Jetzt hat es auch den Engel erwischt. Die Traditionsgaststätte in der Immenstädter Salzstraße hat seit einigen Wochen geschlossen. Wie die Traube, die Krone, das Rössle. Heimatforscher Siegbert Eckel listet eine ganze Reihe von Wirtshäusern auf, die für immer zugesperrt haben. Auch in vielen anderen Orten im Oberallgäu machen immer mehr Lokale dicht. Ein Phänomen, unter dem auch die Unterallgäuer schon lange leiden. Und IHK-Vizepräsident Kempten Oberallgäu Robert Frank ist überzeugt: Das wird so weitergehen.
Den "Engel" in Immenstadt hat die Stadt vor wenigen Jahren verkauft. Der neue Besitzer investierte, bot Mittagstisch an. Seit einiger Zeit öffnen sich die Glastüren aber nur noch für geschlossene Gesellschaften. In der Mittagszeit rütteln Passanten immer wieder vergeblich an der großen Glastür. Ein Interview lehnt der Besitzer der Gaststätte ab. Dabei ist der "Engel" nur der jüngste von vielen Fällen, in denen Traditionshäuser in und um Immenstadt geschlossen wurden.
Wer nicht vor zwei, sechs, acht Jahren die Zeichen der Zeit erkannt hat, wird in Zukunft nicht bestehen.Hotelier Robert Frank
"Um 1700 hatte Immenstadt nur etwa 600 Einwohner, aber 15 Wirtschaften", berichtet Eckel. Wenn man bedenke, dass Frauen damals nicht ausgingen und Senioren und Kinder wegrechne, blieben zirka 150 Männer übrig. "Die konnten beim besten Willen nicht die 15 Wirtschaften am Leben halten", sagt Eckel. Historisch gesehen habe der Gasthaus-Reichtum der Immenstädter mit der Lage der Stadt an den Altstraßen zu tun gehabt. Damals seien viele Reisende durch die Stadt gekommen.
Schnellimbisse, Metzgereien und Bäckereien als Konkurrenz
Dass jetzt so viele Wirtschaften schließen, liegt laut Robert Frank, Hotelier aus Oberstdorf und Vizepräsident der IHK-Regionalversammlung Kempten-Oberallgäu, an mehreren Faktoren. Einen Teil des Geschäfts hätten Schnellimbisse, Metzgereien und Bäckereien übernommen, die mittags warmes Essen anbieten. "Das ist echte Konkurrenz", sagt Frank. Hinzu käme der Personalmangel – gute Azubis seien kaum zu bekommen.
Läuft das Geschäft schlecht, würden viele ihre Gerichte wie in der Systemgastronomie standardisieren und halb fertige Produkte einsetzen. Damit könnten nicht nur ausgebildete Köche, sondern auch angelernte Kräfte Essen zubereiten. Diese industriell hergestellten Convenience-Produkte seien heutzutage in "erstaunlich guter Qualität" zu haben. Muss der Gastronom zu viel auf eigenen Schultern tragen, weitet er meist die Ruhezeiten aus. In letzter Konsequenz schließe er die Wirtschaft.
"Wer nicht vor zwei, sechs, acht Jahren die Zeichen der Zeit erkannt hat, wird in Zukunft nicht bestehen", sagt Frank. Das falle in den von Tourismus geprägten Gastronomie-Hochburgen nicht besonders auf. Auf dem Land – und in touristisch weniger frequentierten Orten wie Immenstadt – mache sich das Gaststätten-Sterben aber bemerkbar.
Eckel weist auf den Wandel im Zeitgeist hin. Früher hätten sich die gesellschaftlichen Geschehnisse in den Wirtshäusern abgespielt. Zum Biertrinken sei man außer Haus gegangen, sagt Eckel. Heutzutage sitze man damit auf der Couch vor dem Fernseher.
Diese Lokale mussten in den letzten Jahren ihre Pforten dicht machen:
Im ganzen Oberallgäu haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Traditions-Gaststätten geschlossen. Beispielhaft lässt sich das Wirtshaussterben an Immenstadt festmachen:
In der jüngeren Vergangenheit traf es dort laut Heimatforscher Siegbert Eckel unter anderem die frühere
Traube in Immenstadt, die Traube in Diepolz, das Deutsche Haus, die Krone in der Südstadt, das China-Restaurant Lotos in der Südstadt, die Gaststätten des Hotels Lamm und der Pension Schwarzer Adler am Landwehrplatz, das Rössle in Eckarts, den Bergstätter Hof in Knottenried und das Strand-Café in Bühl.
Blickt man weitere Jahrzehnte zurück, reihen sich in die Liste ein:
Der Goldene Adler am Marienplatz, das Café Grönwald und der Gasthof Stuiben in der Bahnhofstraße, der Gasthof Sonne in der Kemptener Straße, das Hotel Bayerischer Hof gegenüber des Bahnhofs, das Müllerstüble in der Nähe des Mittaglifts, die Rose in Knottenried, der Hirsch in Rauhenzell, die Untere Zollbrücke in Stein, die Bühler Höh’ und der Gasthof Strauß in Bühl sowie das Kreuz in Seifen.