Ein Zirkuszelt mit Kuppel und großen Tribünen wird man bei Dieter Schetz nicht finden. Und wer auf seltene oder exotische Tiere steht, sollte doch lieber einen Zoo besuchen. Der Reiz des Zirkus Liberta liegt im Gewöhnlichen, im Allbekannten - das in seinem Zusammenspiel und in der Art, wie Schetz es präsentiert, doch wieder zu etwas ganz Außergewöhnlichem wird.
Denn die "Stars" der Manege sind hier Hühner, Katzen, Hunde, Gänse, Enten, Ziegen, Esel oder Schweine, eben ausschließlich heimische Lebewesen und Haustiere. "Man braucht keinen Tiger oder Elefanten, den man ohnehin nicht artgerechten halten kann", kritisiert der Allgäuer in einem Fernsehbeitrag des BR die Praktiken in größeren Zirkusbetrieben.
Artgerecht heißt für Schetz in erster Linie frei. Mit seinen Tieren lebt er auf einem einsamen Bauernhof in Göhlenbühl bei Immenstadt, umgeben von Wiesen und Wäldern. Käfige oder Zäune findet man hier so gut wie nicht, alle Tiere laufen frei herum und können überall hin. Das Risiko, dass mal ein Tier entläuft oder von einem Fuchs gerissen wird, nimmt der Hausherr bewusst in Kauf. "Ich muss niemanden einsperren. Selbst, wenn dann mal etwas passiert... Ein kurzes Leben in Freiheit ist besser als ein Leben in Gefangenschaft."
Liberta, lateinisch für Freiheit, ist für Dieter Schetz eben mehr als ein Begriff. Er hat sich für ein Leben in vollkommener Freiheit entschieden. Früher, in jungen Jahren, arbeitete er in Kempten unter anderem als Kellner und medizinischer Bademeister. Doch dann, 1982, warf er alles hin und gründete seinen Zirkus Liberta. Denn: "Niemand von uns fühlt sich ohne Freiheit wohl." Egal ob Mensch oder Tier...

Dressuren, Zwang, Peitschenhiebe, all das gibt es in seinem Zirkus nicht. "Die Nummern entstehen nicht durch mich, sondern durch die Tiere." Zuhause beobachtet Schetz die Talente seiner Hauptdarsteller - und die reichen allemal für witzige, teilweise skurrile aber liebenswerte Auftritte aus, die Groß und Klein in ihren Bann ziehen. Da ist die Katze, die mit einer weißen Maus auf dem Rücken durch einen Feuerreif springen kann, weil auf der anderen Seite der Futternapf lockt. Der Hahn, der sich hypnotisieren lässt oder die Ente, die auf einer Rutsche in ein Wasserbecken gleitet...
Schetz fungiert bei seiner Ein-Mann-Show als Direktor, Dompteur und Entertainer - und moderiert jede kleine "Panne" charmant und lustig hinweg. Klar, bei 50 bis 70 eigenwilligen, tierischen Darstellern klappen die Nummern oft halt auch nicht. Doch Perfektionismus oder gar Bestrafungen haben im Zirkus Liberta keine Chance. Er sei eben der Mann, bei dem nie was klappt - aber ein größeres Kompliment könne man ihm gar nicht machen, als dennoch zu seinen Shows zu kommen, sagt er.
Es ist das Kleine, das Unperfekte, das den Allgäuer und seinen Zirkus so bezaubernd macht. Seit fast 35 Jahren tourt er damit durch Deutschland, der Zirkus ist sein Leben. Rund 20 Auftritte absolviert er im Jahr, Vorstellungen gibt es aber nur nach Vereinbarung (hier geht's zu den Terminen für 2017). Am liebsten tritt Schetz auf Märkten, Stadtfesten oder Firmenfeiern auf - viel Platz benötigt der "kleinste Zirkus der Welt" logischerweise nicht: 10 mal 4 Meter reichen, um einen ganz besonderen "Allgäuer Superlativ" zu bieten...