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Kein Cowboy als Mann? Gitte Haenning im Kaufbeurer Stadtsaal

Kaum Schlager, dafür Jazz

Kein Cowboy als Mann? Gitte Haenning im Kaufbeurer Stadtsaal

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    Mit "Ich will`nen Cowboy als Mann" gelang Gitte Haenning der Durchbruch.
    Mit "Ich will`nen Cowboy als Mann" gelang Gitte Haenning der Durchbruch. Foto: Christian Gögler

    „Ich will ’nen Cowboy als Mann“ – mit dieser Forderung gelang Gitte Haenning 1963 in Deutschland der Durchbruch. Der Schlager erklomm den obersten Platz der Hitparade und verharrte fast ein Vierteljahr an dieser Stelle.

    Doch bei ihrem Konzert im Kaufbeurer Stadtsaal enttäuscht Haenning ihre alten Fans: Die Hits spielen nach einem halben Jahrhundert auf der Bühne kaum noch eine Rolle, das Programm besteht aus seriösen Pop- und Jazztiteln.

    Das südlichste Konzert ihrer derzeitigen „All by myself“-Tour startet holprig. Zunächst müssen die Zuhörer im nicht ganz volle Saal eine Viertelstunde warten, bis alle Gäste da sind – der Auftritt der einstigen Schlager-Ikone war von der All-Kart-Halle in den deutlich kleineren Stadtsaal verlegt worden.

    Auch Haenning braucht etwas, um sich einzufinden. „Ich hab’ Lampenfieber“, singt sie, lässt eine Reihe weniger bekannter, poppiger Stücke und Balladen passieren und arbeitet sich durch bis zum wieder vertrauten „Ich will alles“. (Blick-)Kontakt zum Publikum kommt kaum zustande, zu sehr klebt die Dänin an ihren Textblättern. Die Songtexte hat sie auf der Bühne verteilt, je nachdem, wo sie bei welchem Lied steht.

    Ihr Programm folgt einer strikten Trennung: Teil eins besteht – mit Ausnahme des schwedischen „I min ungdom“ – aus deutschen Titeln, Teil zwei aus englischen. Dabei wird dem Konzertbesucher Geduld abverlangt. Nostalgische Schlagerseligkeit hat er sich zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon abgeschminkt.

    Pianist Friedemann Matzeit steuert warme Farben am Saxofon bei und Benedikt Reidenbach erzeugt frische, durchaus scharfkantig-rockige Soli an der elektrischen Gitarre. „Meine Spielkameraden“, nennt die 70-jährige Haenning ihre deutlich jüngeren Musiker, die sie merklich stolz vorstellt – kokett. „Es geht wieder los, ich kann wieder fliegen“, singt die Dame im weiten Mantel, erhebt sich von ihrem gläsernen Barhocker und breitet die Arme aus, als wolle sie gen Hallendecke schweben.

    Das Textblatt ist vergessen

    In Fahrt kommt die Sängerin erst in Teil zwei, in dem sie zeigt, wem ihre Liebe wirklich gilt: Duke Ellington, Benny Goodman und Charlie Parker. Bei einer Serie leidenschaftlich interpretierter Jazz- und Swing-Standards ist auf einmal auch das Textblatt vergessen und Haennings wahre Klasse kommt zum Vorschein. Keine Spur der alten Schlager-Gitte.

    Doch da: Die Sängerin und ihre Gefährten marschieren mit Cowboyhüten ein. Zu früh gefreut. Der Oldie – fast zur Unkenntlichkeit verjazzt und zerstückelt – prescht in Höchstgeschwindigkeit vorbei und ist in zwei Minuten abgehakt.

    Für Haenning wäre es ein Leichtes gewesen, all ihre Hits zusammenzukehren und für das Publikum hübsch verpackt in einen Block zu präsentieren. Oder einen ganzen Abend damit zu füllen. Der Saal wäre Kopf gestanden. Warum sie sich sträubt – die Gründe kennt nur Gitte Haenning. Ihr ernsthafter Popjazz erntet artigen Applaus.

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