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Kaufbeurer Glocken-Streit: Kirche bietet Kompromiss an

Der Stundenschlag ist heilig

Kaufbeurer Glocken-Streit: Kirche bietet Kompromiss an

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    Diese Glocken sollen Nachts zu laut sein, meint ein Anwohner.
    Diese Glocken sollen Nachts zu laut sein, meint ein Anwohner. Foto: Mathias Wild

    Im Streit um den Glockenschlag von St. Martin bahnt sich eine Lösung an. Die Kirchenverwaltung bietet einem Anwohner, dem die nächtlichen Zeitzeichen zu laut und zu häufig sind, einen Kompromiss an: Nachts soll demnach lediglich die Zeit zur vollen Stunde geschlagen werden, nicht aber die Viertelstunden.

    „Damit möchten wir diesem Bürger entgegenkommen“, sagt Stadtpfarrer Bernhard Waltner, „aber auch die Belange der Kaufbeurer, die am Glockenschlag von St. Martin hängen, berücksichtigen.“ Noch ist nicht bekannt, ob der Nachbar diesen Vorschlag annimmt. Falls er zustimmt, würde sich die Zahl der Glockenschläge im Kirchturm täglich zwischen 22 und 6 Uhr um gut zwei Drittel reduzieren.

    Der Konflikt hatte in den Leserbriefspalten unserer Zeitung hohe Wellen geschlagen. Ein Großteil der Leser lehnte Änderungen oder gar eine Abschaltung der Glocken in der Nacht ab. Denn auf die Zeitanzeige von St. Martin können sich die Menschen in der Altstadt seit jeher verlassen: einen Schlag zur Viertelstunde, zweimal zur halben Stunde, dreimal zur Dreiviertelstunde.

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    Und schließlich viermal zur vollen Stunde. Darauf folgt die Zeitanzeige. Künftig könnten nachts also die Viertelstundenschläge wegfallen. Und auch der Stundennachschlag steht zur Diskussion.

    „Etliche Menschen schätzen den wunderschönen Klang der Glocken“, sagt Pfarrer Waltner. Der Kirchenverwaltung sei allerdings an gutnachbarschaftlichen Beziehungen gelegen, weshalb der Einwand ernst genommen werde. Zumal ein Bürger, dem der Stundenschlag zu laut ist, wohl das Immissionsschutzrecht auf seiner Seite hätte.

    Denn für die Altstadt darf eine nächtliche Geräuschquelle üblicherweise 45 Dezibel „als Beurteilungspegel“ nicht überschreiten. Diese Größenordnung kann schon ein normales Gespräch erreichen. Einer Beurteilung oder gar einem Richterspruch müsste allerdings eine aufwendige Messung vorangehen.

    Dass sich die Kirchenverwaltung keine Gedanken gemacht hat, kann man ihr nicht vorwerfen. Waltner berichtet von mehreren Szenarien, die mit dem Glockensachverständigen des Bistums und Technikern durchgespielt worden seien. Geprüft wurde, ob die Glocken leiser schlagen können. Denn anders als beim liturgischen Läuten, etwa zur Messe, schwingen die Glocken beim Zeitschlag nicht.

    Um die Viertelstunden anzuzeigen, fällt ein schwerer Hammer auf die Glocke. Eine aufwendige Variante: Es wird ein Magnethammer eingesetzt, dessen Anziehungskraft und damit Aufschlagskraft sich elektronisch verringern oder erhöhen lässt. Auch kann die Fallhöhe des Hammers verändert werden.

    Die einfachere Variante: Der Hammerkopf bekommt eine Lederhaube, um die Schläge zu dämpfen – dies aber dann rund um die Uhr. „In beiden Fällen leidet die Klangqualität“, sagt Waltner. Ob der Schlag damit leiser werde, sei zudem ungewiss, wenngleich dies nicht gemessen worden sei. Auch der Effekt bei einer Dämmung der Schalllöcher im Kirchturm ist laut Waltner nicht sicher prognostizierbar, zumal dies aus Gründen des Denkmalschutzes nicht weiterverfolgt wurde.

    Am Ende der langen Diskussion sei klar gewesen: „Wir können nachts allenfalls die Zahl der Schläge reduzieren.“ Diesen Beschluss habe das sechsköpfige Verwaltungsgremium von St. Martin einstimmig gefasst.

    Eine komplette Abschaltung der Glocken in der Nacht lehnen der Geistliche und das Gremium ab. „Der Stundenschlag ist wichtig und gehört zur Stadt“, sagt er. „Das ist ein emotionales Thema.“ Der öffentliche Aufschrei nach seiner Beschwerde habe im Übrigen auch den Nachbarn selbst überrascht. Dies sei nicht seine Intention gewesen.

    Der Stadtpfarrer wartet nun auf die Antwort auf den Brief an den Anwohner. Er sagt aber deutlich: „Wenn der Bürger eine Dezibelmessung an seinem Fenster verlangt, wird gemessen. Und wenn die Glocken dann schweigen müssen, dann schweigen sie.“ Welche Diskussionen dies nach sich zöge, vermag Waltner nicht zu sagen.

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