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Klaus Nomi: Der wohl schrillste Sänger, den das Allgäu jemals hervorbrachte

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Klaus Nomi: Der wohl schrillste Sänger, den das Allgäu jemals hervorbrachte

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    Montage von Theodor Frey zu Klaus Nomi, wie sich der Künstler später nennt.
    Montage von Theodor Frey zu Klaus Nomi, wie sich der Künstler später nennt. Foto: Theodor Frey

    Er starb am 6. August 1983 im Alter von 39 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus, als eines der ersten prominenten Opfer der Krankheit Aids, als ein Künstler, der "seinen Namen in die Geschichtsbücher der Musik gemeißelt" hat, wie es in einer Würdigung heißt. Doch der Weg dorthin war ein mühsamer.

    Das hat Barbara Frey festgestellt. Die Immenstädter Sozialpädagogin und Journalistin recherchiert seit Jahren die Biografie des Künstlers. Seit eine Verwandte aus Köln sie auf Klaus Nomi aufmerksam machte: "Kennst Du den? Der stammt doch aus Immenstadt?"

    Barbara Frey konnte es kaum glauben: Diese exzentrische Bühnenfigur, deren Kunst im Internet in Videos präsent ist, soll aus diesem Städtchen kommen? Das Gesicht weiß geschminkt steht der hagere Mann auf der Bühne, wie ein Clown, wie Mephisto, der Teufel in Goethes Tragödie "Faust".

    Das Kostüm wirkt futuristisch, wäre einem Alien aus einem Science-Fiction-Film würdig. Die Bewegungen gleichen einem Roboter. Und dann erklingt diese ungewöhnlich hohe Stimme. Jeder rätselt: Ist das ein Mann, der da singt, oder eine Frau? Die Stimme fasziniert. Auch Barbara Frey. Deshalb begann die 49-Jährige nachzuforschen.

    Aufgewachsen im Idyll: Klaus Sperber auf dem Arm seiner Mutter im Oberallgäu, ein Bild aus dem Dokumentarfilm "The Nomi Song" von Andrew Horn.
    Aufgewachsen im Idyll: Klaus Sperber auf dem Arm seiner Mutter im Oberallgäu, ein Bild aus dem Dokumentarfilm "The Nomi Song" von Andrew Horn. Foto: Repro Barbara Frey

    Nomi wurde als Klaus Sperber am 24. Januar 1944 in Immenstadt geboren. Seine ersten vier Jahre, die "prägenden", wie Frey weiß, verbrachte er mit seiner Mutter auf einem Einödhof in Ratholz. Die elegante Dame war aus dem ausgebombten Essen während des Zweiten Weltkriegs ins Allgäu gezogen. Diese Zeit im Allgäu wird in einem von Andrew Horn 2004 gedrehten Dokumentarfilm über Klaus Nomi als Idyll geschildert, als heile Welt. Später zog die Familie nach Langschede, dann zurück nach Essen.

    Zeitzeugen, die Barbara Frey befragt hat, schildern Klaus Sperber eher als scheues Kind. Beim Regenwurm-Essen und beim Fußball-Spielen habe er nicht mitgemacht. Später brach er die Schule ab und eine begonnene Lehre zum Positivretuscheur. Er wollte Opernsänger werden. Auslöser war ein Plattenkauf, erzählt Barbara Frey. Klaus Sperber hatte eine Scheibe von Elvis Presley erstanden, die Mutter war darüber entsetzt und tauschte die Platte gegen eine von Maria Callas um. Diese Stimme wiederum faszinierte Klaus Sperber. Fortan wollte er so singen wie die Diva. Später sollten beide musikalischen Fixsterne, Presley und Callas, zu des Künstlers Leitbildern werden.

    Klaus Sperber ging nach Berlin, nahm Gesangsunterricht, doch niemand wollte seine Stimme zum Countertenor ausbilden. Also lernte er Tenor und bildete sich in der hohen Stimmlage autodidaktisch weiter. An der Deutschen Oper jobbte er als Platzanweiser. Ein Engagement als Sänger erhielt er nicht.

    New York - Die Stadt der Träume

    1973 geht er nach New York. Dort hält sich Klaus Sperber mit verschiedenen Jobs über Wasser. Unter anderem backt er Torten. Gelernter Konditor, wie viele Autoren kolportieren, sei er nie gewesen, sagt Barbara Frey. Der unbedingte Wille zum Singen und ein Talent, das ihm in die Wiege gelegt wurde, machen ihn durch schrille Auftritte schließlich zum Star in Underground-Bars. Auch als "Singender Konditor" wird er herumgereicht.

    Klaus Sperber nennt sich jetzt Klaus Nomi. David Bowie wird auf ihn aufmerksam, schleust ihn 1979 als Background-Sänger in eine Show ein und verhilft ihm zu einem Plattenvertrag. Das bedeutet für Klaus Nomi den künstlerischen Durchbruch: Er geht auf Tournee und wird gefeiert – als Vertreter der sogenannten "New Wave Szene". Vor allem in Europa.

    Dabei kennt seine Musik keine Grenzen, ist vielmehr ein frühes Beispiel für Crossover. Klaus Nomi singt Pop genauso wie Oper, etwa den "Cold Song" aus dem "König Arthur" des Barockkomponisten Henry Purcell. Jenes Stück, das von Frost und Erstarren erzählt, singt Klaus Nomi auch bei seinem letzten Auftritt Ende 1982 im deutschen Fernsehen, in einer Show von Thomas Gottschalk, bereits schwer gezeichnet von der tödlichen Krankheit. Die Interpretation jenes Liedes inspiriert Künstler noch heute – von der Pop-Queen Lady Gaga bis zum Countertenor Andreas Scholl.

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