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Straßennamen: Immer mehr Städte bevorzugen Pflanzen und Tiere statt Promis

Verkehr

Tiere statt Promis? Erste bayerische Großstadt will keine Personen mehr als Straßennamen 

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    Zum Storchennest, Meisenweg, Rosengasse: Straßennamen mit Tieren oder Pflanzen klingen oft hübsch.
    Zum Storchennest, Meisenweg, Rosengasse: Straßennamen mit Tieren oder Pflanzen klingen oft hübsch. Foto: Friso Gentsch, dpa

    Gleich am Englischen Garten muss der Garten Eden liegen. Jedenfalls verläuft am südöstlichen Ende der weltberühmten Münchner Grünanlage die Paradiesstraße. Im Würzburger Schneewittchenweg lebt es sich dem Namen nach märchenhaft und in der Glücksstraße in Augsburg ist selbiges zumindest in der Adresse daheim. Als weniger unverfänglich stellen sich gelegentlich Straßen heraus, die die Namen historischer Persönlichkeiten tragen. In vielen Städten und Gemeinden kennt man die wiederkehrenden Umbenennungs-Debatten.

    Zwei Parteien im Münchner Stadtrat haben deshalb jetzt den Antrag eingereicht, neue Straßen, Wege und Plätze in der Landeshauptstadt gar nicht erst nach Personen zu benennen, sondern nur noch nach Objekten – „zum Beispiel gängigen Tier- und Pflanzenarten oder dort befindlichen bekannten Einrichtungen wie Kliniken, Schulen, Parks oder Kulturstätten“, heißt es in der gemeinsamen Initiative der ÖDP und der überparteilichen München-Liste.

    Umbenennung von Straßen: Bürgern entstehen Aufwand und Kosten

    Ihren Antrag begründen sie damit, dass berühmte Namensgeber und -geberinnen immer wieder zu Problemen führten. „Allzu oft stellt sich im Nachhinein heraus, dass Personen, nach denen Straßen, Wege und Plätze benannt sind, doch nicht dafür geeignet sind, dass ihnen diese Ehre zuteilwird“, so erklärt es die Fraktionsgemeinschaft um ihren planungspolitischen Sprecher Dirk Höppner. „Über Umbenennungen gibt es dann oft Uneinigkeit in Politik und Öffentlichkeit, und außerdem ist eine Umbenennung für die betroffenen Anwohner mit Aufwand, Kosten und nervenzehrender Unsicherheit verbunden“, argumentieren sie. „Das ließe sich leicht vermeiden.“

    In München gibt es mehr als 6800 Straßen. Sieben wurden seit dem Jahr 2000 umbenannt. Die ehemalige General-von-Trotha-Straße in Trudering etwa heißt heute Hererostraße. Sie trägt also den Namen jenes afrikanischen Stammes, an dessen Ermordung der vorher namensgebende preußische General maßgeblich beteiligt gewesen war. Zuletzt war die Hilblestraße im Stadtteil Neuhausen umgewidmet worden. Trug sie vorher den Namen des NS-regimetreuen Münchner Beamten Friedrich Hilble, erinnert sie heute an die jüdische Künstlerin Maria Luiko, die Opfer der Nationalsozialisten wurde. Für 45 weitere Straßennamen hat das Münchner Stadtarchiv „erhöhten Diskussionsbedarf“ festgestellt. Demnächst sollen Empfehlungen eines Expertengremiums veröffentlicht werden, wie mit diesen Straßen umzugehen ist.

    Augsburg hat die „Dr.-Mack-Straße“ in „Geschwister-Schönert-Straße“ umbenannt. Mack war während der Nazi-Diktatur an Zwangssterilisationen beteiligt. Die Kinder Günther und Brigitte Schönert starben durch das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten.
    Augsburg hat die „Dr.-Mack-Straße“ in „Geschwister-Schönert-Straße“ umbenannt. Mack war während der Nazi-Diktatur an Zwangssterilisationen beteiligt. Die Kinder Günther und Brigitte Schönert starben durch das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten. Foto: Ulf Vogler dpa

    Viele Kommunen in Bayern stellen sich diesen Diskussionen. Meist sind die umstrittenen Namensgeber Persönlichkeiten, die ihren Ruhm in Zeiten der Nazi-Herrschaft erlangten oder sich später als deren Helfer, Helferinnen, zumindest treue Ergebene herausstellten. Anderweitig belastete Biografien gibt es auch, im oberpfälzischen Eslarn stand erst 2024 ein Straßenname zur Debatte, der an einen verdienstvollen Priester erinnerte. Obwohl sich im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Opfer meldeten, die dieser Geistliche missbraucht haben soll, stimmten die Bürgerinnen und Bürger gegen die Umbenennung.

    Kommunen in Deutschland entscheiden selbst, wie sie ihre Straßen, Wege und Plätze taufen. Bundesweit einheitliche Regelungen gibt es nicht. Was überall gilt: Personen können erst ein Straßenschild zieren, wenn sie gestorben sind – und wenn seit ihrem Tod eine angemessene „Wartefrist“ vergangen ist. Einer Umfrage des Deutschen Städtetags zufolge arbeiten die meisten Kommunen mit einer Frist von drei bis fünf Jahren. In München wartet man weniger lang: Fußballlegende Franz Beckenbauer zum Beispiel bekam schon knapp 15 Monate nach seinem Tod im Januar 2024 seinen eigenen Platz vor der Allianz-Arena.

    Passau nutzt lokale Besonderheiten als Straßennamen

    Diese Art der Ehrerbietung wäre nicht mehr möglich, ginge es nach der Stadtratsfraktion ÖDP/München-Liste. Deren Antrag werde aktuell geprüft, erklärt eine Sprecherin des Kommunalreferats auf Anfrage. Eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten will sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeben.

    Hamburg hat seit 2024 eine „Karl-Lagerfeld-Promenade“.
    Hamburg hat seit 2024 eine „Karl-Lagerfeld-Promenade“. Foto: Marcus Brandt, dpa

    Die Fraktionsgemeinschaft bezweckt noch etwas anderes mit ihrem Vorstoß für mehr Blumen, Pflanzen und Wegmarken im Straßenplan. „Ein Vorteil einer neutralen Namensgebung wäre auch, dass mit sehr einfachen Begriffen gearbeitet werden kann, die für möglichst viele Menschen verständlich, gut lesbar und gut merkbar sind“, schreiben Stadtrat Höppner und sein Team.

    Die Stadt Passau hat einen ähnlichen Kurs schon eingeschlagen. Dort hat der Kulturausschuss beschlossen, Straßen statt nach Personen künftig mehr nach Flurnamen, Ortsteilbezeichnungen und lokalen Besonderheiten zu benennen.

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