Im Höllweg ist die Welt noch in Ordnung. Ein gepflegter Vorgarten reiht sich an den nächsten, üppig bepflanzte Blumenbeete schmücken die Einfahrten. Stille. Auf einer Terrasse sitzt einer und blickt auf die weitläufigen Felder vor Unterthingau. In rund sechs Wochen wird auf ebendiesen Feldern eine riesige Bühne stehen und rund 60 000 Menschen werden mit den Popgrößen wie Lena, Wincent Weiss und Rapper Sido das Bayern 3-Dorffest feiern. Wie bereiten sich die Menschen dort auf den Ansturm der Massen vor? Und: Herrscht schon jetzt ungetrübte Partystimmung im Dorf?

Nur wenige hundert Meter von dem Ort entfernt, wo am 8. September die Bühne stehen wird, freut sich Ludwig Schindele auf das Fest. „Ich finde es toll, dass so etwas auf die Beine gestellt wird“, sagt er. Besonders die Jugendlichen würden sich auf die tollen Stars freuen. Von seinem Haus im Höllweg wird die Musik deutlich zu hören sein. Stören wird sie ihn aber nicht. „Weil ich selbst mitfeiern werde.“ „Es haben sich auch manche über das Dorffest aufgeregt“, sagt eine Anwohnerin. Aber das Gros sei dafür. Ausschlaggebend sei, dass das Fest nur einen Tag geht. „Das lässt sich aushalten“, sagt die Unterthingauerin. „Würde es länger dauern, wäre das etwas anderes“, sagt sie.
Wenn man sich fragt, wie das Dorffest ins Ostallgäu kommen konnte, landet man unweigerlich bei Michael Abel. Er ist Bürgermeister von Kraftisried und seit Jahren Fan der Veranstaltung. Zweimal war er privat auf den BR-Festivals, genoss Stimmung und Musik. Und so keimte die Idee in ihm: Wir holen das Fest zu uns. 2015 bewarben sich Kraftisried/Schweinlang das erste Mal. Vergeblich. Damals hatte es auch Kritik an der Bewerbung gegeben. Manche im Dorf sagten: Das schaffst Du eh nie! Doch Abel ließ nicht locker, bewarb sich wieder und wieder. Dann heuer, Anfang Juli, der Zuschlag. Abel sagt: „Mein großer Traum ist endlich wahr geworden.“

Wahr geworden ist die Sache nur, weil Unterthingau mitspielte. Die Zuschauerzahlen des Dorffestes schossen in den vergangenen Jahren dermaßen in die Höhe, dass Kraftisried/Schweinlang nicht den Platz gehabt hätten. Doch als dann die Leute vom BR die 30 bis 40 Hektar große Fläche östlich von Unterthingau entdeckten, fragte Abel beim Bürgermeisterkollegen Bernhard Dolp an. Dieser wägte ab. „Einerseits war ich für diese einmalige Chance“, sagt Dolp. Doch da stand auch die Frage im Raum: Kann Unterthingau das stemmen? Nachdem Dolp grünes Licht von den Vereinen bekam, stand fest: „Ja, wir machen das.“ Unterthingau und Kraftisried.
Respekt vor der Herausforderung ist da, aber keine Angst. Wir packen das.“Siegfried Maschke, Sprecher der Vereine aus Unterthingau, über das Bayern 3-Dorffest
Mit 50- bis 60 000 Besuchern rechnen die Veranstalter. Das entspricht der Dimension von Festivals wie Rock am Ring mit 70 000 Fans. Packen das die beiden Gemeinden? Abel sagt: „Wir sind gut aufgestellt.“ Rund 800 Helfer sind notwendig für Organisation, Auf- und Verkauf. Der Bürgermeister ist sich sicher, dass sich so viele und noch mehr Helfer finden werden. Denn, so sagt Abel: „Die Begeisterung im Ort wächst von Tag zu Tag.“
Ohne die Vereine in Unterthingau und Kraftisried wäre das Fest nicht zu stemmen. „Die Hilfsbereitschaft ist riesig“, sagt Siegfried Maschke, Schützenmeister und Sprecher für die Vereine aus Unterthingau. Insgesamt 28 Vereine und Gruppen aus Unter- und Oberthingau, Reinhardsried, Kraftisried und Schweinlang helfen mit.
Das Organisationskomitee für das Dorffest besteht aus den Vereinesprechern der fünf Orte und den beiden Bürgermeistern Dolp und Abel. Hier laufen die Infos zusammen, und die sieben stimmen sich regelmäßig ab. Maschke sagt: „Respekt vor der Herausforderung ist da, aber keine Angst. Wir packen das.“ Denn es sei doch so: Ob nun Gau-, Schützen- oder Bayern 3-Dorffest, die Strukturen sind die gleichen. Man müsse für Parkplätze sorgen, Essen verkaufen und Buden aufstellen, den Verkehr regeln. Nur eben nicht für 3000, sondern für vielleicht 60 000 Leute.
Nicht alle Menschen in Unterthingau sind glücklich mit der Veranstaltung. „Ich finde das Fest ist überdimensioniert. Diese riesen Menschenmassen machen mir Angst“, sagt eine Unterthingauerin. Was, wenn dort eine Panik ausbricht? Und dann der Verkehr. Wie solle das gehen? Der Kraftisrieder Bürgermeister Abel ist Realist. Er sieht wohl den „enormen Aufwand“, den die Organisation des Dorffestes bedarf. Doch Abel besitzt auch eine positive Grundeinstellung. Und so sagt er: „Wenn das Wetter passt und zigtausende Menschen eine fröhliche Party feiern - dann ist das Ganze doch eine supergute Werbung für unser Allgäu.“