Mit diesem Geld könnte man ein bis zwei Jahresgehälter bezahlen: 50.000 bis 60.000 Euro Strafzinsen muss Kempten im kommenden Jahr auf den Tisch legen. Die Sparkasse verlangt ab Januar Verwahrgeld von Geschäftskunden und Kommunen, wenn auf ihren Tagesgeldkonten mehr als 250.000 Euro liegen. Und es trifft auch Kempten, sagte Kämmerer Matthias Haugg am Montagabend im Haupt- und Finanzausschuss.
Dort laufen bis Ende des Monats die Haushaltsberatungen – es geht also darum, wofür die Stadt im kommenden Jahr Geld ausgibt und wie viel sie im Gegenzug einnimmt. Schon jetzt steht fest, dass sich die europäische Zins- und Geldmarktpolitik deutlich auswirken wird. Die städtischen Stiftungen beispielsweise sind wegen der niedrigen Zinsen weiter unter Druck, nur noch fünf davon können überhaupt ausschütten.
7.400 Euro werden es diesmal sein – vor fünf Jahren lag die Summe noch fast 20 Mal so hoch. Das heißt: Es dürfte erneut enger werden für alle, die über die Stiftungen gefördert werden und auf dieses Geld angewiesen sind. Dazu gehören speziell soziale Einrichtungen wie Frauenhaus, Altenheime, Jugendhilfeangebote und Kindertagesstätten, aber auch Vereine und Kulturangebote.

Was da seit Montag im Rathaus verhandelt wird, gehört zu den wichtigsten Aufgaben einer Kommune überhaupt. Wie viel Steuern sind eingegangen, wie geht es den Firmen vor Ort und wie hat sich deren Auftragslage entwickelt, welche Zuschüsse zahlen Freistaat und Bund, wohin fließen in Kempten Millionen und wer geht wieder einmal leer aus: All das lässt sich am Haushalt ablesen, all das steht darin.
Regelmäßig füllen Tabellen, Aufstellungen und Budgetpläne einen ganzen Aktenordner, so auch heuer. Drei Zentimeter dick ist der Stapel aus weiß, orange, blau und grünen Papierausdrucken in diesem Jahr – und er hat es in sich.
Die Stadt macht nämlich so weiter wie bereits angekündigt: Sie spart einerseits bei der Verwaltung und mutet andererseits den Kemptenern Gebührenerhöhungen beim Parken, der Hunde- und Grundsteuer zu. Stichwort: Haushaltskonsolidierung – was übersetzt nichts anderes heißt als: Wenn die Stadt überhaupt weiter Geld ausgeben will, muss sie sich Spielräume dafür erkämpfen.
Erst recht angesichts der neuesten Steuerschätzungen, die weniger optimistisch ausfallen als noch vor einigen Monaten (etwa um zehn Prozent niedriger). Allein die Gewerbesteuer bringt wohl eine halbe Million Euro weniger in Kempten. Warum sich Einschätzung so verändert hat, blieb im Ausschuss zunächst unbeantwortet, dafür die Nachricht: Im kommenden Jahr soll es mit fast 40 Millionen Euro Gewerbesteuer immer noch drei Millionen Euro mehr gegeben als in 2016.
Als „entscheidenden Punkt“ bezeichnete Oberbürgermeister Thomas Kiechle den Kurs der vergangenen Monate, sonst „hätten wir jetzt schon erhebliche Schwierigkeiten“. Weshalb die Stadt bereits darüber nachdenkt, ob es künftig ein Investitions-Controlling geben soll: Nach dem Vorbild von Leipzig würden dann alle großen Ausgaben (mehr als 100.000 Euro) noch einmal abgefragt: Wie notwendig sind sie wirklich, geht es vielleicht anders günstiger, stimmt das Konzept überhaupt?
Wie kann es angesichts dessen sein, dass die Stadt nun Strafzinsen zahlen soll? Das liegt daran, dass Kempten nicht nur Schulden macht und Immobilien und Grundstücke besitzt, sondern offenbar auch über ausreichend Geld für kurzfristige Investitionen verfügt. Genauer gesagt: Sie ist derart liquide, dass sie zu den 600 Konteninhabern gehört, die ab Januar bei der Sparkasse Allgäu Negativzinsen zahlen müssen.
Hinter vorgehalter Hand hieß es deshalb bereits: Da könne die Stadt ihr Geld ja gleich in einen eigenen Tresor legen oder es einfach ausgeben, statt es bei der Bank anzulegen. Die Europäische Zentralbank dürfte es freuen, schließlich haben ihre Negativzinsen genau dieses Ziel. Das Geld der Sparer soll fließen, nicht geparkt werden.