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Deftige Sprüche auf dem Gillamoos: Söder, Aiwanger und die politische Watschn

Politischer Frühschoppen

Haudrauf hat Hochkonjunktur: Das waren die deftigsten Sprüche auf dem Gillamoos

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    CSU-Chef Markus Söder (links) und Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (rechts daneben) beim Politischen Frühschoppen auf dem Gillamoos-Volksfest.
    CSU-Chef Markus Söder (links) und Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (rechts daneben) beim Politischen Frühschoppen auf dem Gillamoos-Volksfest. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Sich feiern lassen, das kann Markus Söder. Als der Ministerpräsident das Hofbräuzelt betritt, setzen die Schlossberg-Musikanten auf der Bühne zum bayerischen Defiliermarsch an. Die Menschen, die an diesem kalt-grauen Morgen an den Bierzelttischen sitzen, die erste Maß längst intus, ein Paar Weißwürste sowieso, stehen auf, klatschen, filmen, fotografieren, schwenken weiß-blaue CSU-Fähnchen. „Näher am Menschen“ steht darauf. Und, man kann zu Söder stehen, wie man mag, nah dran ist er an diesem Vormittag, beim politischen Frühschoppen auf dem Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg. Weil er liefert, was die Menschen von ihm erwarten.

    Der Ministerpräsident betritt also die Bühne, winkt, lächelt, reckt einen Krug in die Höhe, zum Prosit, ein bisschen Folklore vorweg, das wird erwartet, das mag, kann Söder. Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer, der vor ihm ein paar Worte sagen will, wird fast zum Statisten. Gekommen sind die Menschen, das spürt man deutlich, nicht wegen ihm, der Beifall ist verhalten, selbst, als er auf die Grünen schimpft.

    CSU-Chef Markus Söder schießt sich wie erwartet auf die Grünen ein

    Auch Söder schießt sich – wie erwartet – auf die Grünen ein. Es dauert nicht lange, bis der CSU-Chef, der im Trachtenjanker am Rednerpult steht, gegen seinen Lieblingsfeind stichelt: Robert Habeck, freilich. „Ich würde nie sagen, dass er eine beleidigte Leberwurst ist, dafür mag ich Leberwurst viel zu gerne“, feixt Söder. Seit Wochen arbeitet er sich an Habeck ab, eben seit dieser ihm „fetischhaftes Wurstgefresse“, das wenig mit Politik zu tun habe, unterstellte. Im Bierzelt sagt Söder nach seinem Leberwurst-Vergleich: „Er war der schlechteste Wirtschaftsminister aller Zeiten. Bitte komm‘ nie mehr zurück in die Politik.“

    Man könnte meinen, der CSU-Chef sei auf Wahlkampftour. Aber in diesem Jahr gibt es in Bayern keine Landtagswahl, die Bundestagswahl ist ebenfalls gelaufen und die CSU seither Bestandteil der Bundesregierung in Berlin. Warum also trotzdem derlei deftiges Austeilen bei politischen Wrestling-Veranstaltungen wie dem Gillamoos? In Zeiten, in denen sich die etablierten Parteien ohnehin schwertun, Geschlossenheit zu zeigen, ein bisschen zerrieben wirken zwischen milliardenschweren Schuldenpaketen, immer neuen Gefechten innerhalb der eigenen Linien und einer in Folge all dessen immer stärker werdenden AfD – die ist ebenfalls auf dem Gillamoos vertreten, auf deren Partywiese läuft ein eigener Techno-Mix, „AfD, Deutschland, AfD“, eine Laune wie in der Disco, die Stimmung ist gut.

    Im Vorfeld hatte man Söder geraten, etwas diplomatischer aufzutreten

    Angesichts dessen muss man sich schon fragen: Ist diese Stammtischkultur, bei der man sich allerlei um die Ohren haut, sich eine verbale Watschn nach der anderen verpasst, ist das alles noch zeitgemäß? Ist es okay, die Menschen in unterschiedliche Bierzelte zu dirigieren, wenn das Land ohnehin schon gespalten ist? Auf den politischen Gegner im Takt der Marschtrommel einzudreschen? Söder findet offenbar: ja. Man habe ihm im Vorfeld geraten, etwas diplomatischer aufzutreten, sagt er auf der Bühne. „Aber Political Correctness und eine Cancel-Culture, das ist nicht meins. Ich lasse mir das Wort nicht verbieten.“

    Markus Söder habe die AfD groß gemacht, findet Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag.
    Markus Söder habe die AfD groß gemacht, findet Katharina Schulze, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag. Foto: Lukas Barth, dpa

    Ortswechsel. Das Weinzelt am anderen Ende des Festgeländes, in dem die Grünen heute auf den Tisch hauen. Da steht das Spezi für Katharina Schulze schon bereit, bevor die Fraktionsvorsitzende das Zelt überhaupt betreten hat. Natürlich können auch die Grünen traditionell bayerisch. Sogar der Berliner Bundesvorsitzende Felix Banaszak hat sich einen taubenblauen Trachtenjanker übergezogen, das dürfte den Blutdruck bei manchem Besucher auf dem Gillamoos noch stärker in die Höhe treiben als Morgenbier und Hendl.

    Banaszak fremdelt ein bisschen mit dem Humptata-Humor

    Aber fremdeln tut Banaszak schon ein bisschen mit diesem Humptata-Humor, mit dem man auf dem Gillamoos politische Botschaften garnieren muss. Katharina Schulze ist seine Lehrmeisterin, eine Fraktionsvorsitzende, die, so wird sie vorgestellt, klar und laut für die Demokratie redet, anders als – dieser Subtext schwingt immer mit – Markus Söder. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann das Top-Personal der Grünen schon ahnen, was drüben bei den Christsozialen für Gehässigkeiten durchs Mikro schallen, wahrscheinlich könnten sie Söders Anti-Grünen-Rede mittlerweile im Schlaf selber halten. Wie also wird Schulze reagieren?

    Erstmal stehen die Zeichen auf Versöhnung. Schulze zeigt, als sie begrüßt wird, mit beiden Händen ein Herz ins Publikum, der Bundesvorsitzende Felix Banaszak verbeugt sich höflich in dieser für ihn so ungewohnten Trachtenwelt. Doch als Schulze auf der Bühne steht, den Spezikrug in die Höhe stemmt, dreht sich ihre Rede dann doch zu 80 Prozent um Söder und zu 20 Prozent um die AfD.

    Söder habe die AfD mit groß gemacht, findet Schulze

    „Es gibt in Bayern zum Glück weniger Söders und viel mehr kluge, tolle, inspirierende Männer“, sagt sie und meint all jene, die nicht „breitbeiniger als ein Brauereigaul“ daherkommen. Die CSU nennt sie Söders Werbeagentur, eine „Klatschkulisse“ für eben jenes fetischhafte Futtern „eines Mannes, dem es nur um sich selbst geht“.

    Söder habe die AfD mit groß gemacht, findet Schulze und hat die reinen Zahlen dabei schon irgendwie auf ihrer Seite: Von 10,2 Prozent bei der Landtagswahl 2018 steigerte die Rechtsaußen-Partei ihren Wert auf 14,6 Prozent im Jahr 2023. Umfragen sehen sie derzeit im Freistaat sogar bei rund 20 Prozent. Doch natürlich weiß auch die Fraktionschefin, dass man sich im Osten Deutschlands mit rechten Auswucherungen in ganz anderer Größenordnung befasst. Schulze jedenfalls kann nicht die Fixierung des Ministerpräsidenten auf die Grünen als Hauptgegner verstehen. Die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD werde immer stärker und Söder reagiere mit: „Aber die…… Grüüüünen!“ Im Zelt können sie über diese traurige Wahrheit sogar ein bisschen lachen.

    Schulze entdeckt am Ende noch Versöhnliches in sich

    Und anders als Söder entdeckt Schulze zum Schluss ihrer Rede doch noch die Versöhnerin in sich: „Wir können die Demokratie nur gemeinsam stärken und retten. Und das ist, was wir jetzt tun müssen.“ Sie sagt: „Wenn Markus Söder bereit ist, gemeinsam mit uns für die Demokratie einzustehen, dann stehen wir ganz klar an seiner Seite.“ Dieser Satz bleibt.

    Im Hofbräuzelt schießt sich Söder immer mehr gegen die politischen Gegner, ergo die Grünen, ein. Der „Tofu-Terror“ müsse ein Ende haben, es könne doch nicht sein, dass sich darüber aufgeregt werde, wenn bei einem Volksfest ein Schwein gegrillt werde, nicht hier, nicht in Bayern. „Wir sind nicht in Berlin-Mitte, wir sind normale Leute, die früh aufstehen und hart arbeiten.“ Aber auch gegen die Linke teilt Söder aus. „Ich will mit der Linkspartei nichts zu tun haben. Nein zur Zusammenarbeit mit Sozialisten und Kommunisten.“ Und die AfD? Viele Worte verliert Söder über die Partei nicht, in einem Nebensatz sagt er, dass es falsch sei, Putin zu unterschätzen, wie es die AfD mache. Er sei aber gegen ein Parteiverbot und hoffe, dass die Menschen sich nicht blenden ließen. Sonst? Fast nichts.

    Hubert Aiwanger liefert, was die „Hubsi-Ultras“ sich wünschen

    Stattdessen spricht er lieber über seine Mondmissionspläne, darüber, dass er den Länderfinanzausgleich satthabe, dass es Zeit werde, dass „die Preußen endlich für die Preußen zahlen“ und nicht alles an Bayern hängen bleibe dürfe, über die Überforderung durch Migration („Grenzkontrollen? Selbstverständlich, was denn sonst?“) und übers Bürgergeld und dass doch, bitteschön, jemand, der nicht arbeiten wolle, auch nicht vom Staat versorgt werden dürfe. Söder weiß, welche Knöpfe er drücken muss.

    Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger nennt das Merz-Kabinett in Berlin eine „Regierung der enttäuschten Hoffnungen“, bei der es „schlechter nicht mehr werden“ könne.
    Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger nennt das Merz-Kabinett in Berlin eine „Regierung der enttäuschten Hoffnungen“, bei der es „schlechter nicht mehr werden“ könne. Foto: Lukas Barth, dpa

    Das weiß auch Hubert Aiwanger. Einen Jägerzaun weiter, im Weißbierstadl und dessen Biergarten, haben sie stundenlang auf ihn gewartet. „Hubert, Hubert, Hubert!“, riefen sie von den dicht besetzten Rängen, ein bisschen ist die Stimmung in dem mehrstöckigen Bierzelt wie in einem hölzernen Fußballstadion, bis unter die Decke besetzt mit Hardcore-Fans und Hubsi-Ultras. „Liebe Bürger, Arbeiter, Bauern, Beamte, Steuerzahler, liebe Boomer und Nicht-Boomer, liebe Menschen mit gesundem Menschenverstand!“ Schon mit der Begrüßung hat Hubert Aiwanger das Zelt in der Hand. Er fordert Applaus ein für die Holledauer Hopfenbauern und nennt das Merz-Kabinett eine „Regierung der enttäuschten Hoffnungen“, bei der es „schlechter nicht mehr werden“ könne.

    Aiwanger will eine Alternative aus der Mitte heraus sein

    Aiwanger hält sich nicht lang mit den „Pimpfen“ von den Grünen auf, wie er sie nennt. Er setzt, man muss es ihm zugutehalten, auf seine konservativen Inhalte. Er buchstabiert seine „Politik des gesunden Menschenverstands“ aus, bis sein weißes Hemd durchgeschwitzt ist. Es geht um die Erbschaftssteuer und natürlich auch um den „alten weißen Mann, der 40 oder 50 Jahre für Deutschland gearbeitet hat“, es geht um die Landwirtschaft und selbstredend auch hier um das Bürgergeld, das abgeschafft gehöre für die, die arbeiten könnten und nicht wollen. Aiwanger versucht sich als Alternative aus der Mitte heraus zu verkaufen und schafft das doch nicht, ohne die Sprache der AfD zu kopieren. Etwa dann, wenn er gegen „Rumänen“ wettert, die „unsere Frauen“ angreifen. Oder wenn er sagt, die Freien Wähler legten den „Finger in die Wunde“, die immer öfter eine „Messerwunde“ sei, zugefügt von „nordafrikanischen Migranten, die heimgeschickt gehören“. Jubel, Applaus im Stadion der Hubert-Ultras. Aiwanger ist noch nicht fertig: „Solange in Bayern Schützen und Trachtler durch die Straßen ziehen, ist das Land noch nicht verloren“, ruft er ins dampfige Zelt hinein. „Ich wünsche mir, dass in anderen Ländern auch Schützen und Trachtler durch die Straßen ziehen und nicht Islamisten, die die Einführung der Scharia fordern.“

    Bei Sätzen wie diesem sind Jubel und Applaus am allerlautesten, Aiwanger bedient seine Klientel. Er vermittelt seine Inhalte so lange, bis er irgendwann bei Schleppschläuchen fürs Güllefahren angekommen ist und die Menschen an den Bierzelttischen schon erschöpft sind vom Zuhören. Zur Bayernhymne und dem Deutschlandlied singt dann aber doch wieder das ganze Zelt aus voller Kehle. Und ein Geburtstagsständchen für die Weißwurstkönigin ist auch noch drin.

    Söder: Stehe auf der hellen Seite der Macht

    Im Hofbräuzelt kommt auch Söder zum Schluss. Noch ein paar Spitzen, gegen das Gendern etwa, die Leute klatschen. Am Ende ein fast schon obligatorisches „Mia san mia“, dann verabschiedet sich Söder und geht mit dem Musikstück „Imperial March“ aus dem Film „Star Wars“ – der Ministerpräsident ist ein großer Fan – von der Bühne. Nicht aber ohne darauf hinzuweisen, dass das Lied falsch gewählt sei, denn anders als Star-Wars-Schurke Darth Vader, in dessen Filmszenen der Marsch immer gespielt wird, stehe er nicht auf der dunklen, sondern auf der hellen Seite der Macht. Kleiner Gag, kleiner Insider, Söder liegt sowas. Die Menschen stehen von ihren Bierbänken auf, johlen, klatschen, Söder winkt, verbeugt sich, reckt die Arme in die Höhe. Sich feiern lassen, das kann er.

    Und die Zuhörerinnen und Zuhörer beim Gillamoos? Die bleiben für ihr Bier und ihren Schweinebraten im Zelt bei jeweils der Partei sitzen, die sie wahrscheinlich ohnehin schon vorher gut fanden.

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