1. Den Bürgermeister als Feierbiest
Im Fasching als Beth Ditto, passend im wesentlich zu engen Kleid, oder beim Tänzelfest im Harlekin-Gewand: Der Kaufbeurer Bürgermeister Stefan Bosse ist – milde ausgedrückt – ein wenig aufgeschlossener als Stadtoberhäupter anderer Allgäuer Gemeinden. Oder kann sich jemand den Kemptener OB Thomas Kiechle als Miley Cyrus vorstellen? Auf der einen Seite ist seine Art erfrischend, sie bringt ihm allerdings auch Kritik ein.

2. Das Fest fürs gemeine Volk
Fahnen und Flaggen statt Straßenschilder. Fackeln statt elektrischer Laternen – Holz statt Beton und Plastik. Jedes Jahr im Juli reist die Kaufbeurer Innenstadt zurück ins 15. Jahrhundert. Der damalige König Maximilian I. soll im Jahr 1497 die Wertachstadt besucht und den „Denzeltag“ verordnet haben. Das feiern die Kaufbeurer heute mit dem Tänzelfest. Beim ältesten Kinderfest Bayerns nehmen über 1.600 Kinder in historischen Kostümen teil, zehntausende Menschen besuchen das Lagerleben und trinken dabei (vermutlich) auch zehntausende Liter Bier, Wein und Met. Prost.
3. Die Punks, Goths und Metaller
So gar nicht Mainstream: Die beiden Kaufbeurer Clubs „Melodrom“ und „Life“ haben jahrzehntelang Underground-Bewegungen nach Kaufbeuren gelockt. Bis aus Augsburg, München und sogar Stuttgart kam die „Schwarze Szene“ nach Kaufbeuren, um am Samstag im „Melo“ zu feiern. Stilecht mit Gasmaske und Leder-Anzug als Accessoire. Das „Life“ war für die Punks aus dem ganzen Allgäu die Anlaufstelle Nr.1. Hier hatte sogar Motörhead-Sänger Lemmy nach einem Konzert in der Zeppelinhalle gefeiert.
Beide Clubs sind in ihrer Urform leider Geschichte. Das „Life“ schloss im Jahr 2000, das Gebäude verfällt. 2013 brannte dann das Melodrom bis auf die Grundmauern nieder - und eröffnete Ende 2016 neu. Die Räume der ehemaligen Disco Fun sind zwar nicht ganz so kultig - das Melo-Team hat aber gute Arbeit geleistet. Das Flair des Kult-Clubs kommt noch immer rüber.

4. Die grenzenlose Liebe für die Joker
Als Nicht-Eishockey-Fan ist man in Kaufbeuren manchmal etwas einsam. Nicht, dass der ESV Kaufbeuren das einzige Stadtgespräch wäre – gerade innerhalb der Saison scheint der Eishockeyclub nur wenige Menschen zu interessieren – aber am Ende, wenn es um die Playoffs in der zweiten Bundesliga (… oder um den Abstieg) geht, oder wenn ein neues Eisstadion für 17 Millionen Euro gebaut werden soll, ist Kaufbeuren Joker-Stadt. Die wirklich glanzvollen Zeiten des Eishockeys in Kaufbeuren, als die „Kaufbeurer Adler“ noch in der ersten Bundesliga spielten, sind zwar vorbei. Kaufbeuren aber bleibt eine Eissportstadt.
5. Die Witze über Neuga-Bronx
Viele, die in den 90er und Anfang der 2000er Jahren in Neugablonz aufgewachsen sind, können sich an eine brenzlige Situation im Stadtgebiet erinnern. Oft waren es ein Konflikte der Kulturen – Spätaussiedler gegen Männer und Frauen mit türkischen Wurzeln gegen Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund. Daher lag für manche der Vergleich mit dem New Yorker Stadtteil Bronx (in „etwas“ kleinerem Maßstab) nahe. Mittlerweile sind die Konflikte weniger geworden. Kaufbeuren zählt zu den sichersten Städten in Bayern und auch die Angst vor Kriminalität hat abgenommen. Trotzdem: ein Teil der Einwohner scheint sich in der etwas düsteren Rolle zu gefallen: „Neugablonz ist irgendwie ein bisschen assi, irgendwie ein bisschen cool“, hört man manchen Neugablonzer sagen.
6. Den einen Turm
Ein kleiner Fleck Mittelalter ist Kaufbeuren bis heute geblieben. Der Fünfknopfturm mit der angrenzenden Stadtmauer östlich der Stadtmitte gilt als Wahrzeichen der Stadt. 1420 wurde er auf dem Blasiusberg als Aussichtsturm für die Brandwache gebaut. Von dort aus hat man noch heute einen tollen Blick über die Innenstadt. Und noch aus einem anderen Grund ist das Areal um den Fünfknopfturm berühmt: Die Afraschenke, gleich gegenüber des Turms, hat am Tänzelfest (siehe oben) am längsten geöffnet.

