Breitbeinig steht Markus Söder in der Tür und wartet. Er wirkt ungeduldig, „vor fünf Minuten hieß es noch eine Minute“, flüstert ein Mitarbeiter und zuckt mit den Schultern. Zwei Minuten später fährt Ursula von der Leyens Wagen dann endlich auf dem Platz vor. Der bayerische Ministerpräsident setzt ein Lächeln auf, die Sonne brennt. „So warm hab ich’s ja noch nie in Brüssel erlebt“, sagt der CSU-Chef nach der Bussi-Bussi-Begrüßung zur EU-Kommissionspräsidentin. Allzu häufig schlägt Söder aber auch nicht in Brüssel auf. Seit seinem Amtsantritt war der Trip am Dienstag erst die zweite Reise mit seinem Kabinett ins Herz der Gemeinschaft – sie kamen im gecharterten Flieger. Und der Ministerpräsident brachte für den großen Kurzauftritt nicht nur seine Minister in die herrschaftliche EU-Vertretung des Freistaats mit, sondern auch eine Art „Pamphlet“, wie es hinter den Kulissen hieß, mit dem Titel „Bayerns Forderungen an Europa“.
Die Probleme seien drängend, erklärt Söder
70 Seiten, 100 Wünsche – an Selbstbewusstsein mangelt es Söder nicht. Wie stets bei solchen Gelegenheiten betonte er, Bayern sei „die siebtgrößte Volkswirtschaft in der EU, fast schon ein eigenständiger Staat“. Doch welches politisches Ziel hatte die Söder-Show in Europas Hauptstadt? Und warum jetzt? Die Probleme seien „drängend“, erklärte Söder und man wolle „nochmal Dampf, Druck“ machen sowie „Unterstützung anbieten“. Das klang dann doch eher nach Schaufensterpolitik.
Die Sitzung mit von der Leyen läuft noch keine zwei Minuten, da ist Söder beim „Deckel, der nicht abgeht“ angelangt. Eine dieser Sachen aus Brüssel, so lässt sich das verstehen, die das Volk nervt. Denn der Flaschenverschluss geht nicht mehr ab, weil die EU das so entschieden hat. Aber das ist nicht das einzige Ärgernis, das Söder umtreibt. „Wir haben einige Punkte.“ Und er legt los: Bodenüberwachungsrichtlinie, Lieferkettengesetz, Verbandsklagerecht, Beihilferecht, Detailvorschriften in der Landwirtschaft. Und vor allem immer wieder die überbordende Bürokratie. Ursula von der Leyen sitzt dem bayerischen Ministerpräsidenten gegenüber und lächelt freundlich, macht sich Notizen. Später wird sie sagen, Bayern könne Innovation wie kaum eine andere Region in Europa. Ihre Worte sind Balsam für die bayerische Seele. Da geht dann fast unter, dass es an diesem Dienstag weder Entscheidungen noch Zusagen gibt. Immerhin begrüßte von der Leyen, dass sich Bayern als Standort für eine der geplanten Gigafabriken für Künstliche Intelligenz beworben hat.
„Quick und easy“ ist das Motto für Söder an diesem Tag
Mit Blick auf den Zollstreit mit den Vereinigten Staaten forderte Söder „nicht die klassische europäische Philosophie – so kompliziert wie möglich – , sondern eher einfach und klar“. Söders Motto an diesem Tag: „quick und easy“, auch wenn es um einen Kompromiss für die Maschinenbaubranche, Automobil- oder Chemieindustrie geht. Wie Kanzler Friedrich Merz pochte er auf schnelle Zollabkommen, denn auch er rechnet nicht damit, „dass es gelingen kann, dass die Amerikaner alles zurücknehmen“. Aber es gelte, die Sonderabgaben „deutlichst zu reduzieren“. Handelspolitik fällt in die Zuständigkeit der EU-Kommission, die Behörde ringt aktuell mit Washington um eine Einigung. Dass denn auch ausgerechnet der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in den Vereinigten Staaten weilte und bei dem Termin mit von der Leyen fehlte, nannte ein Beobachter hinter den Kulissen „etwas schräg“. Was kann der Freie-Wähler-Chef mit seiner Werbetour in den USA ausrichten? Ein EU-Kommissionsbeamter verdrehte bei der Frage nur die Augen. Bayerns Zukunft werde „gerade auch in Brüssel entschieden“, sagte derweil der Chef der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber. Der CSU-Politiker nahm ebenfalls an einer Sitzung teil. Und hofft auf eine „noch stärkere Verzahnung“ von Land, Bund und Europa. „Wir brauchen Politik aus einem Guss“, so Weber. Auch deshalb müsse das „CSU-Team in Berlin, München und Brüssel durchstarten, gerade bei Sicherheit, Innovation und Landwirtschaft“.
Bei der Verteidigung ist Bayern ein zentraler Drehpunkt
Überhaupt Verteidigung, es war immer wieder Thema. Ein Drittel der deutschen Rüstungsproduktion läuft im Freistaat vom Band. „Mit über 45.000 Beschäftigten in der Verteidigungsindustrie ist Bayern ein zentraler Drehpunkt für die deutsche Verteidigungswirtschaft“, hieß es kürzlich von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Um die zu stärken, traf Söder zum Abschluss seiner Reise Nato-Generalsekretär Mark Rutte im Hauptquartier der Verteidigungsallianz. Auch da keine Entscheidungen, aber schöne Bilder. „Man spürt geradezu die Erleichterung, dass Deutschland seine Verantwortung wahrnimmt, dass Deutschland nach vorne geht beim Thema Verteidigung“, sagte Söder nach dem Termin. Und Bayern sei ein „Eins-A-Standort“. Hinter ihm wehten die Flaggen der 32 Nato-Mitgliedstaaten. Markus Söder wirkte zufrieden.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden