
"He, Fräulein!" Noch wird diese Anrede gelegentlich verwendet. Die gleichnamige Ausstellung begibt sich auf die Spuren der Frauengeschichte(n) bis zurück ins 19. Jahrhundert - und zwar an einem Ort, an dem die Zeit schon länger still steht: dem ehemaligen Union-Kino, das auf seinen Abriss wartet. Wie leicht es aus seinem Dornröschenschlaf erweckt werden kann, zeigt "He, Fräulein!" Die Ausstellung wird zum großen Teil aus Beständen des Memminger Stadtmuseums bestückt. Einige Fotos steuerte das Stadtarchiv bei.
Mitschwingen soll bei diesem Projekt der "Zeitmaschine Freiheit" ein historisches Ereignis im Jahr 1525, das als erste Niederschrift von Menschen- und Freiheitsrechten in Europa gilt: die Verfassung der Zwölf Bauernartikel in der Memminger Kramerzunft. Ebenso wie die Bauern damals um Selbstbestimmung kämpften, taten es später die Frauen - beide in langen, immer wieder von Rückschlägen gebremsten Prozessen. Zusammen mit den Projektpartnern Frauengeschichtswerkstatt, Frauennetzwerk, der Frauenbeauftragten der Stadt, der Kulturwerkstatt und dem Landestheater Schwaben hat Kuratorin Ursula Winkler nun ein neues, spannendes Kapitel zur Frauengeschichte mit dem Fokus auf Memmingen geschrieben.

Um Freiheiten und Unfreiheiten, um Bildungs- und Berufschancen, ums Kinderkriegen oder Nichtkriegen geht es dabei. Aber auch um Mode und Haushalt, um Sport oder Gesetze zur Gleichstellung der Frau. Ausgehend vom veränderten Blick auf den Begriff "Fräulein" zeigt die Ausstellung, wie gesellschaftliche Konventionen und gesetzliche Fakten das Frauenleben seit dem 19. Jahrhundert geprägt haben. Und auch, wenn die Besucher vor mancher Vitrine in nostalgisches Entzücken ausbrechen werden, steckt viel Ernst hinter den Arrangements. Lässt sich daran doch im Zeitraffer nachvollziehen, wie wenig Frauen über Generationen aus ihren von Männern bestimmen Rollen ausbrechen konnten.
"Wie ich einmal unartig war"
Noch in den 1960er Jahren gab die Stadt Memmingen beispielsweise allen angehenden Ehefrauen ein praktisches Haushaltsbuch mit auf den Weg, in dem sie vom empfohlenen Tragen einer Schürze über Kochtipps bis hin zur Kleiderpflege oder der Kindererziehung im Selbststudium lernen konnten, was ihren Alltag künftig bestimmen sollte. Auf einer Schulbank liegen Mädchenaufsätze etwa zum Thema "Wie ich einmal unartig war" aus.
Öffnungszeiten: Mi - Fr 11 - 15.30 Uhr, Sa 10 - 12 Uhr und zusätzlich Do 18 - 20 Uhr. Die Ausstellung endet am 8. März, dem Internationalen Frauentag.
Unterrichtet wurde solche Mädchen zwar häufig von einem "Fräulein" - einem der wenigen für kluge Mädchen akzeptierten akademischen Berufe - doch Lehrerin zu sein bedeutete meist auch eine Art Zölibat für Frauen. Auch in Büros saßen meist "Fräuleins" an der Schreibmaschine - waren sie erst einmal verheiratet, bestimmten die Ehemänner darüber, ob sie ihren Beruf weiter ausüben durften.
Welche vielfältigen Freiheiten sich Frauen im Lauf der Zeit erkämpft haben, erzählt ein ausgestellter Bikini ebenso wie die Dokumentation eines unrühmlichen Kapitels Frauengeschichte, mit dem Memmingen bundesweit Aufsehen erregt hat: dem Abtreibungsprozess gegen den Frauenarzt Horst Theissen in den Jahren 1988/89.