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Der Mann, der das Skifahren verändert hat

Allgäuer Pionier in den USA

Der Mann, der das Skifahren verändert hat

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    Sie nennen ihn den „Willy Bogner Amerikas“: Klaus Obermeyer hat den Stars im US-Nobelort Aspen das Skifahren beigebracht – und nebenbei die Daunenjacke erfunden. Er fährt noch heute Ski – wenn auch nur selten in diesem Outfit – und lässt dabei auch manchen Jodler los.
    Sie nennen ihn den „Willy Bogner Amerikas“: Klaus Obermeyer hat den Stars im US-Nobelort Aspen das Skifahren beigebracht – und nebenbei die Daunenjacke erfunden. Er fährt noch heute Ski – wenn auch nur selten in diesem Outfit – und lässt dabei auch manchen Jodler los. Foto: Klaus Obermeyer

    Es ist ganz egal, wo Klaus Obermeyer in Aspen vorbeischaut. Die Leute kennen ihn. Und sie mögen ihn, den Sunnyboy, der so gut drauf ist, der die Menschen zum Lachen bringt. Ein Handschlag hier, ein kurzer Plausch dort - Klaus Obermeyer ist eine Legende in dem Nobel-Skiort in den Rocky Mountains mit seinen 300 Sonnentagen im Jahr. Natürlich sind da all die Promis, die Aspen ihre Heimat nennen - Jack Nicholson und Kevin Costner zum Beispiel. Und jetzt, im Winter, wenn auf Ruthie’s Run Wedelstimmung herrscht und an der Talstation der Silver Queen Gondola die Champagnerkorken knallen, ist die Promidichte im Ort besonders hoch.

    Der eigentliche Promi aber heißt Klaus Obermeyer, wobei das nicht nur an seinen 97 Jahren liegt. Oder an der Tatsache, dass er es vom Skilehrer zum Multimillionär geschafft hat. Oder daran, dass er jodelt, wenn es ihm gut geht. Nein, Obermeyer ist Aspen - und umgekehrt. Ohne ihn würde es das Ski-Mekka der amerikanischen Rockys wohl in der heutigen Form nicht geben - wie so vieles, was von den Pisten nicht mehr wegzudenken ist.

    Auch mit 97 Jahren sitzt Klaus Obermeyer noch täglich an seinem Schreibtisch von Obermeyer Sports.
    Auch mit 97 Jahren sitzt Klaus Obermeyer noch täglich an seinem Schreibtisch von Obermeyer Sports. Foto: Thorsten Keller

    Es beginnt am Hündle und Hochgrat

    Die Geschichte beginnt 1947 - und sie hat ihre Wurzeln im Allgäu. Genauer gesagt in Oberstaufen, wo Obermeyer aufgewachsen ist, wo er oft mit Skiern auf Hochgrat und Hündle gestiegen ist. Dann verschlägt es den Flugzeugbauingenieur in die USA - wie viele seiner Landsleute, die dort ihr Glück suchen, nachdem zu Hause alles in Trümmern liegt.

    Auch Friedl Pfeifer aus dem österreichischen St. Anton ist einer von ihnen. „Er hatte die Idee, Aspen Mountain zum Skiberg zu machen“, erinnert sich der Allgäuer. In dem verlassenen Silberminenstädtchen gibt es zu dieser Zeit gerade mal einen Skilift. Pfeifer glaubt an seinen Traum. Ein Traum, der nach Geld verlangt. Das kommt von Walter Paepcke, einem Chicagoer Kartonfabrikanten mit deutschen Wurzeln. „Walter Paepcke hatte das Geld, Friedl Pfeifer baute die Lifte und gründete die Skischule. Wenn er Geld brauchte, hat er Walter angerufen. Der war kein Skifahrer, aber ein kluger Mann“, erinnert sich Obermeyer. Nächtelang diskutieren er und Friedl Pfeifer im Jerome Hotel, dem ersten Haus am Ort, beim Schachspiel, welche Ideen man in Aspen umsetzen kann.

