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Ein „Krippeler“ mit Leib & Seele

Krippenbau als Handwerk

Ein „Krippeler“ mit Leib & Seele

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    Karl-Heinz Guter hat in Kempten Bayerns erste Krippenbauschule gegründet.
    Karl-Heinz Guter hat in Kempten Bayerns erste Krippenbauschule gegründet. Foto: Karl-Josef Hildenbrand

    Karl-Heinz Guter kramt in seiner Hosentasche. Nachdem Kare, wie ihn hier alle nennen, fündig geworden ist, klopft er – neben den fragilen Miniatursäulen aus Gips – die Schnupftabakdose auf die Werkbank und nimmt erst einmal eine kräftige Brise. Nur keine Hektik. Durch die offene Tür hört man Hämmergeräusche und das Surren einer Bandsäge. „Ein bisschen lustiger könnte es unten in der Werkstatt zugehen“, meint der Krippenbaumeister in der kurzen Pause, die er sich gerade gönnt.

    Aber ansonsten ist Kare Guter aus Kempten mit seinen Kursteilnehmern sehr zufrieden. In zwei Tagen, so versichert der Gründungsvater von Bayerns erster Krippenbauschule, werden alle stolz auf ihre Werke sein. „Das war noch immer so“, sagt der 73-Jährige und berichtet von einem Vertreter, der nicht einmal einen Hammer richtig in die Hand nehmen konnte, dem aber trotzdem ein vorzeigbares Resultat gelungen sei.

    Auch bei der Krippenausstellung in Wiggensbach ist Guters Kunst zu bestaunen.
    Auch bei der Krippenausstellung in Wiggensbach ist Guters Kunst zu bestaunen. Foto: Hermann Ernst

    Die Kurse laufen bestens, freut sich der Schulleiter. Bis aus Nürnberg ist diesmal ein Ehepaar angereist. „Wir hatten auch schon Teilnehmer aus Suhl und Köln“, stellt Guter fest. „Vom Banker bis zum Eisenbahner – alle Berufsgruppen sind vertreten.“ Manchmal, erzählt der alte Fuchs, der in seinem Leben schon ein paar hundert Krippen gebaut hat, kommen auch Schreiner, um sich bei ihm und seinem Helferteam Tipps zu holen. „Aber mit denen ist es schwierig“, sagt Guter und lächelt milde. „Denen muss man zuerst einmal Winkel und Lineal aus der Hand nehmen.“ Nichts sei schlimmer als eine Krippe, bei der alles im Lot stehe. „So eine Krippe“, meint Guter, „ist tot. Drei Millimeter hin oder her – das ist für einen Krippeler kein Maß.“

    Mehrteilige Ausbildung

    „Krippeler“, so nennt Kare Guter sich und seine Krippenbaufreunde. Einer seiner Meisterschüler drapiert an der Werkbank nebenan gerade einen Turm auf der Bodenplatte. „Ein Schreiner“, stellt Guter fest und klopft seinem Schüler wohlwollend auf die Schulter. Einer also, dem man das allzu exakte Arbeiten erst hat austreiben müssen, der aber immerhin schon den ersten von vier Meisterkursen („orientalische Gebäude“) erfolgreich absolviert hat. Jetzt steht Teil zwei der Ausbildung auf dem Programm: Landschaften. Bis der Schüler sich Krippenbaumeister nennen und selbst Kurse geben darf, muss er noch eine heimatliche Krippe und natürlich das Meisterstück, dessen Thema Guter vorgibt, abliefern.

    Das Interesse an der Kemptener Krippenbauschule ist groß.
    Das Interesse an der Kemptener Krippenbauschule ist groß. Foto: Ralf Lienert

    Es ist kurz vor 18 Uhr. Während die Amateure eine Etage weiter unten das Werkzeug einfach nicht aus der Hand legen wollen, führt Kare Guter den Besucher durch die Meisterwerkstatt. Hier sind einige seiner begehrten Stücke ausgestellt. Zum Beispiel eine Wurzelkrippe oder die Stilkrippe, die nur aus ein paar Säulen, einem blauen Glasfenster und Mauerfragmenten besteht. „Die Ziegelsteine sind aus Kork“, erklärt der Meister. „Sie kommen aus Neapel.“

    Orientalische Fenstergitter

    Damit die „Krippeler“ in seiner Werkstatt aus dem Vollen schöpfen können, braucht es 400 verschiedene Materialien. „Wir verwenden fast nur Naturprodukte, keine Chemie“, betont Guter. Nicht selten braucht es auch Phantasie, um in den diversen Baumarktregalen geeignetes Material für den Krippenbau zu erkennen. Wer kommt schon auf die Idee, dass Matten, wie sie beim Hausverputzen verwendet werden, als orientalische Fenstergitter bestens geeignet sind? „Ein Krippeler“, erklärt Guter, „ist ein Mensch, der das ganze Jahr Dinge sammelt.“

    Er selber, sagt der Pensionär, der vor 20 Jahren übers Schnitzen zum Krippenbauen gekommen ist, hole sich viele Ideen beim Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten aus Süddeutschland, Österreich, Italien und der Schweiz. Kare Guter gibt auch gerne seine Erfahrungen weiter. Man helfe sich gegenseitig in der Szene. „Von den Niederösterreichern bekomme ich immer die Kork-Ziegelsteine, und ich besorge ihnen dafür Trafos aus Deutschland, weil die Dinger hier billiger sind.“

    So wird's gemacht: Der Lehrmeister mit einem Krippenbau-Schüler.
    So wird's gemacht: Der Lehrmeister mit einem Krippenbau-Schüler. Foto: Karl-Josef Hildenbrand

    Einen Stock tiefer, bei den Hobby-Krippenbauern, ist immer noch nichts von Feierabendstimmung zu spüren. Guter steigt die Treppen ins alte Kellergewölbe hinunter. An der Wand hängen zahlreiche Urkunden, die sich der gebürtige Tübinger, der seit bald 50 Jahren in Kempten lebt, bei seinen vielen Seminarteilnahmen und Fortbildungen erworben hat. An beiden Seiten des schmalen Raums stehen Werkbänke. Die Rohbauarbeiten an den Krippen sind am Ende des ersten Kurstages überall abgeschlossen. „Zum Richtfest gibt es immer einen Schnaps“, sagt Guter und schmunzelt.

    Nachbau der Meisterkrippe

    Renate Beer steht vor ihrer Krippe und einem kleinen Berg Holzschindeln, die nur wenige Zentimeter breit sind. Stück für Stück streicht sie Holzleim darauf und deckt das Dach ein. Es handelt sich um einen Nachbau der Meisterkrippe von Kare Guter. Ein Foto hängt als Vorlage an der Wand. „Man kann hier herrlich abschalten“, sagt Renate Beer. Sie und ihr Mann kommen aus Nürnberg, die Teilnehmer mit der weitesten Anreise. „Wir bauen die Krippe für unser Enkelkind“, klärt der Großvater aus dem Frankenland auf. „So eine Krippe hat doch einen bleibenden Wert.“ Guter nickt zustimmend.

    Dann zeigt er Fotos von einem der spektakulärsten Projekte. Vor ein paar Jahren hatte das Kemptener Team unter Guters Leitung für das neue Krippenmuseum in Oberstadion, dem Geburtsort von Christoph von Schmid, dem Dichter des Weihnachtsliedes „Ihr Kinderlein kommet“, an einem wirklich außergewöhnlichen Stück gearbeitet. Vier Meter lang und 3,5 Meter hoch ist die Nachbildung des alten Pfarrstadels der oberschwäbischen Gemeinde – gigantische Maße für eine Krippe. Aber auch das konnte Kare Guter nicht aus der Ruhe bringen. An erster Stelle, sagt der Krippenbaumeister, stehe auch hier das Geschehen, nämlich die Geburt Christi. „Wir Krippeler“, erklärt Kare Guter, „versuchen nur, einen würdigen Rahmen dafür zu schaffen.“
    www.krippenbauschule-hobbyschnitzer-kempten.de

    Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin "Griaß di' Allgäu", Ausgabe Winter 2015/16. Alle Informationen zur aktuellen Ausgabe findest Du auf www.griassdi-allgaeu.de

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