Vordergründig dreht sich dieser Streit nur darum, wie eine Hausfassade im Memminger Westen aussehen muss. Doch diese Auseinandersetzung rührt an grundsätzliche Fragen: Wie stark soll eine Verwaltung darauf Einfluss nehmen, wie ein Bauherr sein Zuhause gestaltet? Wo soll die Grenzlinie verlaufen zwischen gestalterischer Freiheit und Reglementierung? Im konkreten Fall wird darüber gestritten, ob eine Fassade eine Beton-Optik haben darf. Auch das Verwaltungsgericht hat sich bereits damit beschäftigen müssen.

Es geht um ein Wohnhaus in der Memminger Glockengießerstraße. Vor zweieinhalb Jahren hatte sich der Bausenat des Stadtrats gegen eine Sichtbeton-Fassade ausgesprochen. "Das sieht aus wie eine Müllverbrennungsanlage", hieß es unter anderem in dieser Sitzung. Laut dem städtischen Baureferatsleiter Fabian Damm gibt der Bebauungsplan einen Putz vor. Alexander Nägele hat aber eingewandt, dass der Plan aus dem Jahr 1964 schon an anderer Stelle aufgeweicht worden sei. Er ist der Architekt des Hauses.
Bebauungsplan
Inhalt
Im Bebauungsplan legen Kommunen fest, ob ein bestimmtes Areal bebaut werden darf und wie diese Bebauung auszusehen hat. Dabei kann es sich etwa um Wohnhäuser, Gewerbebauten oder Sport- und Spielflächen handeln.
Einwände
Bevor ein Stadt- oder Gemeinderat einen Bebauungsplan verabschiedet, können Behörden, Verbände oder Privatpersonen ihre Einwände vortragen. Der Stadtrat ist allerdings nicht verpflichtet, sich danach zu richten.
Einigung vor Gericht - oder doch nicht?
Der Fall landete schließlich vor dem Verwaltungsgericht. Dort wurde im Jahr 2015 vereinbart, dass das Wohnhaus eine sogenannte Putzschlämme bekommt. "Dabei handelt es sich um einen etwas dünneren Putz, der nicht so dick aufträgt", erläuterte Damm damals gegenüber unserer Zeitung. Zudem verständigte man sich darauf, dass die Garage des Einfamilienhauses ihre Betonfassade behalten darf. Eine Vertreterin des Verwaltungsgerichts sprach davon, dass eine Einigung erzielt worden sei.
Doch dann ist es ganz anders gekommen. In einem Schreiben vom April, das der Memminger Zeitung vorliegt, droht die Stadt dem Hausbesitzer mit "kostenpflichtigen Zwangsmaßnahmen". Die Verwaltung moniert, dass die Fassade immer noch nicht mit einem "deckenden, umfassenden und sichtbaren Putz" versehen sei.

Wenn man von "kostenpflichtigen Zwangsmaßnahmen" spreche, handle es sich um die Androhung einer Geldbuße, erläutert Damm. Eine solche Buße befreie den Bauherrn aber nicht von der Verpflichtung, das Haus zu verputzen. Bereits in einem Brief vom November 2016 hatte die Verwaltung moniert: "Die Betonstruktur ist sichtbar."
Der Bauherr schreibt dagegen an die Stadt, dass die Fassade mit Putzschlämme versehen worden sei. Man habe jene Art von Schlämme ausgewählt, die "uns am besten gefallen hat". Um dies zu untermauern, legte der Bauherr die Rechnung eines Malerbetriebs vor. Er könne "gut nachvollziehen", wenn jemandem die Fassade nicht gefällt, sagt Architekt Nägele. "Aber wir leben in einer freien Gesellschaft."
Einzigartiger Fall
Die Fronten seien verhärtet, konstatiert Nägele. Er erwarte, dass Bauwerber gleich behandelt werden, betont der vielfach ausgezeichnete Architekt. Er kenne keinen Fall aus der Vergangenheit, in der sich die Verwaltung "in die Oberflächenstruktur eines Hauses eingemischt hat". Derweil hat die Verwaltung erneut einen Brief an den Bauherrn geschickt. "Zu gegebener Zeit werden Sie über weiteres schriftlich informiert werden", heißt es dort. Näher will sich Damm zu der aktuellen Entwicklung nicht äußern. Er verweist auf das "laufende Verfahren".
Schön oder nicht schön? Wer hat Recht: Die Verwaltung, die auf die Einhaltung des Bebbauungsplans pocht - oder der Architekt, der seine gestalterische Freiheit verteidigt? Schreib uns Deine Meinung unten ins Kommentarfeld!