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"Ich kleb Dir eine!" Schräge Protestaktion von Allgäuer Briefmarkensammler

Wertverlust ärgert ihn

"Ich kleb Dir eine!" Schräge Protestaktion von Allgäuer Briefmarkensammler

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    Wolfgang Kirsch pappt Zigtausende Briefmarken zu Würfeln zusammen. Damit will er ein Zeichen gegen die seiner Meinung nach inflationäre  Produktion von Briefmarken setzen.
    Wolfgang Kirsch pappt Zigtausende Briefmarken zu Würfeln zusammen. Damit will er ein Zeichen gegen die seiner Meinung nach inflationäre Produktion von Briefmarken setzen. Foto: Tobias Schuhwerk
    Wolfgang Kirsch hat seine eigene Philosophie - für die allgaeu.life-Reporter hat sie der zweifache Vater und vierfache Großvater aufgeschrieben.
    Wolfgang Kirsch hat seine eigene Philosophie - für die allgaeu.life-Reporter hat sie der zweifache Vater und vierfache Großvater aufgeschrieben. Foto: privat

    +++ Dieser Artikel stammt aus dem Archiv von allgaeu.life und erschien zunächst am 5. März 2018 +++

    "Ich kleb Dir eine...." Damit meint Wolfgang Kirsch keine Ohrfeige, sondern eine Skulptur mit einem Ausmaß von einem Kubikmeter. Die will er im Laufe der nächsten Monate aus Millionen von Briefmarken zusammenkleben. Wie genau sie aussehen soll, lässt er noch offen. Beim allgaeu.life-Besuch gewährte der Rentner, der bundesweit für Schlagzeilen sorgen will, dagegen Einblick in seine - sagen wir ungewöhnliche - Arbeitstechnik.

    Mit einer Kelle schöpft Wolfgang Kirsch Briefmarken ins Kleisterbad auf seinem Balkon.
    Mit einer Kelle schöpft Wolfgang Kirsch Briefmarken ins Kleisterbad auf seinem Balkon. Foto: Schuhwerk

    Er lässt Zigtausende von Briefmarken in ein Becken voller Kleister rieseln. Dann nimmt er eine Kelle und rührt die Briefmarken-Suppe ordentlich um. Später wird die zähe Masse mehrere Tage zusammengepresst - und fertig ist der erste Würfel. "Sieht doch chic aus", sagt Kirsch, der mehr als eine Millionen Briefmarken besitzt, mit einem sarkastischen Lächeln.

    Dass der leidenschaftliche Sammler zum Briefmarken-Panscher wird, hat seinen Grund: Kirsch ärgert sich über den Wertverfall der Wertzeichen. "Früher waren Briefmarken echte Kapitalanlagen. In den vergangenen Jahrzehnten dagegen wurden so viele Marken produziert, dass der Mythos dahin ist. Manche Serien in Deutschland hatten Auflagen von 20 bis 30 Millionen Stück. Besonders ärgerlich ist, dass man in den Katalogen vorab nie erfährt, wie viele Exemplare einer Marke erscheinen werden", ärgert er sich. Für seine Kleister-Aktion hofft er auf viele Mitstreiter, um möglichst viele Marken symbolisch aus dem Verkehr zu ziehen. Sein Kunstwerk will er am Ende versteigern lassen. Für den guten Zweck natürlich.

    Als Beispiel für die "Verramschung" nennt er eines der vermeintlichen Prunkstücke seiner Sammlung. Kirsch hat jeweils ein ungestempeltes Exemplar aller rund 3.500 verschiedenen Briefmarken, die zwischen 1949 und 2000 in Deutschland erschienen. "Dafür würde ich bei einem Verkauf gerade mal 800 bis 1200 Euro bekommen", hat er errechnet.

    Die Briefmarken-Inflation mache die Philatelie für den Nachwuchs uninteressant. "Junge Leute verstehen unser Hobby doch gar nicht mehr. Die Spannung der früheren Zeiten fehlt", sagt der stellvertretende Vorsitzende des Briefmarkensammler-Vereins Kempten/Allgäu 1908.

    Ganz anders sei das in seiner Jugend gewesen. Mit neun Jahren eiferte er seinem Vaters nach: Er löste begeistert Briefmarken im Wasserbad ab, trocknete und sortierte sie akribisch. Eine Jahrzehnte lange Sammel-Leidenschaft begann. Heute hat Kirsch ein ganzes Zimmer voller Alben, in denen sich über eine Millionen Marken verbergen. Er besucht Messen, wälzt Kataloge, bestellt im Internet, tauscht mit Gleichgesinnten. "Ich bin sicher noch nicht mal der verrückteste unter den Kollegen", sagt er grinsend.

    Deshalb fährt Wolfgang Kirsch so auf Briefmarken ab

    Sie erzählen:

    "Für mich sind sie spannender als der Geschichtsunterricht. Es geht um bedeutende Persönlichkeiten und Ereignisse genauso wie um wichtige Themen zum Beispiel den Schutz der Wälder."

    Sie vernetzen:

    "Es sind kleine Kunstwerke, die uns einen Einblick in andere Welten ermöglichen - und einen Austausch mit Menschen in anderen Ländern."

    Sie halten fit:

    "Viele Sammler sind bis ins hohe Alter aktiv. Die Beschäftigung mit Briefmarken ist auch ein hevorragendes Gedächtnistraining."

    Sie sind sexy:

    "Auch wenn das die Jungen kaum noch glauben können: Früher fiel bei einem erfolgreichen Date irgendwann der Spruch: 'Komm ich zeig Dir meine Briefmarken-Sammlung....'"

    Mit seiner Kunst&Kleister-Aktion will Kirsch zugleich für die Philatelie werben. "Ich will einzelne Würfel in Fußgängerzonen stellen und hoffe, dass viele Leute mitmachen und weitere wertlose Briefmarken dazu geben", sagt er und fügt schelmisch hinzu: "Da soll richtig die Post abgehen!"

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