompetenz zu vermitteln. „Moderne Medien gehören zu unserer Welt. Wir dürfen sie nicht nur verteufeln.“

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