Verkleidete Schulkinder und ihre Lehrerin ziehen 1948 im Fasching mit einem Leiterwagen in Engetried von Haus zu Haus, sagen Gedichte auf. Zur Belohnung gibt’s selbst gemachtes Fettgebackenes: freilich aus einem Teig mit einfachsten Zutaten - angesichts von Zeiten, in denen es nur das Nötigste gibt. 70 Jahre später ist im 600-Einwohner-Ort am Faschingssonntag kaum einer zuhause anzutreffen. Denn ein Großteil mischt laut Manfred Prexl beim Umzug mit, der alle zwei Jahre zehntausende Besucher anlockt.

Wenn der Präsident des Faschingsvereins vom Umzug und dessen Anfängen erzählt, scheint im Zeitraffer auf, wie sich der "Volkswandertag in Kostümen" zum Spektakel mauserte. Die Kostüme wurden besser, die Leiterwagen größer, irgendwann reihten sich Musikapellen und Pferdekutschen ein - ab den 1960er Jahren dann Traktoren und erste aufwendige Umzugswagen. 1968 nahm der frisch gegründete Faschingsverein die Sache in die Hand. Heute ist er Veranstalter eines Spektakels, bei dem rund 2.000 Teilnehmer, 40 Gruppen und mindestens sechs große Motivwagen durch Engetried und Markt Rettenbach ziehen.
Wettbewerb der Wagenbauer
Zeitplan:
Die Umzüge in Engetried finden alle zwei Jahre statt. Erste Pläne für die nächste Saison schmieden die Wagenbauer laut Manfred Prexl, Präsident des Faschingsvereins Engetried, bereits dann, wenn die Umzüge gerade über die Bühne gegangen sind. Im Juni oder Juli befassen sich die Gruppen dann nochmals intensiv mit den Entwürfen, ehe schließlich im Spätsommer und Herbst das Bauen beginnt.
Jury:
Die Bewertung der Wagen übernehmen sieben Preisrichter. So seien etwa ein Landwirt und ein Metallingenieur, aber auch künstlerische Berufe in der Jury vertreten, berichtet Prexl. Sie vergeben getrennt voneinander Punkte, die dann zum Endergebnis zusammengetragen werden.
Preisgeld:
Die Wagenbauergruppen erhalten laut Manfred Prexl je nach Aufwand ein Preisgeld, das sich für die erstplatzierte Gruppe etwa bei 1.000 bis 1.200 Euro bewege: "Das ist ein Bruchteil dessen, was die Gruppen reinstecken." Diese Förderung solle den Gruppen helfen, beim nächsten Mal wieder dabei zu sein, sagt Prexl. Das Geld hierfür stammt aus dem Teil der Einnahmen, die verbleiben, wenn der Verein seine Finanzen und Ausgaben ausgeglichen hat und nach Abzug einer Spendensumme für soziale Projekte.
Termin:
Zu sehen sind die Kreationen beim Umzug am Faschingssonntag ab 13.13 Uhr in Engetried und ab 14.44 Uhr in Markt Rettenbach sowie nochmals am Faschingsdienstag ab 14 Uhr in Engetried.
Was die Wagenbauer da präsentieren, sind wahre "Faschings-Straßenkreuzer" - laut Prexl bis zu 18 Meter lang und teils angetrieben von drei Notstromaggregaten. Ganz andere Dimensionen als früher haben auch die Sicherheitsvorkehrungen.
"Höher, länger, breiter"
Für eine Weile lautete die Maxime "höher, länger, breiter", erinnert sich Prexl, der selbst als Teenager mitwerkelte. Gebaut wurde, was die Straßenabmessungen hergaben - zum Nachteil mancher Dachrinne. Seit vier Jahren hat der Verein nun einen Experten des TÜV an der Seite, der Grenzen für die Gefährte absteckt und deren Sicherheit prüft. Räder an den Seiten, in die Zuschauerhände hineingeraten können, sind ebenso tabu wie Elemente über den Besucherköpfen, die herunterstürzen könnten. "Beim ersten Mal war der Experte sechs mal an jedem Wagen und musste bei einigem die Augen zudrücken. Inzwischen wissen wir, worum es geht. Insgesamt hat uns das gut getan", sagt Prexl.
Ich will mich nicht verkleiden, ich hasse Schunkeln und das Flieger-Lied.Manfred Prexl, Präsident des Engetrieder Fachingsvereins
Nicht nur der TÜV, auch Katastrophenschutz, Polizei, Landratsamt und Rettungsdienste sind mit im Boot. Prexl schildert eine weitere Änderung: "Vor zehn Jahren haben wir die Security noch selbst gestellt, jetzt macht das ein professioneller Sicherheitsdienst." Zudem werden Betonklötze als Schutz vor Anschlägen aufgestellt - wobei zu beachten ist, dass die Apotheke wegen des Notdienstes erreichbar sein muss.

Auch auf andere Weise will der Verein sicherstellen, dass die Besucher den Umzug unbeschwert erleben und "unterhalten, aber nicht angegrölt" werden. Alkohol ist für Teilnehmer verpönt, genauso wie Konfetti-Werfen. Prexl erklärt den Grund: "Konfetti ist oft beschichtet und gilt als Sondermüll. Das ist irre teuer zu entsorgen." Zum Regelwerk gehört auch, dass Lautsprecher nie direkt auf Zuschauer gerichtet sein dürfen. Anderswo vermisst Prexl solche Rücksichtnahme: "Wir waren bei Umzügen, da haut’s einem das Trommelfell weg." Er ist überzeugt vom Vorgehen des Vereins, auch wenn es schon vorkam, dass Gruppen mit dem Einwand "zu stressig, zu streng" absagten.
Doch neben der Gemeinschaft im Verein sind es gerade die anspruchsvolle Organisation, die Präzision, die der Umzug allen abverlange, die Prexl reizen. Eigentlich hat der 52-Jährige nämlich Tendenzen zum Faschingsmuffel: "Ich will mich nicht verkleiden, ich hasse Schunkeln und das Flieger-Lied." Ihn begeistern dafür Eindrücke wie der, den in den 1980ern ein Wagen zum Thema "Karneval in Venedig" hinterließ. "Eine alteingesessene Gruppe, die im Jahr vorher dort war, hat einen aufwendigen Wagen mit Original-Masken gestaltet. Danach hat der Umzug einen Quantensprung gemacht, in eine künstlerische Richtung." Schon 17- und 18-jährige Wagenbauer seien heute Perfektionisten und achteten auf Details: "Diese Wagen sind viel mehr als Schrauben, Nägel und Plastikfolie."