"Bereits am vergangenen Donnerstag bis Montag, 19.09.2019 bis 23.09.2019, entsorgte eine bislang unbekannte Person 16 Autoreifen, sowie sechs Fässer gefüllt mit Altöl in einem Maisfeld zwischen Heimertingen und Niederrieden neben der B300." ...
Pressemeldung der Polizei, 24.09.2019
Fridays for Future. CO2-Steuer. Klimapaket. Greta Thunberg ...
Manch einer verdreht jetzt vielleicht genervt die Augen. Die Klima-Debatte ist derzeit allgegenwärtig und bestimmt die Schlagzeilen. Längst wird oft nicht mehr sachlich argumentiert - Emotionen beherrschen das Thema und vergiften die Atmosphäre wie das CO2 aus den Fliegern, mit denen die Politiker jüngst zum UN-Gipfel in die USA reisten.
Gelebter Naturschutz geht anders. Er ist nicht abstrakt, findet nicht in Debatten in Berlin oder New York statt. Sondern vor unserer Haustüre.
Ernst Pfeiffer ist einer von sechs ehrenamtlichen Naturschutzwächtern im Landkreis Unterallgäu. Im Auftrag der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt in Mindelheim kontrolliert er ein rund 300 Quadratkilometer großes Gebiet (!) im nordwestlichen Unterallgäu. Für seinen herausragenden Einsatz wurde er 2009 als bayerischer Naturschutzwächter des Jahres ausgezeichnet.
allgaeu.life begleitet den 65-Jährigen auf einer Tour. Pfeiffer hat sich eines seiner Lieblingsgebiete ausgesucht: den Leinhang bei Heimertingen. Unweit von hier wurden zu Wochenbeginn sechs illegal entsorgte Altöl-Fässer (siehe Polizeimeldung oben) gefunden. Und auch bei unserer Fahrt zum Leinhang entdecken wir am Wegesrand einen großen Plastiksack mit Abfällen (hier noch ein schlimmes Beispiel).

"Es vergeht kaum eine Woche, in der hier nicht irgendeiner seinen Dreck herwirft", sagt der Rentner. Warum machen Leute das? - "Ich weiß es nicht: Heutzutage hat fast jede Gemeinde eine Grüngutsammelstelle für Gartenabfälle. Es gibt Wertstoffhöfe, Sperrmüll-Container und vieles mehr. Ob die Leute es dorthin bringen oder an eine abgelegene Stelle in freier Natur, macht für sie eigentlich keinen Unterschied. Hierher müssen sie ja auch erst mit dem Auto fahren..." Pfeiffer zuckt mit den Schultern.
Den Leinhang bei Heimertingen hat er sich aus gutem Grund ausgesucht. "Das hier ist ein hochsensibler und wichtiger Biotop-Bereich." In dem ehemaligen Kiesabbaugebiet wächst der Gelbe Lein. Dessen Vorkommen ist in Deutschland stark gefährdet, nur noch wenige hundert Pflanzen existieren. Naturliebhaber wie Ernst Pfeiffer tun alles, um seine Art zu erhalten - bei Heimertingen haben sie durch ihre Pflege ein Biotop erschaffen, an dem es bis zu 600 verschiedene Pflanzenarten gibt.