    Wir haben gefroren wie die Schneider.Klaus Obermeyer

    Gary Cooper als Skischüler

    Extrem kalt und schneereich sind die Winter in den Rocky Mountains schon damals. „Wir haben gefroren wie die Schneider“, erinnert sich Obermeyer, der zu dieser Zeit als Skilehrer in Aspen arbeitet. Morgens um acht geht es für ihn und seine Kollegen mit dem Sessellift auf den Berg. 15 Minuten lang sind die Männer unterwegs - vermummt in dicken, wollenen Mänteln, die zum Skifahren völlig ungeeignet sind. Die Mäntel schicken die Skilehrer mit dem Sessellift wieder ins Tal, bevor sie mit Schaufeln die Pisten präparieren, auf denen später die ersten Gäste die Abfahrt wagen. Große Hollywood-Stars sind darunter: Ingrid Bergman, Lex Barker und Gary Cooper. Letzterer ist Obermeyers Skischüler - und wird für ihn zum Glücksfall.

    Es ist die Zeit, in der Obermeyer genug vom Frieren hat. Von der Mutter, die in Oberstaufen ein Bekleidungsgeschäft betreibt, hat er vor der Überfahrt nach Amerika eine Daunenbettdecke mitbekommen. Daraus näht er sich eine Jacke. „Ich habe darin ausgesehen wie ein Michelin-Männchen, und nach dem Nähen hatte ich beim Frühstück wochenlang Federn im Müsli. Das war recht schwer verdaulich“, sagt Obermeyer und muss bei dem Gedanken noch immer lachen. Doch die Daunenjacke hält ihn warm - und gefällt auch seinem Skischüler Gary Cooper. „Er fragte mich, ob ich ihm die Jacke leihen könne, und da habe ich sie ihm geliehen.“ Dabei soll es nicht bleiben. Cooper kauft ihm das Modell ab.

    Ich habe darin ausgesehen wie ein Michelin-Männchen, und nach dem Nähen hatte ich beim Frühstück wochenlang Federn im Müsli. Das war recht schwer verdaulich.Klaus Obermeyer

    Daunenjacken, Sonnenbrillen, Ski-Stopper und Sonnencreme

    Immer mehr Hollywoodstars zieht es zu dieser Zeit in den aufstrebenden Skiort - und die Jacke von Gary Cooper ist Stadtgespräch. Obermeyer sieht seine Chance gekommen. Er beginnt, auf dem Speicher seines Hauses an Skianoraks zu tüfteln, gründet „Obermeyer Sports“ und eröffnet 1961 in Aspen sein erstes Geschäft. Im Mittelpunkt: Daunenjacken. Genäht werden die ersten Exemplare bei einem Freund, der in München eine Bettwarenfabrik besitzt. Und Obermeyer sinniert, was den Gästen am Aspen Mountain sonst noch zum Ski-Vergnügen fehlt. Er erfindet die erste verspiegelte Ski-Sonnenbrille, baut die ersten Ski-Stopper an die Bretter, verwendet als Erster Nylon in der Sportbekleidung. Und er entwickelt die erste Sonnencreme mit UV-Schutz - ein Muss in dem sonnenverwöhnten Skigebiet, dessen Pisten in 2.500 bis 3.700 Meter Höhe liegen. „Viele unserer ersten Skigäste waren nach einem Tag auf Skiern schon so von der Sonne verbrannt, dass sie gleich wieder den Rückweg antreten mussten“, erinnert sich Obermeyer.

    Oldie auf der Piste: Aspens bekanntester Promi ist ein Allgäuer, der sich auch heute noch gern mit den schönen Frauen des Nobelskiorts umgibt.
    Oldie auf der Piste: Aspens bekanntester Promi ist ein Allgäuer, der sich auch heute noch gern mit den schönen Frauen des Nobelskiorts umgibt. Foto: Bernhard Krieger/dpa

    Über Jahrzehnte wächst sein Unternehmen. Das Design seiner Kleidung entwickelt Obermeyer selbst, produziert wird sie in Bayern, Österreich und Italien. Auch die ersten Doppelschichtschneeboots - Modell Garmisch, gefertigt in Vierkirchen im Landkreis Dachau - gehen Mitte der 1960er auf ihn zurück. „Es war die beste Zeit für unser Geschäft“, schwärmt der Unternehmer.

