Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Kemptener Verpackungs-Professor: Wie ich das große Müllproblem sehe - und was jeder tun kann

Plastic - not fantastic!

Kemptener Verpackungs-Professor: Wie ich das große Müllproblem sehe - und was jeder tun kann

    • |
    • |
    Müll statt Sand: An vielen Küsten der Weltmeere wird Plastik angeschwemmt.
    Müll statt Sand: An vielen Küsten der Weltmeere wird Plastik angeschwemmt. Foto: Marwan Naamani, dpa, Matthias Becker
    Mit seinen Studenten, darunter auch Leni Koser, forscht Markus Prem an der Hochschule Kempten an Lebensmittelverpackungen.
    Mit seinen Studenten, darunter auch Leni Koser, forscht Markus Prem an der Hochschule Kempten an Lebensmittelverpackungen. Foto: Mareike Keiper

    Wo liegt das Problem?
    Nicht in Deutschland, sagt Prem. "Nur zwei Prozent des im Meer treibenden Kunststoffs kommt aus den westlichen Ländern. 18 Prozent stammen aus Afrika und 80 Prozent aus Südostasien." In Europa funktioniere die Müllverwertung, insbesondere in mitteleuropäischen Ländern haben die Menschen eine gute Müllerziehung. Und gerade das Recyclingsystem Deutschlands laufe gut und könne sogar Vorbild sein. Das ist die gute Nachricht. Die Schlechte: Niemand fühle sich für das Meer zuständig, es gehört schließlich keinem. Prem gibt sich pressimistisch: "Im Hinblick auf die Weltsituation kann man eigentlich nur schwarz sehen, außer es gelingt die Wende."

    Welche Wende braucht es?
    "Wir müssten die Leute instruieren, sich zu verändern", sagt Prem. Dabei denkt er an Entwicklungshilfe: Das Beste sei, Müllverbrennung und -trennung in diesen Ländern einzuführen. "Das wäre zehnmal sinnvoller, als Plastik zu verbieten." Ein Anreiz sei eine gute Option: Wer sammelt, bekommt etwas zurück.

    Der Studiengang Lebensmittel- und Verpackungstechnologie

    >Das Fach gibt es seit 2010 einmalig in Deutschland und zwar in Kempten, auf Wunsch der Verpackungsindustrie.

    >50 Studenten pro Jahrgang sind eingeschrieben.

    >Vier Schwerpunkte bietet die Hochschule an: Lebensmitteltechnologie, Verpackungstechnologie, Ingenieurstechnik und Allgemeines, darunter BWL.

    >Seit 2017 gehört auch das Kompetenzzentrum Lebensmittel- und Verpackungstechnologie (KLeVerTec) zum Studiengang. Dort forschen die Studenten unter anderem an der Haltbarkeit von Milchprodukten und Gewürzen, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern.

    In Unverpackt-Geschäften kannst du Dir deine Lebensmittel einfach "abzapfen". Diese Geschäfte gibt es aber fast nur in Großstädten.
    In Unverpackt-Geschäften kannst du Dir deine Lebensmittel einfach "abzapfen". Diese Geschäfte gibt es aber fast nur in Großstädten. Foto: (c) dpa

    Was kann jeder Einzelne tun?

    "Das Problem ist, dass die meisten Menschen billige Ware mit bester Qualität haben wollen", findet Prem. Dem Gegentrend, beispielsweise in Bioläden einzukaufen, folgen nur wenige Menschen. Doch gerade sie haben den richtigen Ansatz, findet er: "Jeder sollte Lebensmittel in höherer Qualität kaufen." Das würde die Industrie zur Veränderung zwingen und das System von hinten aufrollen. "Aber es ist erstaunlich: Die Leute stören sich an Verpackungen, aber das Lebensmittel selbst ist ihnen egal." Denn mehr frische Ware bedeutet auch weniger Verpackung. Und für die Gesundheit scheint das auch wichtig zu sein: "Ernährung ist eine der großen Ursachen für Krebs, die Verpackung liegt in diesem Punkt ganz weit hinten", sagt Prem. Um Plastik zu vermeiden, rät er außerdem, lieber öfter kleinere Mengen einzukaufen - am besten auf dem Markt - und weniger haltbare Ware. Das vermeide auch Müll.

    Bio trotz Plastik? Ja, das ist oft so.
    Bio trotz Plastik? Ja, das ist oft so. Foto: (c) dpa

    Und welche Forschungsansätze gibt es?

    Abbaubarer Plastik ist scheinbar nicht das Wahre. Darin liegt nämlich ein Problem, sagt der Professor: "Das ist nur auf DIN-Komposthaufen abbaubar, nicht in der Umwelt." Nötig seien besondere Bakterienarten und eine bestimmte Temperatur. Bioabbaubarer Plastik müsse außerdem klar erkennbar sein und in die richtige Tonne kommen. Und noch kommt hinzu: Dafür werden Pflanzen wie Mais und Raps verwendet - Monokulturen, die wieder neue Schwierigkeiten machen. Stattdessen setzt die Forschung auf die Verpackungsgröße und -dicke. Je dünner der Plastik, desto weniger gelange in die Umwelt. Gut seien auch Ansätze wie der Müllfilter. "Alles, was ausprobiert wird, ist gut", findet Prem.

    Warum ist die Biogurke in Plastik eingepackt, die konventioenlle aber nicht?

    Das hängt mit der Menge zusammen, sagt Prem. Beide Produktarten müssen auf den ersten Blick unterscheidbar sein. Weil es weniger Bio-Obst und -Gemüse gibt als konventionelles, brauche es für Bio auch weniger Plastik. Das klinge zwar nachhaltig, hänge aber vor allem mit den Verpackungskosten zusammen.

    Warum nicht Pappe oder Papier?

    Weil das auch schlecht abbaubar sei, sagt Prem. Außerdem ist Pappe nicht wasserfest, also kein guter Ersatz für Kunststoff.

    Wieso nicht ganz auf Verpackung verzichten, wie zum Beispiel Unverpackt-Geschäfte?
    Bei manchen Produkten mache das Sinn, zum Beispiel bei stückiger Ware. Auch Alkohol sei nicht besonders baktierenanfällig und könne einfach abgezapft werden, meint Prem. Und frische Ware wie Obst und Gemüse müsste auch nicht unbedingt eingepackt sein. Da gehe es meistens um den Transport. Öl wiederum werde schnell ranzig und frische Ware schneller schlecht. "Lebensmittelverpackung ist bei Produkten, die länger halten sollen, immer sinnvoll, denn sie hält Sauerstoff fern", meint Prem.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden