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Junkie, Müllmann, Chefarzt

Bekannter Psychiater hört auf

Junkie, Müllmann, Chefarzt

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    Dr. Peter Dogs hat die Panoramakliniken (links ein Teil der Gebäude) geleitet. Der Mediziner wird nun eine kleine Praxis am Bodensee eröffnen
    Dr. Peter Dogs hat die Panoramakliniken (links ein Teil der Gebäude) geleitet. Der Mediziner wird nun eine kleine Praxis am Bodensee eröffnen Foto: Matthias Becker

    Wer Peter Dogs bittet, aus seinem Leben zu erzählen, sollte sich warm anziehen. Denn der 63-Jährige nimmt kein Blatt vor den Mund – auch nicht, was ihn selbst angeht. Er war Ausreißer, Heimkind, Junkie, Müllmann. Seit 1994 ist er Chefarzt der Panorama-Kliniken in Scheidegg. Diese gehören der Familie Obenaus. Er ist bekennender Narzisst („Jeder braucht Anerkennung“) und sagt: „Ich lebe sehr autistisch“. Er ist neidisch auf Anwälte, weil diese seiner Meinung nach meist mehr verdienen als Ärzte. Er schimpft auf das Gesundheitssystem, das vielen Menschen einrede, kränker zu sein, als sie sind. Damit an diesen noch mehr Geld verdient werden kann. Heute hängt Peter Dogs nach 22 Jahren seinen Chefarztposten an den Nagel. Auch, um mehr Zeit zu haben, mit seiner Lebensgefährtin sein einsam gelegenes Bauernhaus im Bregenzerwald zu renovieren.

    Dogs gilt in der Psychoszene als umstritten. Das sagt er selbst von sich. Wütend macht ihn, dass viele Menschen, die eigentlich ganz normale Probleme haben, zu Kranken stilisiert würden. Weil das im Interesse der Ärzte, der Kliniken und oft auch der Patienten selbst sei. Und der Krankenkassen: Je kränker ihre Patienten sind, desto mehr Geld bekommen sie aus Töpfen des sogenannten „Morbiditätsausgleichs“. Zahlen müsse das dann die Allgemeinheit. Insbesondere die Psychoanalyse kritisiert Dogs. „Viel zu teuer, kaum Wirkung.“ So sein Urteil. Es werde lange gebohrt, um möglichst viele Probleme aus der Vergangenheit zu finden. „Viele kommen deshalb aus der Therapie und es geht ihnen schlechter als vorher.“

    Vertrauensvolle Bindung zwischen Patient und Therapeut entscheidend

    Dogs gilt als Kritiker der Psychoanalyse: „Viel zu teuer, kaum Wirkung.“
    Dogs gilt als Kritiker der Psychoanalyse: „Viel zu teuer, kaum Wirkung.“ Foto: Matthias Becker

    Die Hirnforschung belege heute: In der Psychotherapie komme es nicht auf das angewandte Verfahren an, auch nicht auf die fachliche Erfahrung des Therapeuten. „Sondern nur darauf, dass Therapeut und Patient eine vertrauensvolle Bindung eingehen können“, sagt Dogs. Dieses Credo sei von Anfang an Teil seiner Klinikphilosophie gewesen. Die 1.800 Patienten der Panoramakliniken pro Jahr könnten sich einen seiner 32 Therapeuten frei aussuchen – und umgekehrt. Das Ergebnis: Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Scheidegg beträgt 35 Tage, üblich seien in Deutschland 45 Tage. Ein klares Indiz für die Bedeutung der Beziehung Therapeut-Patient, sagt Dogs. „Aber diese Erkenntnis wird woanders nicht umgesetzt.“

    Dogs ist stolz auf das, was er erreicht hat. „Aber ich bin jetzt müde vom Kämpfen.“ Darum hört er auf. Er will das Bauernhaus in Hittisau renovieren, das er vor zwei Jahren gekauft hat. „Ich wandere gern“, sagt der Mediziner. Im Bregenzerwald gibt es viele einsame Ecken. „Das kommt mir sehr entgegen, denn ich bin eigentlich menschenscheu.“ Aus einer 70-Stunden-Woche will er nun eine 30-Stunden-Woche machen. Bald betreibt er nur noch eine kleine Privatpraxis am Bodensee. Sein Stundensatz ist sportlich: 250 Euro. „Nur das, was auch viele Anwälte kriegen“, sagt er. Die ärztliche Leitung der Kliniken hat er seinem Nachfolger übergeben. Dieser, einer seiner Schüler, werde die Krankenhäuser im Geiste seiner Philosophie weiterführen.

    Sein bewegter Lebenswandel:
    Geboren: 1953 in Goslar im Harz.
    Schwieriges Elternhaus: Der Vater, Psychiater und Chefarzt, prügelnder Morphinist und Alkoholiker, der immer wieder Verfahren wegen Missbrauchs von Patienten am Hals hatte – die Mutter Alkoholikerin.

    Peter Dogs reißt von daheim aus, kommt mit zehn Jahren in ein Heim für schwer erziehbare Knaben bei Hannover. Durch ein Stipendium erhält er einen Platz in einem teuren Internat , in dem er sehr gefördert wird.

    In der Oberstufe Drogenkonsum bis zur Abhängigkeit vom Heroin. Kurz vor dem Abitur kalter Entzug in einem Keller auf Korsika, wohin ihn der Vater eines Schulkameraden, ein Arzt, mitgenommen hatte.

    Unter anderem Jobs als Müllmann im Sauerland, Tennislehrer in Genf und Ausbildung zum Masseur und Medizinischen Bademeister in Bad Wörishofen.

    Studium der Medizin ab dem 26. Lebensjahr, danach steile Karriere bis hin zum Chefarzt einer psychiatrischen Klinik in Ravensburg. Dogs absolviert zudem zahlreiche Fach- und Zusatzausbildungen.

    1994: Eröffnung und Aufbau der Panorama-Fachkliniken für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie, Naturheilverfahren und TCM in Scheidegg. Die Patienten (1800 pro Jahr) kommen aus ganz Deutschland.

    Ende Oktober 2016 zieht sich Dogs als Chefarzt aus den Kliniken zurück. Er eröffnet am 6. Dezember eine Privatpraxis in Nonnenhorn (Bodensee). Zudem coacht er Führungskräfte.

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