Ein junger Mann ersticht seine Ex-Freundin, versteckt die Tote in einem Plastiksack in der Wohnung und flüchtet mit dem gemeinsamen Kind nach Spanien. Vom Handy der 20-Jährigen verschickt er Nachrichten, um deren Angehörige in Sicherheit zu wiegen. Für die Tat wurde der Deutsche im November 2017 vor dem Landgericht Passau wegen Totschlags rechtskräftig zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Nun könnte es eine spektakuläre Wende geben. Der Fall wird von 20. Dezember an vor dem Landgericht Deggendorf wieder aufgenommen. Jetzt geht es um Mord.
Es ist ein Mammutverfahren. 61 Zeugen und fünf Sachverständige sollen nach Gerichtsangaben gehört werden. Zehn Verhandlungstage sind geplant. Das Urteil könnte Mitte März fallen.
Hürden für Wiederaufnahmeverfahren sehr hoch
Die Hürden für ein Wiederaufnahmeverfahren sind sehr hoch. In der Regel darf niemand für eine Tat, für die er bereits rechtskräftig verurteilt oder von der er freigesprochen worden ist, ein zweites Mal verfolgt werden. Eine der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme ist ein Urteil, das möglicherweise auf der Falschaussage eines Zeugen beruht - und das ist hier der Fall.
Gleich zwei falsche Zeugenaussagen brachten den Stein für die Wiederaufnahme ins Rollen. So korrigierte ein Freund des Täters zwei Jahre nach dem Urteil seine Aussage, die er als Zeuge in dem Prozess vor dem Landgericht Passau gemacht hatte. Damals hatte er angegeben, sein ehemals bester Freund habe mit ihm nicht über die Tat gesprochen. Seiner Freundin hatte der Zeuge aber berichtet, sein Freund habe ihm gegenüber mit der Tat geprahlt. Die Freundin behielt dies als Zeugin im Prozess für sich. 2019 wurden die beiden dafür vor dem Amtsgericht Passau wegen falscher uneidlicher Aussage verurteilt.
Darum ist jetzt das Landgericht Deggendorf zuständig
Daraufhin strebte die Staatsanwaltschaft Deggendorf ein Wiederaufnahmeverfahren an. Solche finden nicht vor dem Gericht des Ersturteiles statt, sondern vor einem zugeordneten Gericht. Im Fall des Landgerichtes Passau ist dies Deggendorf. Das dortige Landgericht kam zu dem Schluss: Es sei nicht auszuschließen, dass die Richter 2017 ohne die Falschaussagen ein Mordurteil gesprochen hätten.
Die Tötung der 20-Jährigen hatte der Angeklagte damals gestanden. Bei dem Opfer war mindestens ein Dutzend Stiche und Schnitte im Gesicht und am Hals festgestellt worden. Der Richter sprach damals von einer "massiven Übertötung". Ob er die Frau jedoch im Schlaf tötete - was das Mordmerkmal der Heimtücke hätte bedeuten können -, war ungeklärt geblieben. Der Ankläger hatte lebenslange Haft wegen Mordes oder wegen Totschlags in einem besonders schweren Fall gefordert.
Leiche der 20-Jährigen in Nische hinter Ofen entdeckt
Die Tat im Herbst 2016 hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht, auch weil sich der Täter während seiner Flucht ein Tattoo auf den Oberarm hatte stechen lassen mit dem Namen und dem Geburts- und Todesdatum seiner damaligen Freundin sowie mit dem Spruch "danke für alles". Hierzu sagte der Richter damals: "Wir glauben Ihnen, dass das ernst gemeint ist und nicht zynisch."
Die Mutter der 20-Jährigen hatte deren Leiche zwei Wochen nach dem spurlosen Verschwinden der jungen Frau in der Wohnung in einer Nische hinter dem Ofen gefunden. Die Eltern der Getöteten sowie ihr Sohn sind Nebenkläger des Wiederaufnahmeverfahrens.
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