Mitte März, ein Abschnitt auf der viel befahrenen A8. Ein Autofahrer hält bei Tempo 210 gerade einmal sechs Meter Abstand zum Wagen davor und blinkt wild mit der Lichthupe. Sein Pech: Vor ihm fährt eine Zivilstreife der Polizei, die den aggressiven Mann sofort aus dem Verkehr zieht.
Es ist nur ein Fall von vielen. Fachleute stellen fest, dass die Stimmung im Straßenverkehr zunehmend aggressiver wird. Immer mehr Autofahrer rasen vor Wut, bremsen, um andere zu ärgern, oder drängeln, besagt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts O.trend im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer aus dem Jahr 2023. Seitdem hat sich gefühlt nichts zum Positiven verändert.
Jeder Zweite räumt ein, sich sofort abreagieren zu müssen, wenn er oder sie sich im Auto ärgert
53 Prozent der Befragten gaben bei der Umfrage an, dass sie schneller fahren als sonst, wenn sie sich ärgern. Bei den vorhergegangenen Erhebungen in den Jahren 2016 und 2019 hatten der Aussage noch jeweils 47 Prozent der Befragten zugestimmt. Jeder Zweite räumte sogar ein, sich sofort abreagieren zu müssen, wenn er oder sie sich im Auto ärgert. Dabei sind sich die meisten einig, dass dies die falsche Verhaltensweise ist: 90 Prozent sehen die zunehmende Aggressivität im Straßenverkehr nämlich als grundsätzliches Problem.
Im bayerischen Innenministerium liegen zum Drängler-Phänomen und der Aggressivität auf der Straße keine Daten vor. Belegt ist jedoch, dass seit 2020 die Zahl der Unfälle wegen zu geringem Sicherheitsabstand massiv zugenommen hat. Waren es vor fünf Jahren noch 75.284, sind es inzwischen 109.844, sagt eine Sprecherin.

Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, warnt vor solchem Verhalten. Das Auto sei kein angemessener Ort, um Aggressionen loszuwerden, sagt er. Ulrich Chiellino wiederum, Verkehrspsychologe beim ADAC in München, hat beobachtet, dass trotzdem viele Autofahrer Risiken zum eigenen Vorteil in Kauf nehmen würden – und zwar „ohne Rücksicht auf Verluste“. Die Aggression ist übrigens, wie auch die Gewaltkriminalität, ein überwiegend männliches Phänomen. Und die Wut im Land nimmt zu. Jeder zweite Mann wird inzwischen aggressiv, wenn er sich behindert fühlt – aber nur jede dritte Frau, hat sich bei einer Umfrage des Online-Portals Autoscout herausgestellt.
750 Euro sind fällig, wenn man einem Drängler den Vogel zeigt und dabei erwischt wird
Den von Dränglern unter Druck gesetzten Verkehrsteilnehmern raten die Experten, sich in einem solchen Fall nicht aufzuregen. Es nütze nichts. „Stattdessen hilft Gelassenheit“, sagt Chiellino. „Man sollte sich nicht dazu hinreißen lassen, etwa hinter einem Drängler herzufahren, ihn möglicherweise selbst zu überholen und ihm dann einen Vogel zu zeigen.“ Mit solch einer beleidigenden Geste riskiert man nämlich ein Bußgeld. 750 Euro sind es, wenn man anderen den Vogel zeigt und dabei erwischt wird. Beim „Stinkefinger“ können es sogar 4000 Euro sein. Diese Zahlen sind von Gerichtsurteilen abgeleitet und können deswegen durchaus variieren. Die Experten raten stattdessen: „Durchschnaufen, weiterfahren lassen und wegatmen.“
Für alle, die sich nun fragen, wie weit man vom vorausfahrenden Fahrzeug mindestens entfernt sein muss, gilt nach Mitteilung des ADAC die Faustregel: Außerhalb geschlossener Ortschaften sollte man den „halben Tacho“ einhalten. Zum Beispiel: Ist man mit Tempo 100 unterwegs, sollte der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug mindestens 50 Meter betragen. Die Entfernung kann man anhand der Leitpfosten am Straßenrand abschätzen, die in der Regel 50 Meter voneinander entfernt sind.
Und am Ende muss natürlich auch die Frage geklärt werden, ob und wann Drängeln strafbar ist. Fakt ist: Wer anderen zu nahekommt und den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand nicht einhält, verstößt gegen die Straßenverkehrsordnung. Drängler müssen demzufolge mit einer Strafe von bis zu 400 Euro, zwei Punkten in Flensburg und einem Fahrverbot von bis zu drei Monaten rechnen. Solche Fälle müssen allerdings individuell beurteilt werden, sagt man beim ADAC, da der Übergang zu einer Straftat beziehungsweise zur Nötigung oft schwammig sei. So darf zum Beispiel laut Straßenverkehrsordnung die Lichthupe mit einem kurzen Aufblenden verwendet werden, um ein Überholvorhaben anzuzeigen. Nötigung wird es bei mehrmaligem Aufleuchten in Kombination mit einem zu kurzen Sicherheitsabstand.
Info: Weitere Tipps im Umgang mit Dränglern findet man unter www.bussgeldkatalog.org
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