Versetzte Schulzeiten zur Entzerrung des Schülerverkehrs und damit zur Senkung der Infektionsgefahr beurteilt der Deutsche Lehrerverband skeptisch. Eine entsprechende Forderung hatte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) erhoben. "Das stößt sehr schnell an Grenzen", sagte hingegen Lehrerverband-Präsident Heinz-Peter Meidinger der Deutschen Presse-Agentur. Dies habe mehrere Gründe. Das Hauptargument aber sei: "Da ist dann zwar vielleicht ein bisschen weniger los in den Bussen und in den Pausen, aber am Grundproblem ändert sich nichts. Und das Grundproblem ist die volle Klasse. In der Schule haben sie trotzdem die vollen Klassenzimmer."
Gestaffelter Unterrichtsbeginn vielerorts nicht umsetzbar
Auch auf einer ganz praktischen Ebene sei der Vorschlag, die Anfangszeiten des Unterrichts zu staffeln, vielerorts nicht umsetzbar. Zum einen beförderten die Schulbusse in vielen Landkreisen zugleich Berufspendler. Doch selbst wo es reine Schulbusse gebe, würden die Fahrzeuge außerhalb der Standard-Zeiten bereits zu anderen Zwecken eingesetzt, "so dass zusätzliche Kapazitäten wenn, dann nur in einzelnen Regionen, aber nicht flächendeckend realisiert werden können". Auch würden versetzte Zeiten neue Probleme etwa bei der Mittagsverpflegung bereiten, die dann ebenfalls zeitlich ausgedehnt werden müsste.
Dagegen setzen im Kampf gegen überfüllte Schulbusse erste Städte in Schleswig-Holstein jetzt auf eine Entzerrung der Schulanfangszeiten. In Flensburg etwa haben sich 15 weiterführende Schulen bereits im September auf gestaffelte Schulanfangszeiten verständigt. Nach langem Zögern will jetzt auch Lübeck einen Runden Tisch dazu einrichten.
Wechselbetrieb statt versetzte Schulanfangszeiten?
Meidingers Gegenvorschlag dazu: "Wenn man wirklich bei stark steigenden Infektionszahlen wirksamen Gesundheitsschutz machen möchte, muss man tatsächlich wieder in den Wechselbetrieb gehen, das heißt, Klassen halbieren und die eine Hälfte in der einen Woche oder am einen Tag und die andere Hälfte in der anderen Woche oder am anderen Tag in der Schule unterrichten."
Den jetzigen Kurs der Politik kritisierte Meidinger, der bis zu den Sommerferien Direktor eines Gymnasiums im niederbayerischen Deggendorf war und die Pädagogen lange Jahre auch an der Spitze des Deutschen Philologenverbands vertrat: "Nichts zu tun und die Schulen auf Teufel komm raus offen zu halten, das versteht keiner mehr." Die vorhandenen Stufenpläne müssten mit verbindlichen Inzidenz-Grenzwerten hinterlegt werden. "Bloß zu sagen: Wir haben einen Stufenplan, und egal welche Werte erreicht werden, wir handeln nicht - das ist grob fahrlässig."
Söder: Keine automatischen Klassenteilungen oder Schulschließungen
Trotz gestiegener Corona-Zahlen soll es an bayerischen Schulen auf absehbare Zeit keine automatischen Klassenteilungen oder gar Schulschließungen geben - weder in Landkreisen noch in kreisfreien Städten. Das sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Donnerstag in München zu den Ergebnissen eines Spitzengesprächs mit Lehrer-, Eltern- und Schülervertreter.
Ostallgäuer Schüler müssen im Unterricht nicht zwingend 1,5 Meter Abstand halten
An den Ostallgäuer und Kaufbeurer Schulen können Kinder nächste Woche nach den Ferien auf jeden Fall im Klassenzimmer unterrichtet werden. Das Landratsamt hat den Schulen am Mittwoch mitgeteilt, dass nach den Herbstferien der Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Schülern in Unterrichtsräumen nicht mehr zwingend eingehalten werden muss. Ziel sei es aber, wo immer machbar, die Abstandsempfehlung umzusetzen. Das ermöglicht den Schulen, ab 9. November wieder komplett im Präsenzmodus zu unterrichten.
Eine Mutter aus dem Westallgäu fordert indes mithilfe einer Petition einen "verlässlichen Schulalltag" in Pandemiezeiten.