Frau von Issendorff, die Elterninitiative „Smarter Start ab 14“ wurde 2019 gegründet. Welche Idee steckt dahinter?
SANDRA VON ISSENDORFF: Wir sind eine Elterninitiative, die unseren Kindern so lange wie möglich eine echte Kindheit und damit eine Kindheit ohne Smartphone ermöglichen will. Eine Kindheit, in der vor allem viel in der Natur gespielt, beobachtet und erfahren werden kann, in der analoge Freundschaften gepflegt werden und man sich nicht trifft, um nur ins Handy zu starren, sondern, um zu radeln, zu basteln, etwas gemeinsam zu erleben. Eine smartphonefreie Kindheit ist so wichtig, sie stärkt fürs ganze Leben. Wir als Verein bieten Eltern eine Plattform, um sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen, und geben Tipps.
Und warum sollten Eltern ausgerechnet bis 14 ihren Kindern kein eigenes Smartphone geben?
VON ISSENDORFF: Bis zu einem Alter von 14 ist man laut Jugendschutzgesetz noch ein Kind und ist besonders schutzbedürftig. Ein eigenes Smartphone bedeutet einen unbegleiteten Zugang zur digitalen Welt, in der der Jugendschutz noch nicht gut funktioniert: Kinder kommen heute schon früh mit jugendgefährdenden Inhalten in Kontakt – etwa mit Gewaltspielen oder pornografischen Videos. Gleichzeitig sind sie dem Risiko von Cybermobbing ausgeliefert. Außerdem erleben wir doch alle, dass viele Apps und Spiele so konstruiert sind, dass sie süchtig machen, so dass wir immer länger vor den Geräten sitzen bleiben. Unsere Kinder setzen wir all diesen Gefahren in einem Alter aus, in denen ihr Gehirn und damit ihre Fähigkeit, bewusst abzuschalten, noch gar nicht vollständig entwickelt ist.
In Deutschland nimmt nun eine Debatte um mehr Jugendschutz Fahrt auf: Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) hat Sympathie für ein Mindestalter beim Zugang zu sozialen Medien...
VON ISSENDORFF: Das freut uns natürlich, denn wir brauchen auch auf der politischen Ebene ein viel stärkeres Bewusstsein für all diese Gefahren. Wir als Verein unterstützen den Vorstoß aus Australien und sprechen uns auch in Deutschland für eine Altersgrenze von 16 Jahren beim Zugang zu sozialen Medien aus. Dafür haben wir auch eine Petition gestartet, die mit über 34.000 Stimmen sehr erfolgreich ist. Was uns aber wichtig ist: Wir stehen der Digitalisierung keinesfalls feindlich gegenüber, wir setzen uns aber für einen bewussten Umgang ein, und wir sind überzeugt davon: je länger Kinder eine echte Kindheit genießen können, umso kompetenter können sie später mit allen digitalen Angeboten auch umgehen. Denn dann haben Kinder so viele wunderbare, sie festigende Erfahrungen gemacht, die ihnen niemand mehr nehmen kann. Sie sind so gereift, dass sie auf der einen Seite die Vorteile der Digitalisierung besser nutzen können, gegen die Suchtgefahren aber widerstandsfähiger sind.
Wie soll das aber im Alltag klappen, wenn alle Altersgenossen ein Smartphone haben?
VON ISSENDORFF: Es klappt dann, wenn man genau diese Situation gar nicht erst entstehen lässt. Es klappt, wenn Eltern die gemeinsame Absprache treffen, ihren Kindern erst später ein eigenes Smartphone zu geben. Am besten verabredet man das schon in der Grundschule. Denn, wenn alle anderen ein Smartphone in der Klasse haben, wird es in der Tat schwierig...
Was dann? Dann droht mein Kind doch zum Außenseiter zu werden.
VON ISSENDORFF: Der Gruppendruck ist wirklich enorm. Wenn aber ein Kind nach Hause kommt und erklärt, alle anderen in der Klasse haben ein Smartphone, dann sollten Eltern sich zunächst unbedingt schlau machen, ob das überhaupt stimmt. Oft stimmt es nicht. Denn sehr viele Eltern haben auch ein ungutes Gefühl, ihrem Kind so früh ein Smartphone zu geben. Mit diesen Gleichgesinnten sollte man sich dann zusammentun. Denn hier geht es wirklich nur gemeinsam. Zumal es ja nicht nur um die Zeit in der Schule geht.
In der Freizeit geht man dann zu dem Freund, zu der Freundin, der oder die ein Smartphone hat...
VON ISSENDORFF: Völlig richtig, deshalb setzen wir ja auf den „Herdenschutz“. Aber auch wenn schon die ersten ein eigenes Gerät haben, kann ich mich noch vernetzen, damit mein Kind mit Freunden etwas gemeinsam abseits vom Smartphone unternehmen kann. Auch Sportvereine nehmen hier übrigens eine wertvolle Rolle ein. Aber lassen Sie mich noch ein Wort zu der Angst sagen, die viele Eltern umtreibt, dass ihr Kind ins soziale Abseits rutscht, wenn es kein Smartphone hat: Viele unterschätzen die Gefahr, dass Kinder gerade in Folge der Smartphonenutzung einsam werden können.
Wer sich umguckt, hat das Gefühl, dass viele Eltern auch ständig am Smartphone hängen...
VON ISSENDORFF: Ja, hier ist in der Tat Selbstdisziplin gefragt. Denn als Eltern haben wir hier eine Vorbildfunktion, das müssen wir uns immer wieder klar machen.

Was tun, wenn mein Kind partout ein eigenes Smartphone will?
VON ISSENDORFF: Die Auseinandersetzungen sind oft sehr hart, da gibt es nichts zu beschönigen. Es hilft aber nur das Sprechen darüber, um herauszufinden, um was genau es dem Kind geht: Was will es sehen? Warum will es unbedingt ein Smartphone? Geht es um einen Austausch mit Mitschülerinnen und Mitschülern, ist ein Familientablet die Lösung, dann kann man als Eltern die Kommunikation und die Zeit noch kontrollieren.
Sie leben in München. Wie viele Mitglieder zählt der Verein in Bayern?
VON ISSENDORFF: Wir haben mittlerweile Communities an 66 Schulen mit 542 Eltern. Was wir feststellen: Sowohl in Bayern als auch bundesweit schließen sich immer mehr Mütter und Väter der Elterninitiative an, hier ist ein großes Bedürfnis vieler Eltern zu beobachten, das Problem Smartphone endlich gemeinsam anzugehen.
Zur Person: Sandra von Issendorff, 51, lebt in München und engagiert sich seit sechs Jahren in der Elterninitiative „Smarter Start ab 14“. Ihre Töchter sind mittlerweile 16 und 19. Mehr Informationen zu dem Verein unter www.smarterstartab14.de
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