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Münchner Sicherheitskonferenz: „Von nun an werden die Dinge anders sein und Europa muss sich daran anpassen“

Münchner Sicherheitskonferenz

„Von nun an werden die Dinge anders sein und Europa muss sich daran anpassen“

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    Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, während der 61. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC).
    Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, während der 61. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Foto: Boris Roessler, dpa

    Dass niemand auch nur im Ansatz denken sollte, Wladimir Putin sei es gelungen, sie oder zumindest ihren Willen zu brechen, den belehrt Julija Nawalnaja schon durch ihr Auftreten eines Besseren. Den Rücken gerade, der Blick entschlossen, die blonden Haare streng nach hinten gekämmt. Ein Jahr ist es her, seit ihr Mann Alexej Nawalny in einem russischen Straflager nahe dem Polarkreis gestorben ist. „Er wurde getötet von Putin“, stellt Nawalnaja klar. Doch das soll an diesem Wochenende in München gar nicht ihre Botschaft sein. Sie ist nicht hier, um sich Mitleid abzuholen. Im Gegenteil. Die Europäer können diesmal etwas von ihr lernen. „Wer mit Putin verhandelt“, sagt sie, „muss wissen: Er lügt, er spielt falsch, er zwingt euch, sein Spiel zu spielen.“ Der Westen solle sich keine Illusionen machen und vor allem nicht naiv sein. Sie kennt das System, das hinter dem Kreml steckt, sie macht sich gar nicht erst Illusionen, wie ein Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine aussieht. „Er wird einen Weg finden, die Vereinbarung zu brechen“, sagt die Regimekritikerin. „In zwei Jahren fängt er einen neuen Krieg an.“ Und der könnte dann Europa direkt treffen.

     Julija Nawalnaja ist Vorsitzende des Beirats der Anti-Korruptions-Stiftung.
    Julija Nawalnaja ist Vorsitzende des Beirats der Anti-Korruptions-Stiftung. Foto: Andreas Stroh, dpa

    Es ist auch die Mahnung, mit der der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Verbündeten aufrütteln will bei seinem Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Seine Geheimdienste hätten ihm berichtet, dass Putin im Sommer Truppen in seinen Vasallenstaat Belarus schicken wolle. „Vielleicht sind diese Truppen für Sie bestimmt“, raunt Selenskyj. Schon einmal habe der Kreml versucht, die europäischen Gesellschaften zu destabilisieren, indem er über die Route Belarus Migranten in Richtung EU geschickt habe. „Was ist mit Ihren Streitkräften, sind sie bereit?“, fragt Selenskyj. Europa, das ist die Kernbotschaft dieses hochrangigen Sicherheitstreffens in der bayerischen Landeshauptstadt, muss endlich erwachsen werden.

    Hat Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2023 eine deutsche Zeitenwende ausgerufen, die neue amerikanische Regierung könnte nun dem ganzen Westen eine zweite Zeitenwende aufzwingen. „In Washington ist ein neuer Sheriff in der Stadt“, hatte Trump-Vize J.D. Vance am Freitag klargemacht. Und auch Selenskyj stellt am Samstag klar: „Von nun an werden die Dinge anders sein und Europa muss sich daran anpassen.“

    Selenskyj fordert auf der Münchner Sicherheitskonferenz europäische Armee

    Wie diese Anpassung aussehen könnte, davon hat der ukrainische Präsident eine klare Vorstellung: Er fordert den Aufbau einer europäischen Armee – ein Projekt, über das seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten diskutiert wird. Umgesetzt wurde es nie. „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen“, sagt Selenskyj. „Unsere Streitkräfte allein reichen nicht aus.“ Diese sollten die Nato nicht ersetzen, es gehe darum, den europäischen Sicherheitsbeitrag dem amerikanischen gleichzusetzen. Denn eines sei auch klar: „Präsident Trump mag keine schwachen Partner.“ Für Selenskyj dürfte eine europäische Armee auch so etwas wie ein Sicherheitsnetz für das eigene Land sein, denn US-Präsident Donald Trump hatte zuletzt einen Nato-Beitritt Kiews selbst nach einem Friedensschluss ausgeschlossen.

    Der Weg hin zu einem neuen Europa dürfte für die Länder schmerzhaft werden. Und vor allem teuer. Allein für das Zwei-Prozent-Ziel seien insgesamt 85 bis 90 Milliarden Euro nötig, rechnete Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Bühne vor: „Jedes weitere Prozent, das wir zusätzlich für unsere Verteidigung ausgeben, entspricht nach jetzigem Stand noch einmal 43 Milliarden Euro mehr pro Jahr.“

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuvor bereits angekündigt, sie wolle über die Aktivierung einer Sonderklausel zu den europäischen Schuldenregeln höhere Verteidigungsausgaben ermöglichen. „Ich werde vorschlagen, die Ausweichklausel für Verteidigungsinvestitionen zu aktivieren“, verspricht sie. „Dies wird es den Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre Verteidigungsausgaben erheblich zu erhöhen.“ Allein: Der Schritt könnte zu spät kommen. Im Gespräch zwischen Trump und Putin jedenfalls fand Europa noch nicht einmal eine Erwähnung.

    Wie umgehen mit Trump und Putin? Europa ringt um Worte

    Die Europäer ringen unterdessen um möglichst eindrucksvolle Worte. „Wir müssen unsere Hausaufgaben machen, und zwar schnell“, sagt die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. „Machen wir genug – offensichtlich nicht“, bekennt Ulf Kristersson, Premier von Schweden. „Wenn wir jetzt nicht den Weckruf hören, ist es vielleicht zu spät“, sagt CDU-Chef Friedrich Merz. „Es ist ein bisschen wie eine kalte Dusche“, klagt Petr Pavel, tschechischer Präsident. Selenskyj wird deutlicher. Manche in Europa seien vielleicht frustriert mit der EU in Brüssel. „Aber lassen Sie uns ganz deutlich sein: Wenn es nicht Brüssel ist, dann ist es Moskau!“

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