Sie ist nur klein, die Lautsprecherbox des Klassenzimmers der 4c. Trotzdem zischt aus ihr das Geräusch eines tobenden Sturms, als würde er draußen vor den Fenstern wüten. Langsam wird das Zischen lauter. Dazwischen, noch etwas weiter weg, grollt es. Dann ertönt ein Schlag. Donner. Einige Schüler zucken zusammen, andere schlagen sich erschrocken die Hände vor den Mund. Vorne an der digitalen Tafel lacht ihnen das Schwarz-Weiß-Bild des italienischen Komponisten Antonio Vivaldi entgegen. Später dürfen die Kinder selbst auf die Tafel schreiben.
So geht es zu im Musikunterricht der Buchloer Comenius-Grundschule. Lehrer und Schulleiter Georg Heinecker bespricht gerade den Frühling aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Immer im Einsatz: Technik. Egal ob die digitale Tafel, der Lautsprecher oder ein Tablet – Heinecker bedient sich vieler Medien, um den Schülern etwas beizubringen. Die Kinder sollen und dürfen auch selbst mit der Technik aktiv werden. Das zeichnet seine Schule aus. Seit 2012 ist sie „Referenzschule für Medienbildung“ und seit Beginn des aktuellen Schuljahres auch Modellschule für das Projekt „Digitale Schule 2020“ der Stiftung Bildungspakt Bayern.

Die Comenius-Grundschule ist eine von acht bayerischen Schulen, die Konzepte erproben sollen, um „digitale Medien und Werkzeuge beim Lernen und Arbeiten in der Schule gewinnbringend zu nutzen“. So erklärte es Bildungsstaatssekretär Georg Eisenreich (CSU) bei der Bekanntgabe der Modellschulen Ende März. Jeweils zwei Grundschulen, Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien sind bei dem Versuch dabei. Bis ins Jahr 2020 haben die Schulen dafür Zeit.
Anschließend sollen diese Konzepte allen anderen Schulen zur Verfügung stehen. Um das zu schaffen, gehören in Buchloe neun Lehrer zum Digital-Team. Das stecke allerdings noch in der Anfangsphase, wie Projektleiterin Stefanie Schmiedl sagt. Derzeit werden die Lehrer in bestimmten Abständen vom Kultusministerium geschult. Ab dem kommenden Schuljahr soll es dann an die Umsetzung gehen.
Der Comenius-Grundschule kommt dabei zugute, dass sie technisch schon gut ausgestattet ist. In fast allen Klassenzimmern hängen digitale Tafeln, es gibt Laptop-Wagen, einen Computerraum und ab kommendem Schuljahr auch eine Tablet-Klasse, in der für jeden Schüler ein eigenes Tablet bereitliegen soll. So eine technische Ausstattung bekommt man nicht von heute auf morgen: „Schon in den 2000er Jahren haben sich Kollegen gedacht: Solche digitalen Tafeln wären doch mal was“, erklärt Schulleiter Heinecker. Anschließend waren immer mehr Geräte dazugekommen.
Die digitale Welt hat Gefahren. Deshalb ist es wichtig, von Anfang an den richtigen Umgang zu lernen. Schulleiter Georg Heinecker
Wohl auch deshalb fragte die Stiftung Bildungspakt vor einem Jahr nach, ob Georg Heinecker und seine Kollegen am Modellversuch teilnehmen möchten. „Die digitale Welt hat Gefahren. Deshalb ist es wichtig, von Anfang an den richtigen Umgang zu lernen“, erklärt Heinecker seine Entscheidung, mitzumachen.
Nicht nur den richtigen Umgang mit der digitalen Welt lernen die Kinder, auch im Unterricht hilft ihnen die Technik, davon ist Lehrerin Tanja Hennig überzeugt: „Die Kinder können so viel individueller gefördert werden.“ Das zeigt sich zum Beispiel im Fach Mathe. Während ein schneller Kopfrechner im normalen Unterricht schnell gelangweilt ist, weil er mit den Aufgaben schon durch ist, geht es in den Lern-Apps einfach weiter. Ein Schüler, der in der gleichen Zeit weniger Aufgaben lösen kann, hat dafür mehr Zeit. Das helfe vor allem bei Kindern mit geringen Deutschkenntnissen, die dem Unterricht nicht so leicht folgen können, erklärt Georg Heinecker. Die Apps, die im Unterricht zum Einsatz kommen, wählt die Schule selbst aus.
Ich finde es toll, dass wir das in der Grundschule machen. Dann kann ich Dinge besser verstehen. Grundschülerin Lisa Marie (9).
Doch nicht immer kommt der Einsatz von Apps gut an. Die Eltern der Schüler seien zwar überwiegend daran interessiert, ihre Kinder in einer der digitalen Klassen anzumelden, sagt Stefanie Schmiedl. Trotzdem gebe es auch Vorurteile: „Viele sagen, ihre Kinder sitzen schon zu Hause oft vor Bildschirmen, warum sollen sie das dann auch noch im Unterricht tun?“, sagt Tanja Hennig. Doch dem widerspricht sie. „Es ist eben eine neue Kulturtechnik wie früher der Füller.“ Und deren Umgang sollten die Schüler lernen. Die Freizeit sei dann dafür da, draußen zu spielen und Dinge zu tun, die im Unterricht nicht gingen.
Georg Heinecker stimmt dem zu, die Technik sei ohnehin nur eine Ergänzung des Unterrichts. Die Schüler schreiben trotzdem auf Papier, im Musikunterricht wird gesungen und nach draußen gehen die Lehrer mit den Kindern auch.
Bei der 4c kommt das prima an, die Kinder reißen sich darum, etwas auf die Tafel schreiben zu dürfen. „Ich finde es toll, dass wir das in der Grundschule machen“, sagt die neunjährige Lisa Marie. „Dann kann ich Dinge besser verstehen.“ Ihre Mitschüler nicken eifrig.