24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr ist der Münchner Flughafen in Betrieb. 1.000 Flugbewegungen werden dort jeden Tag auf zwei Pisten abgewickelt. „Damit sind wir weltweit spitze“, sagt Michael Oberauer, Referent für die Vorfeldkontrolle. „Der Flughafen schläft nie.“ Eine gefahrlose Ausbildung sei bei diesem Verkehr nicht möglich. Die Vorfeldlotsen üben deshalb an Simulationseinrichtungen im Kaufbeurer Trainingszentrum des Unternehmens ATCSim am Bavariaring, das die Software dafür entwickelt.
„Wir sind international aufgestellt“, sagt Deutschlandchef André Neubert. ATCSim (Air Traffic Control Simulation) und das US-amerikanische Mutterhaus UFA gelten als Marktführer für Tower- und Radarsimulationssoftware. Die Referenzen des Unternehmens führen zu den internationalen Drehscheiben des Luftverkehrs rund um den Globus, Flugsicherungsorganisationen, Militärs und Universitäten. Nicht immer sei es wegen der Gepflogenheiten einfach, auf osteuropäischen Märkten Fuß zu fassen, so Neubert. „Die Staatsregierung unterstützt hier gerne“, sagte der bayerische Wirtschaftsstaatssekretär Franz Pschierer. Er besuchte das Unternehmen am Montag mit dem Kaufbeurer Bundestagsabgeordneten Stephan Stracke, der ATCSim zu einem „echten Hidden Champion“ erklärte – ein Begriff, der sich für unternehmerische Perlen abseits der öffentlichen Wahrnehmung etabliert hat. Derzeit stattet ATCSim im Auftrag der Deutschen Flugsicherung die Simulationseinrichtung für die künftige Lotsen-Ausbildung auf dem Kaufbeurer Fliegerhorst aus.
Früher mit Holzflugzeugen
Früher spielten dort die angehenden Luftkontrolleure das Geschehen auf dem Airport mit Holzflugzeugen nach, auf dem Tisch war eine Landebahn gemalt. Heute wird digital ausgebildet, wie der Blick ins ATC-Trainingscenter zeigt. Mit einem Klick lässt sich der Blick aus dem Tower des Münchner Flughafens, auf das Vor- und Rollfeld des Pariser Flughafens Charles de Gaulle oder die Details Hunderter anderer Luftfahrtknotenpunkte auf die Wand projizieren. Davor die Eingabe-Terminals, leistungsstarke PCs, an denen die Lotsen in spe ihre Anweisungen geben. Sogenannte Pseudopiloten steuern an anderen Rechnern mit der Computermaus die Jumbos und Airbusse exakt nach diesen Anweisungen. Deren Befehle werden unmittelbar auf die Projektion übertragen, wo der virtuelle Flugverkehr im besten Fall natürlich reibungslos vonstatten geht.
Da kommt jeder mal ins Schwitzen.Michael Oberauer
Ein Traum für Freunde des Computerspiels? „Es gibt Schnittmengen“, sagt ATC-Entwicklungschef Ivan Rasin, der Parallelen zu den Serious Games, also Lern- und Forschungsspielen, sieht. Die Software sei jedoch viel komplexer und vernetzter. „Hier geht es natürlich um einen ernsten Hintergrund“, sagt Rasin.
Schneechaos auf Knopfdruck
Wie ernst, erklärt Michael Oberauer vom Münchner Flughafen, und lächelt. „Da kommt jeder mal ins Schwitzen.“ An den riesigen Bildschirmen und Projektionsflächen ließen sich Alltags- ebenso wie Ausnahmesituationen simulieren. Auf Knopfdruck wird aus idealem Flugwetter mit Zugspitzblick ein gefährliches Schneechaos mit Nullsicht. In die virtuellen Flugzeugbewegungen fließen klimatische und aerodynamische Einflüsse, etwa Seitenwind oder Auftrieb, ein. Ein brennendes Triebwerk kann dargestellt werden, mit allen Folgen. „Denn was die Lotsen in der Ausbildung nicht simulieren, können sie später auch nicht kontrollieren“, sagt Oberauer. Oder anders gesagt: Je größer der Stress, desto besser die Software.