Die Kemptener Schulleiter sind in der Zwickmühle: Sie unterstützen es, wenn sich Schüler politisch engagieren – erst recht für den Klimaschutz. Doch gleichzeitig müssen sie dafür sorgen, dass der Unterricht läuft. Deswegen können die Leiter der Kemptener Gymnasien Klima-Demos während der Schulzeit nicht befürworten, sagen sie. Stattdessen appellieren sie an die Schüler, dass sie ihre Aktionen künftig nach Schulschluss starten.
Damit würden die Jugendlichen ihrem Anliegen sogar Nachdruck verleihen, ist Lothar Wagner, Leiter des Allgäu-Gymnasiums überzeugt: Zumindest in den Augen der Kritiker würden sie wohl glaubwürdiger, wenn sie ihren Einsatz für den Klimaschutz auf die Freizeit verlegen. Denn den Schülern wird dieser Tage von verschiedenen Seiten unterstellt, dass viele von ihnen um des Schwänzens willen auf die Straße gehen und nicht aus Überzeugung.
Echte Sorgen oder nur eine willkommene Gelegenheit zum Schuleschwänzen?
Das wiederum stört einige Schüler, berichtet Markus Wenninger, Leiter des Hildegardis-Gymnasiums, von Gesprächen mit Jugendlichen. Sie ärgere es, dass der Zeitpunkt des Streiks stärker im Fokus der Öffentlichkeit sei als die Inhalte.
Das Kultusministerium sehe die Schulpflicht aufgrund des Rechts zu demonstrieren nicht ausgehebelt, sagt er. Daher könnten die Schulleiter die Demonstranten nicht vom Unterricht befreien. Zumal sie Neutralität wahren müssen – und damit in einem weiteren Dilemma stecken: Für welche Demo geben sie den Schülern frei? Welches Anliegen tolerieren sie? Um eine Entscheidung zu treffen, müssten Schulleiter die Gesinnung der Schüler beurteilen.
Wir wollen das Anliegen der Schüler unterstützen, allerdings zu den Regeln der Schule.Hermann Brücklmayr, Carl-von-Linde-Gymnasium KE
Weiter sagt Hermann Brücklmayr, Leiter des Carl-von-Linde-Gymnasiums: Die Schüler streiken zwar nicht gegen die Schule, diese sei letztlich aber betroffen von der Aktion. Er betont: „Wir wollen das Anliegen der Schüler unterstützen, allerdings zu den Regeln der Schule.“
Am Streik vergangenen Freitag beteiligten sich 500 Schüler. Längst nicht alle von ihnen haben dafür den Unterricht ausfallen lassen. Vor Ort sagte etwa eine Gruppe vom Carl-von-Linde-Gymnasium, dass sie nur dabei sei, weil bei ihr Stunden ausgefallen waren. Einzelne Grüppchen stießen nach 13 Uhr dazu. Laut Wenninger fehlten am Hildegardis-Gymnasium fünf Schüler: Die Teilnehmer an der Demo seien überwiegend Elft- und Zwölftklässler gewesen, „die stundenplanmäßig frei hatten“. An den beiden anderen Gymnasien waren es mehr Schüler, die aufgrund des Streiks dem Unterricht fernblieben: etwa 45 beziehungsweise 50 bis 60. Es waren auch Schüler anderer Schulen beteiligt.
Schulleiter suchen Dialog mit den Jugendlichen
Wenninger will die Eltern – zumindest derer unter 18 – über die Abwesenheit informieren. Alle drei Schulleiter suchen den Dialog mit den Jugendlichen. Brücklmayr und Wagner haben beide noch nicht endgültig entschieden, welche weiteren Konsequenzen es gibt. Verweise halten sie für nicht zielführend.
Regina Liebhaber (SPD), Jugendbeauftragte des Kemptener Stadtrats, indes bezeichnet es als „No-Go“, demonstrierende Schüler pauschal als Schulschwänzer abzuqualifizieren.
Eine Demokratie brauche Menschen, die sich in die Gesellschaft einbringen, politisch informiert und interessiert sind. Sie sieht die Schulleitungen in einem Spannungsfeld zwischen Lehrplan – dazu zählt politische Bildung – und der Maßgabe, Unterrichtsausfälle zu vermeiden. „Sie können nur in einem sehr engen Handlungsfeld Entscheidungen treffen, für die sie auch noch den Kopf hinhalten müssen.“