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Lost Place: Kunst mit Kippen, Schnapsflaschen und einem Hauch Zerstörungswut

Gasthaus Löwen in Oy

Lost Place: Kunst mit Kippen, Schnapsflaschen und einem Hauch Zerstörungswut

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    Geteert, gefedert und mit Farbe beschmiert: hier blieb wirklich nichts verschont.
    Geteert, gefedert und mit Farbe beschmiert: hier blieb wirklich nichts verschont. Foto: Matthias Becker

    Überall ist die bunte Farbe im Zimmer verteilt. Ob auf der Bettwäsche, den Wänden, dem Fernseher oder dem Sofa - nichts ist von den roten, grünen, gelben und blauen Farbklecksen verschont geblieben. Von der Decke hängen Tapetenreste lose herab, der Teppich ist total verdreckt, Bücher und Handtücher liegen auf dem Boden verstreut.

    Auf dem Bett liegt ein schwarzer Zylinderhut, ein offenes Fläschchen Sekt daneben. Die einzigen beiden Gegenstände, die man eventuell nach der kurzen Botschaft an der Eingangstür erwartet hätte: "Hochzeitssuite" steht dort in weißen Lettern geschrieben. Hier sieht’s eher aus, als hätte ein Kampf stattgefunden! Doch: Hier liegen die Überreste einer Kunstausstellung aus längst vergangener Zeit.

    Jeder durfte sich in den Zimmern des "Löwen" austoben: Vom Kindergartenkind bis zum Profikünstler.
    Jeder durfte sich in den Zimmern des "Löwen" austoben: Vom Kindergartenkind bis zum Profikünstler. Foto: Matthias Becker

    Robert Liebenstein hat das Projekt im Jahr 2011 initiiert. Vor ein paar Tagen ist er selbst mal wieder dort gewesen, im "Löwen" in Oy. "Es war wie eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit", sagt der berufliche Bildhauer im allgaeu.life-Interview. Als sei das Gasthaus in einen Dornröschenschlaf gefallen: "Da sind einige Gefühle wieder rauf gekommen", erzählt der 51-Jährige.

    Nachdem er eine Ausstellung dieser Art bereits Jahre zuvor im Kemptener Künstlerhaus erlebt hatte, wollte er "selbst auch mal so etwas machen". Gesagt, getan! Der "Löwen" war ein ausgezeichnetes Objekt dafür. Bereits seit Jahren war das Lokal geschlossen, es wurde diskutiert, ob es abgerissen oder saniert werden solle. So kam Liebenstein mit Oys Bürgermeister Theo Haslach ins Gespräch.

    Gasthaus Löwen in Oy:

Innenansichten, teilweise mit Kunstwerken aus der Aktion" NAcht der Kunst" aus dem Jahr 2011.

Zukunftz des Gebäudes im Ortskern von Oy

1. Löwenstammtisch
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    11 Bilder

    "Wir haben das komplette Haus in Beschlag genommen", erinnert sich Liebenstein. Ohne Rücksicht auf Verluste tobten sich - im wahrsten Sinne des Wortes - etwa 30 Künstler (darunter auch Tänzer, Musiker, sogar (!) eine Kindergartengruppe) über drei Etagen hinweg aus.

    "Viele haben das echt ausgenutzt - es ist ja auch eine einmalige Chance, wenn man so ein Haus zur Verfügung hat", sagt Liebenstein. Er selbst nutzte beispielsweise die Gelegenheit und stellte ein Zimmer komplett auf den Kopf: Gemeinsam mit einem befreundeten Schreiner nagelte und klebte er sämtliche Einrichtungsgegenstände an die Decke. Und beim "Abbruch"-Jazz von Matthias Schriefl assistierte er mit Motorsäge und Axt. "Macht ja auch mal Spaß, auf nichts achten zu müssen", kommentiert der in Unterschwarzenberg lebende Künstler die damalige Aktion.

    Doch was passierte nach der Ausstellung – Rausgehen? Tür absperren? Fertig? „Ja!“, sagt Liebenstein und lacht. Mit Bürgermeister Haslach war das alles abgesprochen. "Mir war klar, dass sich die Künstler dort austoben würden", sagt er. Ob kaputt oder intakt, ob mit Graffiti an den Wänden oder nicht: Bei Sanierung oder Abriss spielt das keine Rolle. "Selbst bei der Sanierung wird alles bis auf den Kern zurückgebaut und neu gemacht", erklärt Haslach.

    Noch immer ist nicht klar, wie es mit dem Gebäude weiter geht; eine Entscheidung soll demnächst fallen. Liebenstein jedenfalls setzt sich für den Erhalt des Gasthauses ein - schließlich ist er durch die Löwenkulturnacht damals "sehr mit ihm zusammen gewachsen".

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