In Solingen ersticht ein Mann drei Menschen, in München schießt ein Täter auf das NS-Dokuzentrum und das Generalkonsulat Israels: Kurz vor dem Oktoberfest mit Millionen Besuchern sorgen mutmaßlich islamistische Terrortaten für Unruhe - das Fest startet nun mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen.
An den Eingängen werden erstmals stichprobenartig und verdachtsabhängig Hand-Metalldetektoren eingesetzt. Die Mediengruppe Merkur/tz hatte darüber berichtet. "Wir werden sicherlich mehr Ordner haben", sagte der Festleiter und Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) der Deutschen Presse-Agentur weiter. "Wir werden sicherlich auch einzelne Abtastungen sehen." Ebenfalls stichprobenartig und verdachtsabhängig.
Kontrollen an den Eingängen und hohe Polizeipräsenz gehören seit langem zum ausgeklügelten Sicherheitskonzept für die Wiesn, die als größtes Volksfest der Welt gilt. Sie beginnt am 21. September und dauert bis 6. Oktober.
Bedrohungslage nicht anders als bundesweit
"Für Bayern und die Wiesn 2024 liegen uns derzeit keine konkreten Gefährdungshinweise vor. Die abstrakte Gefährdungslage durch den islamistischen Terrorismus ist aber sehr hoch", sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Vor allem der Nahost-Konflikt, der weiter zu eskalieren droht, verschärft das Gefährdungspotential, auch durch die Terrormiliz Islamischer Staat." Die Sicherheitsbehörden seien höchst wachsam, jedem Hinweis werde akribisch nachgegangen.
"Momentan gibt es keine Erkenntnisse der Polizei, dass das Oktoberfest einer besonderen Bedrohung ausgesetzt ist", sagt auch Baumgärtner. Die Wiesn zähle zu den sichersten Volksfesten. Aber: "Wir stoßen an Grenzen, absolute Sicherheit gibt es nicht. Es ist immer noch ein Volksfest, das offen ist für jedermann."
Ähnlich äußerte sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der am 21. September das Fest eröffnet. "Natürlich werden wir alles tun, um die Wiesn-Besucherinnen und -Besucher bestmöglich zu schützen."
Erfahrung mit Terrorsorgen vor der Wiesn
Die Münchner haben Erfahrung mit Terrorwarnungen vor dem Oktoberfest. 2009 hatten islamistische Drohungen Behörden und Wiesnfans aufgeschreckt. Nach einem Video des Terrornetzwerks Al-Qaida mit Wiesn-Bezug wurde das Festgelände eilig mit Lastwagen gegen Angriffe gesichert. Damals wurden Sperrringe gezogen, die bis heute Gültigkeit haben. Etwa dürfen nur Anwohner mit dem Auto in die Zone um das Festgelände fahren.
2016 und 2017 wurden die Vorkehrungen nach Lastwagen-Anschlägen in Nizza, Berlin London und Barcelona weiter angepasst. Seit 2016 ist das Gelände komplett umzäunt.
Die Zufahrten versperren inzwischen Poller und Pflanzenkübel aus Beton - die mit bunten Blumen eher sogar den fröhlichen Charakter des Fests unterstreichen.
2017 beschloss der Stadtrat als Konsequenz aus Lkw-Anschlägen, dass sämtliche Fahrer und Mitfahrer der Lieferwagen für das Fest einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. In Stichproben werden die Fahrzeuge kontrolliert, die täglich Wagenladungen von Brezen, Würsten und anderen Schmankerln für Zehntausende Gäste herankarren.
Taschen und Rucksäcke mit mehr als drei Litern Volumen dürfen nicht mitgenommen werden. Messer und Glasflaschen sind verboten. Über dem Gelände gelten Flugverbote, auch für Drohnen. Mehr als 50 Videokameras helfen bei der Überwachung. Polizeibeamte sind mit Bodycams unterwegs.
Spagat zwischen Sicherheit und Feiern
Rund 600 Polizisten und an die 2200 Ordner waren im Vorjahr im Einsatz. Zahlen für dieses Jahr wollen Polizei und Kreisverwaltungsreferat Mitte nächster Woche vorstellen.
"Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie gut der Spagat zwischen hohem Sicherheitsniveau und ausgelassenem Feiern gelingen kann", sagt Innenminister Herrmann dazu. "Wir dürfen jedenfalls den Terroristen nicht auf den Leim gehen. Denn das Hauptziel von Anschlägen ist, in der westlichen Welt für Verunsicherung zu sorgen und uns in unserer freiheitlichen Lebensgestaltung zu beeinträchtigen."
Gästezahlen sanken nach Terrortaten
Fast immer sanken in Jahren mit Terrorsorgen die Besucherzahlen deutlich unter die Sechs-Millionen-Marke. 5,5 Millionen waren es laut Statistik der Stadt 2001 nach den Anschlägen vom 11. September in New York; 5,7 Millionen kamen im Jahr der Al-Quaida-Drohung 2009; 5,6 Millionen waren es 2016.
Noch weniger Besucher kamen nur 1980, als die Bombe eines Rechtsextremisten zwölf Besucher und den Täter in den Tod riss. Damals negierten die Behörden den Terror-Hintergrund. Die Spuren waren am nächsten Tag beseitigt - es wurde einfach weiter gefeiert. Manchen schreckte die Tat wohl doch: Die Gästezahl lag mit 5,1 Millionen so niedrig wie nie mehr danach.
Für dieses Jahr rechnet Wiesnchef Baumgärtner nicht mit weniger Gästen. "Ich glaube nicht, dass es sich auf die Besucherzahlen auswirkt, das würde man jetzt schon bei potenziellen Stornierungen sehen." Es könnten vielmehr nicht alle Reservierungswünsche erfüllt werden. "Die Wiesn ist dieses Jahr überbucht. Das ist ein Zeichen genau für das Gegenteil."