Was ist eine Schokoladen-Sommèliere?
Im Sommer 2018 schloss Birgit Heel ihre Ausbildung zur anerkannten Schokoladen-Sommelière ab. Im badischen Weinheim und in Köln lernte sie in Blockkursen alles rund um die süße Versuchung: "Ein zentrales Thema war, Schokolade sensorisch perfekt zu beschreiben", sagt sie und lässt den Reporter von allgaeuer-zeitung.de mit geschlossenen Augen schmecken und riechen. Der erkennt nicht mal den Duft von Vanille - obwohl er das Fläschchen direkt vor der Nase hält. "Irgendwie süß, aber könnte alles sein..."

Ein Schokoladen-Sommelier muss diese Expertise lernen und beherrschen. Ähnlich wie der viel bekanntere Wein-Sommelier ist er ein Profi auf seinem Gebiet und gibt sein Wissen an Kunden und Interessierte weiter. Nur geht es beim Schoko-Profi nicht um Rebsorten oder Anbaugebiete, sondern um die Herkunft des Kakaos, aktuelle Schokoladen-Trends, Verzehrempfehlungen und die Herstellung qualitativ hochwertiger Tafeln und Pralinen.
"Bewusstes Genießen liegt ja im Trend. Immer mehr Leute wollen wissen, wo ihr Essen und Trinken herkommt und was da drin ist. Das gilt natürlich auch für Schokolade", sagt Birgit Heel und verweist darauf, dass es in manchen Kakaoanbaugebieten noch immer Kinderarbeit gibt. Allein deshalb habe sie bei der Auswahl ihrer Zutaten strenge Maßstäbe.
Was macht eine Schokoladen-Sommelière?
Zu Beginn ihrer Schoko-Laufbahn gab die 46-Jährige Kurse an Volkshochschulen. Inzwischen bietet sie auf ihrer Homepage selbst zahlreiche Kursthemen an: Wildkräuter-Pralinen, (exotische) Frucht-Pralinen, vegane Pralinen, Pralinen bedrucken und viele weitere.
"Wir machen das in Kleingruppen von höchstens vier bis sechs Personen. Jeder lernt jeden Schritt, macht jeden Handgriff und jedes Rezept selbst. Im Anschluss dekorieren wir die Pralinen, zum Beispiel mit getrocknetem Blütenstaub, Rosenblättern oder Blattgold. Hinterher kann jeder seine Kreationen mitnehmen", erzählt Birgit Heel. Ihre Halbtages-, Ganztages- oder 2-Tages-Kurse finden in ihrer Schokoladen-Küche in Memmingen oder wahlweise in München statt. Später sollen weitere Kursorte dazu kommen.

Als zweites Standbein verkauft die Memmingerin Schoko-Spezialitäten aus ihrer Manufaktur. Pralinen oder Tafeln mit individueller Verzierung zum Geburtstag oder zur Hochzeit - oder mit dem Firmenlogo als Kundengeschenk. Klar, das kostet mehr als die Tafel Schoki aus dem Discounter, dafür bekommt man handgemachte Leckereien mit nachhaltigen Zutaten. "Die Schachtel Pralinen aus dem Supermarkt besteht meist aus fertigen Hohlkörpern, die maschinell mit Fertigmasse gefüllt werden", verrät Allgäus einzige Schokoladen-Sommelière.
"Wenn man etwa Pralinen mit Kaffeesahne herstellt, kann man Rohlinge mit kaltem Nescafé füllen - oder ich kann Kaffeebohnen auskochen, absieben, über Nacht stehen lassen und bekomme so meine feine, hellbraune Kaffeesahne", beschreibt sie die Unterschiede zwischen ihrer Manufaktur und der üblichen Massenware. Ihre persönlichen Favoriten? "Im Sommer meine zweischichtige Maracuja-Praline, jetzt im Herbst Sesam-Nougat. Und im Winter mag ich es traditionell: Spekulatius- oder Bratapfel-Pralinen sind auch tolle Geschenke zu Weihnachten."
Wie werde ich Schokoladen-Sommelière?
Die Fortbildung an der Chocolate Academy in Köln und an der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim gibt es erst seit 2017 - sie ist in der Form weltweit einzigartig. Auf der Homepage heißt es, ein Meisterbrief im Konditorenhandwerk oder Vergleichbares sei Voraussetzung: "Ich bin Quereinsteigerin", verrät Birgit Heel. "Ich habe zuvor in der Lohn- und Finanzbuchhaltung gearbeitet." Zum "Fach" kam die alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen durch einen Kurs über Rohschokolade. "Ich war fasziniert, wie gesund Kakao ist. Darin sind allein über 300 Nährstoffe enthalten."

Nach dem Kurs war sie so angefixt, dass sie ihren Freundeskreis mit selbstgerührten Schokotafeln beglückte. "Alle waren begeistert. Und so ging es weiter: Als nächstes wagte ich mich an Pralinen. Ich machte Kurse bei verschiedenen Chocolatiers und schließlich die Prüfung vor der Konditoren-Innung."
Den Entschluss, sich als Schokoladen-Profi selbstständig zu machen, fasste sie erst Anfang des Jahres.
Drei Prüfungen und eine Projektarbeit über ihr "Steckenpferd" Rohkostschokolade später darf sie sich nun Allgäus einzige und erste Schokoladen-Sommelière nennen.
Mit ihrer eigenen kleinen Manufaktur hat sich die Memmingerin einen Traum erfüllt. Einen weiteren hegt sie noch für die Zukunft: "Ich würde gerne mal auf einer Kakao-Plantage mitarbeiten und dort ein paar Wochen verbringen. Eine Einladung für Panama habe ich sogar schon bekommen. In meinem Kopf ist aber eher Bali. Dort haben die Bohnen weniger Säure und sind milder."
>> Übrigens, schon gesehen? Im Allgäu gibt's auch Fleisch- und sogar Wurst-Sommeliers! <<