Sie liegt da wie ein roter Edelstein, sorgfältig eingebettet in Styropor und von einer Plastikglocke geschützt: eine einzelne rote Tochiaika-Erdbeere. 20 Dollar verlangt die japanische Farmerin Julia Suzuki für die speziell gezüchtete Luxusfrucht, die sie in die USA exportiert. Mögen deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher über solche Summen noch den Kopf schütteln, spüren sie gleichzeitig die Preisentwicklung hierzulande längst am eigenen Geldbeutel: In den vergangenen zehn Jahren stieg der Kilopreis für heimische Erdbeeren um mehr als 80 Prozent. Und das ausgerechnet beim Lieblingsobst der Deutschen.
Immerhin zählen vier von fünf Bürgerinnen und Bürgern den roten Vitaminlieferant zu ihrer liebsten einheimischen Frucht, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presseagentur herausfand. Damit liegt die Erdbeere noch vor dem Apfel. Woran das wohl liegt? „Allein der Geruch, wenn man auf dem Erdbeerfeld steht – jede und jeder weiß, wie Erdbeeren schmecken. Es ist einfach ein unverwechselbarer Geschmack“, sagt die bayerische Erdbeerkönigin Franziska Heindl. Gesund sind die Früchtchen auch noch: 100 Gramm Erdbeeren beinhalten etwa so viel Vitamin C wie 100 Gramm Zitronen. „Da kann sich jede und jeder aussuchen, welches Obst man lieber isst “, schmunzelt die Erdbeerkönigin.
Die Deutschen greifen lieber zur Erdbeere als zum Apfel
So kürte auch der deutsche Dichter Johann Wolfgang Goethe in seinem Gedicht „Versuchung“ im Jahr 1781 die Erdbeeren zu „Früchte voll irdischer Süße“. Ein Sommergeschmack, der in diesem Jahr besonders ausgeprägt ist, sagt Simon Schumacher, Vorstandssprecher des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer. „Zu Beginn haben sich einige Landwirte aufgrund des späten Frosts teils die Nächte um die Ohren geschlagen, in den vergangenen Wochen war jedoch in mehreren Gebieten in Bayern für längere Zeit tolles Erdbeerwetter.“ Nicht zu warm, nachts relativ kühl und stets mit einer leichten Brise – das lässt die Früchte gut reifen. Ein großes Manko gebe es in dieser Saison dennoch. „Der Einzelhandel hat sehr früh mit Rabattaktionen begonnen. Das verdirbt den Handel“, so Schumacher.

Die Branche hat es generell schwer, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamts belegen: Seit 2015 gab etwa jeder vierte Betrieb in Deutschland auf. Als Hauptgrund nennt Schumacher unter anderem den gestiegenen Mindestlohn für die saisonalen Erntehelferinnen und Erntehelfer. Da die Erdbeerernte viel Handarbeit erfordert, würden die Lohnkosten etwa 50 bis 60 Prozent der gesamten Produktion ausmachen. Verschärft werde die Lage durch Inflation bei Energie, Heizkosten und Düngemitteln sowie das zunehmend unbeständige Wetter. „Die Wetterperioden halten mittlerweile länger an. Das verändert auch die Produktion, reinen Freilandanbau gibt es kaum noch“, so der Vorstandssprecher des Verbands für Spargel- und Erdbeeranbauer.
Das sah vor etwa 40 Jahren noch anders aus, als Josef Kraus seinen Obstbaubetrieb in Gessertshausen bei Augsburg gründete. Damals benötigte er keine Bewässerung. „Das wäre heute undenkbar“, sagt Kraus, der einen der größten Obstanbaubetriebe in Bayerisch-Schwaben betreibt. In den vergangenen Jahren habe sich auch der Beginn der Erntezeit um mehrere Wochen von Juni auf Anfang Mai verschoben. „Man weiß beim Anbau aufgrund des Wetters ohnehin nie, wie es morgen aussieht“, sagt Kraus. Daher versuche er zusätzlich auf Folientunnel umzustellen, auf die mittlerweile die meisten Betriebe setzen. Das mache die Produktion jedoch teurer.
Die Erdbeerproduktion unter den Folien steigert den Preis
Der Familienbetrieb verlangt in dieser Saison 9,80 Euro pro Kilo Erdbeeren. Ausländische Früchte aus dem Discounter sind zwar günstiger, haben aber eine geringere Qualität. Dabei komme es oftmals auf die Verwendung an, wer zu welchen Erdbeeren greift, sagt Philipp Hennerkes, Geschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels: „Beispielsweise für das Einkochen werden vielfach preisgünstige Erdbeeren ohne umfangreiche Mehrwerte wie regional oder biologisch nachgefragt. Diese sind teils auch preisgünstiger. Zum direkten Verzehr oder für Kuchen werden eher absolut makellose Erzeugnisse mit Mehrwert nachgefragt, die dann tendenziell auch teurer sein können.“
Eine Kaufalternative bietet das Selbstpflücken. Auf den Feldern von Obstbauer Kraus kostet das Kilo nur 4,50 Euro. Dazu kommt der besondere Reiz und die Vorfreude auf frischen Erdbeerkuchen, selbst gemachte Marmelade oder einen Obstsalat. Bleibt nur noch ein Problem übrig, dass es zum Kuchen reicht, wie Erdbeerkönigin Franziska Heindl sagt: „Am liebsten nasche ich Erdbeeren einfach so, direkt vom Feld in den Mund.“
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