    Sieben Tage die Woche am Schreibtisch - mit 97

    Auch heute, mit 97, hat Obermeyer einen dicht gedrängten Zeitplan. Morgens schwimmt er eine halbe Meile, dann versorgt er die Tiere auf seiner Ranch am Roaring Fork River, eine halbe Stunde südlich von Aspen. Und er sitzt noch immer sieben Tage die Woche am Schreibtisch. Wer einen Termin bei ihm bekommen will, muss daher Geduld mitbringen. Obermeyer begrüßt den Gast mit einem energiegeladenen „Welcome to Aspen“. Sein Allgäuer Akzent ist auch nach all den Jahren deutlich zu hören - und er versucht auch gar nicht, seine Herkunft zu verbergen. „Heimat bleibt Heimat“, sagt er. Und, dass sein Neffe noch heute das gleichnamige Modegeschäft in Oberstaufen führt.

    In seinem Büro reihen sich Fotos aneinander: schöne Menschen im Schnee, sattblauer Himmel, Obermeyer als lässiger Skilehrer, die Haare akkurat zurückgegelt. Heute ist sein Haar weiß wie Pulverschnee, seine Zähne auch. Der 97-Jährige ist charmant - und er weiß Geschichten zu erzählen. Über all die Reichen und Schönen. Über Ingrid Bergman, die ihren eifersüchtigen Ehemann mit nach Aspen brachte - und die, wie er sagt, so schöne Lippen hatte. Und über seine Mitarbeiter, die er als Familie sieht.

    Heimat bleibt Heimat.Obermeyer über Oberstaufen

    In der Tat ist Obermeyer Sports noch immer ein Familienunternehmen. Obermeyers heutige Ehefrau führt die Geschäfte, seine Ex-Frau ist ebenso dabei wie die Tochter. Die Skibekleidung wird in erster Linie in den USA, in Japan und Südamerika verkauft und in Bangladesch gefertigt. Patentieren ließ sich Obermeyer den Daunenanorak nicht. Ob er dennoch stolz ist auf das, was er im Leben erreicht hat? Er wiegelt ab. „Wir wollten das Skifahren komfortabler machen. Das ist zu einer nie endenden Anstrengung geworden, bei der ich viel Glück gehabt habe.“

    Zum Abschied ein Jodler

    Noch immer steigt der 97-Jährige im Winter auf seine Ski und wedelt über Ruthie’s Run und Schuss Gully, über Buckhorn, Midway Road und Roch Run hinunter ins Tal, das sich in den 70 Jahren seit seiner Ankunft so sehr verändert hat: Kunstgalerien wechseln sich heute mit Edelboutiquen ab. In den Schaufenstern hängen dicke Pelzwesten, reich verzierte Gürtel, teure Lederwaren - das, was der Jetset gern in den Bergen trägt. Die Restaurants bieten Slow und Slim Food statt Steak und Burger. Einmal im Jahr kommen Gäste wie der Dalai Lama, Bill Clinton oder Bill Gates, um am Aspen Institute - einem weiteren Vermächtnis Walter Paepckes - darüber zu diskutieren, wie sich die Probleme der Welt lösen lassen.

    Geblieben sind die kalten Winter mit dem „Champagne Powder“, jenem trockenen Pulverschnee, so fein wie Champagnerschaum, der längst das Markenzeichen von Aspen ist. „Der Schnee hier ist einfach eine Klasse für sich“, sagt Obermeyer. Und dass Skifahren für ihn einfacher ist als Laufen. Zum Abschied schiebt er sich ein Honigbonbon in den Mund und setzt zu einem kräftigen „Holleridi“ an. Den Jodler bringt in Aspen keiner so gut über die Lippen wie der Mann, der den Wintersportort in Colorado einst mitbegründet hat.

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