"Leider gibt es auch Menschen, die hier gerne Rallye fahren", sagt der Naturschutzwächter. Bei seinen Kontrollgängen entdeckte er meterbreite Reifenspuren an dem steilen Hang. Erwischt er die Verursacher auf frischer Tat, schreitet er ein.
Der Naturwächter will vermitteln, erklären
"Das reicht von solchen Undingen bis hin zu vermeintlichen Bagatellen. Etwa wenn jemand beim Spaziergang gedankenlos sein Schnäuztuch wegwirft." Pfeiffer geht auf die Leute zu, erklärt ihnen ruhig, freundlich, aber bestimmt die Folgen ihres Tuns. "Ich bin kein Polizist und laufe auch nicht mit erhobenem Zeigefinger auf jemanden zu." Der Naturliebhaber will vermitteln, erklären. "80, 85 Prozent zeigen sich dann einsichtig." Und wenn nicht? "Ich darf Personalien aufnehmen. Oder wenn jemand das Weite sucht, kann ich das Kennzeichen notieren. Dann melde ich den Fall dem Amt, das ein saftiges Bußgeld verhängen kann."
Nur einmal geriet er selbst in eine brenzlige Situation, als er eine illegale Grillparty am Waldesrand auflösen musste. "Plötzlich hatte sich ein großes, aggressives Rudel um mich gebildet. Doch auch da wusste ich mir zu helfen", erzählt der leidenschaftliche Jäger schmunzelnd.
Gerade vermeintliche Nichtigkeiten könnten in der Natur große Auswirkungen haben. "Leute werfen ihre Gartenabfälle auf die Wiese und erzählen mir dann: 'Das verrottet doch eh alles.' Samen, die hier nicht hergehören, können aber zur Florenverfälschung beitragen und dann bekommen wie Probleme wie vor Jahren mit dem Drüsigen Springkraut."

Pfeiffer ist gelernter Gärnter, arbeitete über 30 Jahre lang bei der Firma "Pflanzen Kutter" in Memmingen. "Die Natur war schon immer mein großes Hobby", sagt er. In all den Jahren hat er sich ein schier unendliches Wissen zur Flora und Fauna angeeignet. Obwohl es bereits Herbst ist, blühen bei unserem Besuch noch einige Gewächse und Kräuter - vom Thymian über die Schafgarbe bis hin zum Spitzwegerich. Zu allen hat er eine Geschichte parat. "Wenn Dich eine Biene gestochen hat, reibe den Stich mit Spitzwegerich ein."
Später, als uns die Runde über die Memminger Ach hinunter durch den Auwald in Richtung Iller führt, streicht er mit bloßen Händen über ein großes Brennnesselgewächs. "Da machen die Kinder auch immer große Augen. Der Trick ist, entgegen der Brennhaare zu streichen." Neben Kontrollgängen gehören Führungen und Schulungen für Vereine, Schulklassen oder Kindergruppen zum zweiten Aufgabengebiet des Naturschutzwächters. "Das macht mir viel Freude. Kinder sind neugierig und saugen auf, was man ihnen erzählt."
Ich gehe mit offenen Augen durch unsere Natur. Wenn ich einen Weg 100 mal gehe, entdecke ich dabei 100 mal etwas Neues.Ernst Pfeiffer
Seinen Rat in Naturschutzfragen hat er aber auch für Erwachsene parat. "Am meisten habe ich mit Landwirten zu tun", erklärt der Winterrieder seine dritte Kernaufgabe. Dabei herrsche allerdings nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen. Pfeiffer erinnert sich an emotionale Diskussionen mit einigen Bauern. "Oft geht es um alte, ausgediente Gerätschaften, die irgendwo in Feld und Flur versteckt werden." Dennoch legt der Naturschutzwächter Wert darauf, dass er die Unterallgäuer Landwirte keineswegs kontrolliert. "Es ist ein Miteinander. Ein Landwirt arbeitet jeden Tag in der Natur - da entstehen zwangsläufig Situationen, die geklärt werden müssen."
Seine Aufgabe sei es, im ständigen Dialog mit den Bauern zu sein. "Wenn es irgendwo einen Konflikt gibt, schickt die Behörde gerne mich hin. Sie wissen, dass ich gut mit Landwirten reden kann."
Im Landratsamt in Mindelheim hält man nicht nur deshalb große Stücke auf den dienstältesten Naturschutzwächter der Region. Inzwischen hat Pfeiffer auch die Aufgaben als Biberberater des Landkreises übernommen (gibt's auch im Ostallgäu, wie wir hier berichten).
Fünf weitere Jahre will er seine Ehrenämter noch ausführen. "Dann bin ich 70. Nach 30 Jahren im Dienst denke ich, dass ich unserer Natur dann gut gedient habe."