Erst Jesus, dann Caesar - und nun die Liebenden Romeo und Julia: Auf der berühmten Passionsbühne in Oberammergau wird auch in diesem Sommer gestorben. Regisseur Christian Stückl hat in der Pause zwischen den Passionsspielen mit William Shakespeare einmal mehr einen Klassiker inszeniert.
Das Liebespaar aus Verona wird von der Fehde zwischen den verfeindeten Familien zerrieben. Romeo gehört den Montagues an, Julia den Capulets. Ihre Liebe muss geheim bleiben - erst über dem Tod der beiden versöhnen sich die Familien.
Shakespeare im Lederjacken-Style
Die Gruppe junger Männer um Romeo kommt in Lederjacken daher, ein Moped knattert über die Bühne: Halbstarke, die nicht mit schlüpfrigen Machosprüchen sparen. Launig, mit Witz, bisweilen derb, in Alltagssprache und vom originalen Text merklich entfernt setzt Stückl das jahrhundertealte Stück in Szene und holt es in die Neuzeit.
Die Männer aus dem verfeindeten Hause Capulet tragen Anzüge: Rosa, Blau, heller Stoff - sie sind schließlich etwas Besseres. Die Frauen tragen quer- und längsgestreifte Gewänder und riesige lampenähnliche Hüte, wie man sie aus «Frühstück bei Tiffany» kennt und wie sie jüngst im Fasching nach dem Oimara-Hit «Wackelkontakt» angesagt waren (Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier).
Musiklehrerin als Sopran-Diva
Markus Zwink steuerte für Chor und Orchester teils selbst geschriebene Musik bei. Dazu gibt es im Solo die Sopran-Stimme von Julias Mutter (Maria Buchwieser), die im echten Leben Musiklehrerin ist.
In Verona zieht es Touristen zu Julias Balkon, unter dem Romeo sie angehimmelt haben soll. Der Oberammergauer Romeo greift zur Leiter, um nach bayerischem Brauch zu «fensterln»: Er besucht seine Julia übers Dach am Fenster. Romeo (Yannick Schaap) ist im echten Leben Dachdecker - und war laut Stückl vor der Premiere «den ganzen Tag auf dem Dach».
Schaap war in der Passion 2022 Apostel, Julia (Eva Norz) hatte unter anderem eine Rolle in Stückls «Julius Caesar» 2023.
Talentsuche für das nächste große Spiel
Einmal mehr holt Stückl, auch Intendant des Münchner Volkstheaters, aus den teils Laiendarstellern des oberbayerischen 5.000-Seelen Ortes Großartiges heraus. Viele Neue sind dabei, aber auch erfahrene Darsteller. Carsten Lück, Technischer Leiter des Münchner Volkstheaters, und in diversen Rollen bei der Passion erprobt, zeigt Julias Vater mit der Bandbreite väterlicher Gefühle.
Frederik Mayet, der Jesus von 2010 und 2022, ist als Romeos Vater sein Gegenspieler. Der zweite Jesus-Darsteller von 2022, Rochus Rückel, gibt Romeos Freund Mercutio. Der damalige Herodes, Benedikt Fischer, radelt salopp als Pater Lorenzo auf die Bühne. Er traut Romeo und Julia heimlich und hofft, so den Streit der Familien zu lösen.
Mit der Inszenierung sucht Stückl nicht zuletzt Nachwuchs-Darsteller für die Passion 2030, bei der nur Darsteller aus dem Ort mitwirken dürfen. Zuletzt hatten die Oberammergauer 2022 - wegen Corona zwei Jahre verspätet - ihrem jahrhundertealten Gelübde folgend das Spiel vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Christi gezeigt.


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