7. Den Klostergarten für alle
Bei Pilgern berühmt, von den Kaufbeurern schon beinahe ignoriert: Das Crescentiakloster mitten in der Stadt wirkt nach außen hin fast wie ein Bollwerk. Die großen Holztüren sind nur selten geöffnet. Was sich hinter den dicken Steinmauern passiert, scheint verborgen. Wer aber an der Stadtmauer entlang schlendert und die kleine Türe zum Klostergarten öffnet, der bekommt einen ganz neuen Eindruck von dem, was die Franziskaner-Nonnen leisten. Der Garten ist ein kleines Idyll mitten in der Stadt. Ein farbenfrohes Pflanzenmeer, akurat gepflegt und toll angelegt.
8. Den Titel: „Schlechteste Autofahrer Deutschlands“
Schimpf, Schande und Artikel in der Bild-Zeitung: 2010 bekamen die Kaufbeurer den Titel „Schlechteste Autofahrer Deutschlands“ aufgedrückt. Fernsehteams reisten in die Wertachstadt, das ganze Land überschüttete Kaufbeuren mit Spott. Hintergrund war eine Auswertung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Oberbürgermeister Stefan Bosse kritisierte die Untersuchung scharf, die Stadt investierte aber auch in die Verkehrssicherheit und entschärfte Unfallschwerpunkte. 2013 ging die Rote Laterne weiter nach Augsburg – in der Region steht das Kennzeichen „KF“ aber noch immer für „Kein Führerschein.“

9. Das Geräusch „Klonk“ in der Unterführung
Apropos schlechte Autofahrer. Manchmal muss man sich als Kaufbeurer doch wundern. Regelmäßig staut es sich auf der Augsburger-Straße oder in Richtung Biessenhofen. Der Grund häufig: Ein Lastwagen, der unter den Unterführungen stecken geblieben ist. Oder sich im Schneckentempo darunter durchquetscht. Laut Polizei sind in den letzten zwei Jahren an beiden Unterführungen jeweils zwei Lastwagen schwer beschädigt worden. Die Dunkelziffer ist aber wesentlich höher.
10. Den Tüten-Mann
Viele Jahre hat der Tüten-Mann das Kaufbeurer Stadtbild geprägt. Mit buschigem Bart, zerrissener Kleidung und seinem Besitz in großen Plastiktüten verpackt, wanderte er Tag für Tag durch die Innenstadt. Er schlief im Wald, am Mühlbach, oder im Winter auf dem Lüftungsgitter eines Verbrauchermarktes. Und er entfachte in der Stadt eine hitzige Diskussion um selbstbestimmtes Leben. Die einen sagten, es wäre sein freier Wille gewesen, so zu leben. Die Anderen behaupten, er hätte schon viel früher Hilfe von offizieller Stelle bekommen müssen. Mittlerweile lebt der Mann in einer Pflegeeinrichtung.
11. Das goldene Z
Stell dir vor, du willst eine Kneipe eröffnen und stellst folgendes Plan bei deinem Investor vor: Öffnungszeiten? „Och, wenn’s mir passt“. Musik? „Gar keine.“ Events? „Hm?“ Räumlichkeiten? „Altbau, fast im Keller. Hauptsache schief und eng.“ Innenausstattung? „Ein paar Holzbänke, Tische und alte Bilder.“ Die Reaktion des Investors wäre vermutlich ein Tritt in den Hintern. Die Kneipe „Zoigl“ in Kaufbeuren aber ist mit diesem Konzept richtig erfolgreich. Praktisch täglich, wenn es denn offen hat, ist die Kneipe voll. An manchen Tagen findet man kaum mehr einen Platz. Hier sitzt der 55-jährige Stadtrat neben dem 21-jährigen Partygirl und neben dem 33-jährigen Hipster. Auf den Tischen steht leckeres Bratwurstgehäck, Blutwurst und Brot. Und alle trinken das von Wirt Gernot Wildung selbstgebraute Bier: Das „Zoigl."