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So schaut's aus, wenn die Römer kommen!

Großes Fest in Kempten

So schaut's aus, wenn die Römer kommen!

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    Sonne + Stahlhelm = zieeeeemlich heiß! Trotzdem gab's packende Schaukämpfe im APC.
    Sonne + Stahlhelm = zieeeeemlich heiß! Trotzdem gab's packende Schaukämpfe im APC. Foto: Ralf Lienert

    Der Kaiser kommt! Das ist natürlich erfunden. Ob Vespasian, Imperator des Römischen Reiches von 69 bis 79 nach Christus, jemals in Kempten war, ist nicht belegt. Aber ein toller Aufhänger für das Römerfest ist es allemal. Darstellergruppen aus ganz Europa stellen das Leben in der Römerzeit dar – vom Alltagsleben bis zum Gladiatorenkampf.

    Die Mischung aus Infotainment und Action kommt an. Und so tauchen trotz der Hitze am Wochenende grob geschätzt 6000 Besucher – deutlich mehr als erwartet – im Archäologischen Park Cambodunum (APC) für zwei Tage in die provinzialrömische Antike ein.

    Römerfest Cambodunum Kempten - APC - Archäologischer Park Cambodunum -  Theater: Spiele für den Kaiser mit Richard Aigner
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    32 Bilder

    Historische Spektakel sind in – vom Salzzug auf der Via Salina bis zu Burgfesten mit Ritter-Keilerei. Ob alles so stimmt, wie’s damals wirklich war, spielt nicht immer eine große Rolle. Wie halten es die Veranstalter des Römerfests mit der Authentizität? „Sehr genau“, sagt Stadtarchäologin Dr. Maike Sieler – aber nicht verbissen: Der Kaiserbesuch ist zwar fiktiv. Aber der Imperator war reisefreudig, außerdem hatte er Verwandte in der nahen Schweiz.

    „Da wird er wohl mal hier vorbeigeschrammt sein“, spekuliert Sieler. Auf Vespasian hatte sich das APC-Team festgelegt, weil er für die Entwicklung der römischen Siedlung an der Iller bedeutsam war. Nach unruhigen Zeiten hatte der Imperator eine Phase der Stabilität angeschoben. Provinzstädte blühten auf. Das lässt sich auch in Kempten datieren, erklärt Sieler: Das Forum wurde umgebaut, die Großen Thermen errichtet; Gebäude, vorher aus Holz, wurden nun in Stein ausgebaut. Das nützt auch dem modernen Kempten: „Sonst wär’ hier im APC ja gar nicht so viel zu sehen.“

    Locker nimmt man es beim Theaterstück, in dem sich Vespasian (Richard Aigner) und Statthalter Porcius Septimus (Karl Christe) über die Geschichte und die moderne Stadtpolitik lustig machen. Und dafür, dass Cambodunum vor allem eine zivile Siedlung war, ist fast etwas viel Militär vor Ort. Aber ein Römerfest ohne Legionäre? „Das versteht doch kein Mensch!“, sagt Sieler.

    Warm? Ganz schön!

    Garnisonsstadt war Kempten erst in der Spätantike. Soldaten waren aber auch vorher da, erfüllten Polizeiaufgaben, dienten dem Statthalter als Leibwache – und schmorten im Sommer damals wie heute in ihren Rüstungen: Zwölf Kilo wiegt sein Spangen-Harnisch, beschreibt Alexander Seyrer von der Gruppe Ballistarii Camboduno, weitere 7,5 der viereckige Schild. „In echt war’s noch mehr“, sagt Seyrer mit kontrollierter Leidensmiene: Aus modernem Stahl maschinengewalzt kriegt man die Blechplatten der Rüstung recht genau auf erträgliche zwei Millimeter Stärke.

    Ob das ein antiker Schmied so präzise hinbekommen hat, bezweifelt der Darsteller: „Und dann wird’s schnell schwerer.“ Leichter haben es in Stoffrüstungen die kleinen Römer, die überall auf dem Gelände mit Holzschwertern herumfuchteln, wenn sie nicht bei der Schaugrabung buddeln, beim Römerquiz ihr Wissen schärfen oder Knochen schnitzen. Das alles gefällt den Besuchern: „Echt toll, sehr informativ“, sagt Gerold Bodenmüller aus Leutkirch. „Der Aufwand ist beeindruckend“, lobt seine Frau Rosina. Ihr Sohn Paul (7) seit Jahren Römer-Fan, hat seine Rüstung mitgebracht, Schwert und Schild im APC neu gekauft, ein Medaillon selbst gehämmert. Mit seinem Cousin Valentin (8) ficht er Kämpfe in der Arena aus, wenn die großen Gladiatoren Pause machen.

    Schaukämpfe gab es in Städten wie Cambodunum mit 3500 bis 5000 Einwohnern, sagt Sieler: „Das ist realistisch, auch wenn es in Kempten keine Belege gibt.“ Die Arenen waren oft mobile Anlagen aus Holz. Das APC-Team hat Wert darauf gelegt, das auch die Action wissenschaftlich fundiert dargestellt wird. Wenn er nicht selbst als Retiarius Netz und Dreizack schwenkt, erläutert Gladiatoren-Chef Mark Schrader Technik und Hintergründe.

    Hau ihm in die Fresse...!

    Was das Publikum keineswegs langweilt: Immer wieder verwickeln Besucher die Darsteller in Gespräche. Authentisch wirkt sogar, wie begeistert die Zuschauer die Kämpfer anfeuern: „Hau’ ihm in die Fresse, Numidier!“ dürfte auf Latein ganz ähnlich geklungen haben.

    Von der Schreibstube bis zum Landvermesser bietet das Römerfest Wissenswertes wohlportioniert und verständlich dar. Originalgerichte gibt es vom Linsengericht bis zum Brot – detaillierte Rezepte sind überliefert.

    Wein kommt aus der Partnerstadt Bad Dürkheim, wo die Römer tatsächlich Reben anbauten. Original sind die Sagen, die Annika Hofmann vorträgt, original die Knochensplitter, an denen Archäozoologe Dr. Simon Trixl wissbegierigen Kindern erklärt, welche Haustiere die Römer hielten. Aus Originalton sind Repliken der Terra Sigillata, des Massengeschirrs der Antike, originalgetreu Flöten und Leiern, mit denen Albin Paulus (der heißt wirklich so) die Besucher unterhält: Von den Griechen sind Melodien überliefert – über römische Volksmusik weiß man wenig. Da muss der Musikus spekulieren.

    Funktioniert hat auch das Verkehrskonzept. Zwar lässt die Polizei einige Autos abtransportieren, deren Fahrer das Halteverbot ignorieren. Das Park & Ride-Angebot mit Pendelbussen aber wird breit angenommen, sagt APC-Chefin Sieler – rundum zufrieden mit dem Fest.

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