
Krabbeltierchen auf dem Teller rufen an europäischen Esstischen wohl zumeist angeekeltes Kreischen, wildes Gefuchtel und Rufe nach der Fliegenklatsche hervor. Insekten als leckere Beilage oder knusprigen Snack zu betrachten, kommt nur den wenigsten in den Sinn.
Das will Mathias Rasch aus Oberstdorf ändern. Mit seinem Freund Josef Hirte röstet er Grillen und bietet sie in drei Geschmacksrichtungen an – rosa Pfeffer, Allgäuer Wildkräuter und fleur de sel.
Mit ihrer neu gegründeten Firma „wicked cricket“, was frei übersetzt so viel wie „schrille Grille“ heißt, möchten der Lehrer und der Physiker Insekten als Nahrungsmittel in Europa etablieren. Denn in vielen Ländern wie Mexiko, Bolivien, Thailand oder Kolumbien gehören Ameisen, Heuschrecken und Grillen bereits fest zum Speiseplan.
Wir möchten, dass die Menschen mehr darüber nachdenken, was sie essen.Mathias Rasch
Aber wie sehen das die Allgäuer? Können sie sich vorstellen, Chips gegen Knuspergrillen zu tauschen? Oder die gerösteten Sechsbeiner auf den Salat zu streuen? Bei einem Rundgang an der Iller in Kempten probiert Rasch es aus und bietet den Menschen geröstete Insekten an.
Lecker oder bäh bäh?

Die ersten Reaktionen sind aber nicht gerade vielversprechend: „Da ess’ ich lieber das Gras von der Wies’“, „Meine Frau küsst mich nie wieder, wenn ich das esse“, „Ich finde die eklig“. Im zweiten Moment greifen aber fast alle in die kleinen bunten Döschen, kauten, machten einen überraschten Gesichtsausdruck und griffen noch einmal hinein. „Die sind überraschend gut“, sagt Sarah Göser aus Bad Grönenbach. „Besser als gedacht“, stimmt ihr ihre Freundin Tanja Schneider aus Kempten zu. Die beiden haben vorher noch nie Insekten gegessen und sind positiv überrascht. Eklig fanden sie es nicht, in die Insektenkörper zu beißen – nur ungewohnt.
Blödes Dschungelcamp-Image
Damit sind sie aber eine Ausnahme, weiß Rasch. „Wir wollen erreichen, dass der Ekel schwindet und unbedingt weg von diesem Dschungelcamp-Image“, sagt der 29-Jährige. Hinter der Geschäftsidee zu „wicked cricket“ steckt für die beiden Gründer ein höheres Ziel. „Wir möchten, dass die Menschen mehr darüber nachdenken, was sie essen“, sagt Rasch.
Denn nicht nur Fleisch, sondern auch Insekten seien hervorragende Eiweißspender. Viel wichtiger aber: Ihre Zucht und Weiterverarbeitung sei um einiges ökologischer als die herkömmliche Fleischproduktion. Auf ihrer Homepage rechnen Rasch und Hirt es vor: Grillen benötigen weniger Futter, weniger Wasser und erzeugen kaum Treibhausgase.
Trotzdem müsse dem Verbraucher klar sein, dass der Grillensnack nicht vegetarisch ist. „Wir verarbeiten nur die ganzen Tiere, damit der Bezug zum Produkt nicht verloren geht“, sagt Rasch.
Von der Idee, die auf einem Balkon in München entstanden ist, bis zur heutigen Umsetzung vergingen ungefähr zwei Jahre. Angefangen haben die beiden Freunde im Keller ihres Münchner Wohnhauses.
Rasch und Hirt haben in der Landeshauptstadt studiert und waren Nachbarn. Auf Dauer war das aber nicht der richtige Platz und die Zucht stellte sich schwierig dar, erzählt Rasch. Inzwischen lassen sie sich die Grillen, die nur für den menschlichen Verzehr gezüchtet werden, liefern.
„Es sind europäische Züchter. Das ist uns ganz wichtig“, sagt Rasch. Die Tiere kommen gefriergetrocknet bei ihnen an. Das Rösten und Würzen übernehmen die beiden selbst. Auch weitere Geschmacksrichtungen sind geplant: „Es soll zum Beispiel eine Winterkollektion geben, vielleicht auch mit einer süßen Variante.“
Aber nun zurück an die Iller in Kempten: Als Snack kann sich Sven Prünstner aus Westerheim die schrillen Grillen gut vorstellen, sagt er. Auch seinem dreijährigen Sohn Philip scheinen die gerösteten Insekten zu schmecken. Der streckt jedenfalls den Daumen promt in die Höhe als die Wildkräuter-Grille in seinem kleinen Mund verschwunden ist.