Wir befinden uns im Jahr 2018. Das Allgäu ist von Bierbrauern bevölkert... Das ganze Allgäu? Nein! Ein von unbeugsamen Wein-Rebellen bevölkerter Ort hört nicht auf, Widerstand zu leisten. Ungefähr so muss sich der Bad Hindelanger Hotelier Armin Gross gefühlt haben, als er 2011 begann, seinen eigenen Wein herzustellen - und das im Allgäu! Harte Winter, kühle Sommer - und dazu noch die Bier-Leidenschaft der Allgäuer: Das kann doch eigentlich nichts werden. Oder etwa doch? Gross, der das Hotel Prinz-Luitpold-Bad betreibt, hat es gewagt und sich deshalb jahrelang mit den deutschen Behörden herumgeschlagen.
Denn wer jetzt denkt, so ein Paar Weinstöcke zu pflanzen sei kein Problem, der irrt: Wie so oft in Deutschland ist auch dafür eine Genehmigung nötig. Die hat Hoteliers-Familie Gross zwar 2011 erhalten, jedoch nur für den privaten Gebrauch. Verkaufen durften sie die Trauben und den selbstgekelterten Wein trotzdem nicht.
Doch das Warten hat sich gelohnt: Seit Juli darf sich Wein-Rebell Armin Gross offiziell als Winzer bezeichnen und seinen Wein sogar verkaufen! Der 2018er-Jahrgang wird der erste sein, der im Hotel-Restaurant ausgeschenkt wird. Eine 0,2-Liter-Flasche soll 19 Euro kosten - ein stolzer Preis, aber: "Es soll ein exklusives Erlebnis sein."

Nächstes Jahr wird der Weinberg von 100 auf 500 Quadratmeter vergrößert
Heuer hat der Neu-Winzer 85 Kilogramm Trauben der Sorte Solaris geerntet. Die ist besonders widerstandsfähig (wichtig für den harten Allgäuer Winter!). "Das ergibt 45 Liter Wein", erzählt Gross. Wir stehen in seinem 100 Quadratmeter "großen" Weinberg, der aus 31 Rebstöcken besteht und sich auf dem Hotel-Gelände befindet. Das Laub hat sich bereits verfärbt, Weinernte war Ende September. "Sonst ernten wir Anfang Oktober, durch das gute Wetter waren wir aber auch im Allgäu früher dran." Am Hang wurden erst vor kurzem große Terrassen angelegt. "Dort dürfen wir ab nächstem Jahr fünf Mal so viel Wein anbauen", erzählt der Hotelier mit einem Strahlen in den Augen. Eine größere Presse hat er bereits angeschafft.
Gross hat sich das Weinmachen selbst beigebracht. "Mit den Möglichkeiten des Internets hat man heute ja keine Ausrede mehr, etwas nicht zu können oder zu tun." Unterstützt wird er von einem befreundeten Winzer und dem ehemaligen Hotel-Hausmeister. "Der kommt selbst aus einer Weinregion und kennt sich bestens aus." Hört man den Hotelier so reden, merkt man aber sofort, dass auch er sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. "Das lässt einen einfach nicht mehr los."
Am besten passt der Allgäuer Exote zu Gnocci mit Trüffel
Mit den Möglichkeiten des Internets hat man heute ja keine Ausrede mehr, etwas nicht zu können oder zu tun.Hotelier Armin Gross
Doch wie schmeckt der Wein von Deutschlands höchstem Weinberg? Gemeinsam mit der vierten Allgäuer Weinkönigin Lisa I. (die eigentlich Lisa Wilfer heißt, 21 Jahre alt ist, aus Oberstaufen kommt und gerade ihr Duales Studium abgeschlossen hat) durfte ich den jungen Wein exklusiv probieren. Und gebe zu, dass ich anfangs so meine Bedenken hatte. Doch als ich meine Nase ins Glas mit der noch trüben Flüssigkeit halte, bin ich ziemlich überrascht: "Das riecht ja nach Piña Colada!" Der Kokos-Geruch komme von der Hefe, erklärt mir Gross. "Die Ananas-Note von der Solaris-Traube." Auch der erste Schluck ist anders als erwartet: Zwar säurebetont, aber nicht krachsauer. "Das Allgäuer Klima und die steile Südlage unseres Weinbergs sind optimal für die Solaris-Traube", erklärt Armin Gross. Wer hätte das gedacht?
Noch ist der Wein natürlich nicht fertig, die exotische Note wird er aber behalten. "Am besten passen dazu Gnocci mit Trüffel", überlegt Gross. Und wie soll der edle Tropfen heißen? "Rechtlich ist es mir verboten, dem Wein eine Ortsbezeichnung zu geben." Lediglich "Deutscher Wein" und der Name des Erzeugers dürfen aufs Etikett. Gross wollte seinem Wein trotzdem einen einzigartigen (und erlaubten!) Namen geben, die Wahl fiel auf "Bergwein 860 NN" - als Anspielung auf Deutschlands höchsten Weinberg.