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Streit um Jagd im Allgäu: Gämsen dürfen nur in Baden-Württemberg geschossen werden

Ärger im Oberallgäu

Streit um Jagd im Allgäu: Gämsen dürfen nur in Baden-Württemberg geschossen werden

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    Wo dürfen Gämsen gejadt werden? Weil ein Tierschutzverein klagt, gibt es im Oberallgäu streit.
    Wo dürfen Gämsen gejadt werden? Weil ein Tierschutzverein klagt, gibt es im Oberallgäu streit. Foto: Ronald Wittek, dpa (Archiv)

    Für Autofahrer und Spaziergänger ist die Landesgrenze bei Leutkirch kaum sichtbar. Doch für Gämsen kann die Frage, ob sie im Allgäu in Baden-Württemberg oder Bayern unterwegs sind, derzeit über Leben und Tod entscheiden.

    Denn im Freistaat dürfen Jäger im Landkreis Oberallgäu die Gams wegen eines erbitterten Streits um die Abschüsse vorerst nicht mehr ins Visier nehmen - im Gegensatz zu ihren Kollegen im Landkreis Ravensburg.

    Gamsjagd im Oberallgäu: Tierschutzverein klagt

    Eigentlich habe die Untere Jagdbehörde im Kürnachtal in der laufenden Saison 15 Tiere erlegen lassen wollen, teilte die Landratsamt Oberallgäu in Sonthofen mit. Doch der Tierschutzverein Wildes Bayern klagte, nun muss das Verwaltungsgericht Augsburg entscheiden. Bis ein Ergebnis vorliegt, haben Gämsen auf bayerischer Seite auf Anordnung des Landratsamts eine Schonfrist. Lesen Sie auch: Tierbeobachtungstouren im Oberallgäu: 1000 Besucher wollen die „Großen Fünf“ sehen

    Auf baden-württembergischer Seite hält sich das Verständnis dafür in Grenzen. Im Landkreis Ravensburg habe man zur Jagd auf Rothirsch und Gams schon vor 20 Jahren eine Arbeitsgruppe eingesetzt, sagt deren Sprecher Johannes Merta, Revierförster der Stadt Isny. "Wir schütteln schon ein bisschen den Kopf darüber, was in Bayern passiert. Das kommt uns alles ein bisschen unverhältnismäßig vor."

    In der Adelegg - so heißt das Gamsgebiet auf baden-württembergischer Seite - legen Jäger, Förster und Grundbesitzer seit Jahren gemeinsam fest, wie viele Gämsen pro Jahr geschossen werden sollen. Diese Saison seien ursprünglich 15 Tiere geplant gewesen, sagt Merta. Dann habe die Kreisjägervereinigung beantragt, nur acht Gämsen schießen zu lassen - gemeinsam entschied man sich letztlich für zwölf. "Die Arbeitsgruppe war sich aber einig, dass es keine Anhaltspunkte für eine Abnahme des Gamsbestandes gibt", sagt Förster Merta.

    Heftiger Streit um die Gämsen

    Der dortige Kreisjägermeister, Peter Lutz, betont zwar: "Die Gams gehört in die Region." Die Abschusszahlen habe man in der Arbeitsgruppe aber immer "in einer sachlichen Diskussion" erörtern und festlegen können. Auf bayerischer Seite gebe es dagegen Grundbesitzer, die "regelrecht die Ausrottung" der Gams in der Region forderten: "Dies kann so von den Jägern natürlich nicht akzeptiert werden und ist in der Sache auch falsch."

    Doch auch in anderen Teilen Bayerns tobt ein Streit zwischen Jagdverbänden und Tierschützern auf der einen sowie Förstern und Behörden auf der anderen Seite. Die einen halten die Gams für gefährdet - spätestens seitdem sie auf der Vorwarnliste der Roten Liste des Bundesamts für Naturschutz steht. Die anderen wollen sie wie Hirsche und Rehe bejagen, weil die Tiere Baumsetzlinge abknabbern und so den klimatauglichen Umbau von Wäldern erschweren - und es bisher keine Zahlen gebe, die eine Gefährdung der Gams belegen. Lesen Sie auch: Immer mehr Steinböcke im Oberallgäu werden blind

    Eine wildbiologische Untersuchung sollte eigentlich Klarheit bringen, ob die Zahl der Gämsen in Bayern sinkt: In Oberbayern hatten Forscher 125 Quadratkilometer Fläche nach Kot der Tiere abgesucht, um aus dem Genmaterial die Zahl einzelner Tiere bestimmen zu können. Danach wurde mithilfe eines norwegischen Forscherteams und statistischen Berechnungen ein Schätzwert für die Gesamtflächen ermittelt.

    "Es ist doch eigentlich gut, dass mehr Gämsen da sind als gedacht."

    Im Spätherbst 2018 lebten demnach insgesamt 1350 Gämsen in den beiden Gebieten. "Ich habe gedacht, das müsste doch jeden freuen", sagt der Leiter der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), Peter Pröbstle. "Es ist doch eigentlich gut, dass mehr Gämsen da sind als gedacht." Die Kritik vom Bayerischen Jagdverband (BJV) folgte prompt und scharf: Präsident Ernst Weidenbusch sprach davon, dass "Fakten mit Mutmaßungen" ersetzt würden. LWF-Leiter Pröbstle betonte dagegen, die Studie seiner Behörde sei "wissenschaftlich seriös".

    Dass ausgerechnet der Streit um die Abschusspläne in der Kürnach nun vor Gericht gelandet ist, ist insofern überraschend, als dass die Region gar nicht zum Kernlebensraum von Gämsen gehört. Steiles, felsiges Gelände gibt es dort wenig. Daher müssten die Tiere gerade dort gejagt werden: "Werden keine Gämsen erlegt, vermehren sie sich immer weiter." Dann würden die Tiere in ungeeignete Lebensräume mit flachen Hängen und weichen Böden wandern, sagt Merta. Das sei "nicht artgerecht und somit nicht erwünscht".

    Der Verein Wildes Bayern, der gegen den Abschussplan im Allgäu auf bayerischer Seite geklagt hat, sieht das ganz anders. Mindestens 15 Gämsen in der Kürnach abzuschießen, wäre nach Ansicht vieler Naturfreunde und Jäger "der Todesstoß für die kleine Gamspopulation westlich von Kempten gewesen". Wie es in dem Konflikt weitergeht, ist offen: Das Verwaltungsgericht Augsburg will erst Anfang 2022 in dem Fall entscheiden. So lange brauchen die Tiere wohl zumindest auf bayerischer Seite keine Jäger zu fürchten.

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