Gersthofen bei Augsburg ist die Heimat einer ungewöhnlichen Bildungs-Einrichtung. Bei der dort sitzenden International School Augsburg – kurz ISA – handelt es sich nach eigener Darstellung um die einzige börsennotierte Schule Europas. Mitten in der Corona-Zeit, im Jahr 2021, wagte die pädagogische Einrichtung den Gang an den Aktienmarkt. Der Ausgabekurs der schwarze Zahlen schreibenden Schule lag bei 12,50 Euro je Papier. Zuletzt notierte der exotische Wert bei rund 7,65 Euro, während es in diesem Jahr schon mal etwa 9,50 Euro waren.
Auch wenn nur gut 620 Frauen und Männer „die erste europäische Bildungsaktie“ halten, wie der kaufmännische Vorstand Marcus Wagner sagt, bewegt sich der Kurs immer mal wieder. Der Streubesitz liegt bei rund 70 Prozent. Es gibt zwar keine Dividende, aber seit der Gründung als 50.000-Euro-GmbH ist der Unternehmenswert stark gestigen. Für die ISA-Aufsichtsratsvorsitzende Ramona Meinzer haben Anteilseigner das gute Gefühl, „in das wichtigste Gut unserer Zeit, nämlich Bildung, zu investieren“. Auch der Sohn der Unternehmerin aus Thierhaupten (Aumüller Aumatic) geht in die Schule, in der Englisch Hauptsprache ist. „Wenn ich meinen Sohn mal zu einer Dienstreise etwa nach Indien mitnehme, kann er sich dort problemlos verständigen“, berichtet Meinzer.
Schon ab drei Jahren nimmt die Schule Nachwuchs auf
Schon ab drei Jahren können Kinder in die Vorschule der ISA gehen, Englisch lernen und Kontakte mit Menschen aus derzeit 42 Nationen knüpfen, wobei die meisten Kinder und Jugendlichen zurzeit aus Großbritannien, den USA und Australien kommen. Neben Englisch werden, je nach Bedarf, viele andere Sprachen wie Japanisch unterrichtet. Die Schuldirektorin Jessamine Koenig, eine Amerikanerin, und ihr Vorstandskollege Wagner sagen: „Unsere Absolventen, die das internationale Abitur abgelegt haben, sind bei Universitäten rund um den Globus gerne gesehen.“
Am Aktienmarkt wird die Schule neben Erlösen und Ertrag vor allem an einer Kennziffer gemessen: Die Zahl der Schülerinnen und Schüler ist für Analysten, die das Bildungspapier beobachten, wichtig. Schließlich sind pro Jahr 15.000 bis 19.000 Euro je Kind oder Jugendlichen zu zahlen, wobei die International School Augsburg bis zu fünf Prozent ihres erzielten Umsatzes für Schulgeldnachlässe einsetzt.
Der Einzugsbereich der Schule reicht bis in den Münchner Westen, auch wenn es in der Landeshauptstadt internationale Schulen gibt. Die Nachfrage nach Plätzen in Gersthofen steigt immer weiter an: Startete die Schule im Jahr 2005 mit 63 Mädchen und Buben, sind es heute gut 390. Zwei Gutachten besagen übereinstimmend, dass bis 2035 der Bedarf auf 630 Plätze steigt. Koenig und Wagner versichern: „Wir platzen aus allen Nähten und brauchen schon jetzt dringend mehr Räumlichkeiten.“ Daran ändern auch zwei Container nichts, die angeschafft wurden, um die Sorgen etwas zu lindern.

Damit alle Schülerinnen und Schüler ein warmes Mittagessen bekommen, müssen sie in Gruppen zeitversetzt von 11.45 bis 14 Uhr essen. Prüfungen werden in der Turnhalle geschrieben, die dann nicht für den Sport-Untericht zur Verfügung steht. „Dabei ist eine internationale Schule ein enormer Standort-Vorteil“, sagt die Unternehmerin Meinzer und meint: „Wir brauchen dringend mehr Fachkräfte aus dem Ausland. Die kommen oft nur, wenn sie wissen, dass sich auch ihre Kinder wohlfühlen. Dazu brauchen wir internationale Schulen.“ Um weiter wachsen zu können, setzt die ISA auf Expansion und steht davor, in ein einst staatliches und aufgegebenes Gymnasium in Gersthofen umzuziehen. Dazu soll diese Schule um- und in großen Teilen neu gebaut werden.
Die neue Schule ist wieder in Gersthofen
Die Stadt Gersthofen stellt der ISA das Grundstück in Erbpacht zur Verfügung. Die Schule kann daher auf dem Areal bauen, ohne zusätzliche Millionen für den Erwerb des Grundes zu zahlen. Die Verabredung muss noch notariell beurkundet werden. Der Umzug der International School Augsburg an den neuen Standort ist ein teures Unterfangen: Insgesamt soll das Vorhaben 42 Millionen Euro kosten. Auch wenn die ISA die alte Schule zu einem guten Preis verkauft und Eigenmittel von derzeit rund sieben bis acht Millionen Euro einbringt, reicht das bei weitem nicht für die Finanzierung. Die ISA ist auf Fördermittel Bayerns angewiesen und hofft darauf, dass der Freistaat 40 bis 50 Prozent der Gesamtkosten für den neuen Campus in Gersthofen trägt.

Noch steht nicht fest, wie üppig der Fördermittelbescheid ausfällt und wann er kommt. Wagner hofft, dass in acht bis zwölf Wochen Klarheit herrscht, wie viel Geld aus München fließt. Im Schuljahr 2027/2028 könnte die ISA dann frühestens an dem neuen Ort durchstarten und schrittweise mehr Schülerinnen und Schüler aufnehmen.
Ein neues Gebäude für eine internationale Schule zu erschließen, erfordert Geduld und starke Nerven. Starke Argumente haben Koenig und Wagner vorzuweisen, wie etwa die Geschichte des Fußballers Kevin Danso, der nun mit 26 Jahren für Tottenham Hotspurs in der britischen Premier League spielt und zuletzt mit dem Team die Europa League gewonnen hat. In jungen Jahren lernte er in England den Umgang mit dem Ball. Dann zog es ihn auf den europäischen Kontinent. Doch seine Eltern bestanden darauf, dass ihr Sohn weiter in der Schule in Englisch unterrichtet wird. In Augsburg war das dank der ISA in Gersthofen möglich. So stieß Danso zum Nachwuchsleistungszentrum des FC Augsburg und sollte später für den Verein in der Bundesliga antreten, ehe er nach Frankreich und schließlich nach England weiterzog.
Auch für den FC Augsburg ist die Schule wichtig
Unsere Sport-Redaktion hat einmal vorgerechnet, dass der FC Augsburg an Verkaufs-, Weiterverkaufs- und Leihgebühren für Danso rund 12,5 Millionen Euro verdient hat. Damit steht für Schulvorstand Wagner fest: „Auch für einen Fußballverein ist die internationale Schule ein Standortvorteil.“ Danso hat an der ISA das Abitur abgelegt. Wie alle Absolventen bekam er zum Abschluss Aktien des besonderen Unternehmens geschenkt. Schülerinnen und Schüler werden zu Miteigentümern.

Einmal im Jahr hält die gemeinnützige ISA AG wie BMW, die Deutsche Bank oder BASF eine Hauptversammlung ab. Vorstand und Aufsichtsrat berichten über das vergangene Geschäftsjahr. Besucher des Aktionärstreffens können Musikerinnen und Musikern der Schule aus der dritten Klasse lauschen. Sie lernen alle in ihrer Schule mitten in einem Gersthofer Industriegebiet ein Streichinstrument.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden