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Trampen in Zeiten von Flixbus & Co.?

Selbstversuch im OAL

Trampen in Zeiten von Flixbus & Co.?

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    Lisa Wölfle (18) und Christoph Martin (26) wollten es wissen: Nimmt noch jemand Tramper mit?
    Lisa Wölfle (18) und Christoph Martin (26) wollten es wissen: Nimmt noch jemand Tramper mit? Foto: Harald Langer

    Steig niemals bei Fremden ins Auto! Eine Warnung, die Eltern ihren Kindern schon früh mit auf den Weg geben. Doch wie passt das eigentlich mit dem Kult des Trampens in deren Jugend zusammen? Per Anhalter bei jemandem mitzufahren, fällt in unseren Augen auf jeden Fall auch unter das Verbot. Trotzdem wollen wir, zwei junge Mitarbeiter der Allgäuer Zeitung, es aus Neugierde selbst einmal testen. Wir fragen uns: Ist Trampen in Zeiten von Fernbus und Carsharing nicht altmodisch geworden?

    Bevor wir unseren Selbstversuch starten können, müssen wir erst einmal basteln. Das ein oder andere Mal haben wir schon Tramper mit Kartonschildern und einem gestreckten Daumen am Straßenrand gesehen. Wir schneiden uns zwei Schilder zurecht und schmieren lieblos mit dicken Filzstiften MUC und MOD darauf - das muss ja improvisiert aussehen -, und los geht es zu unserem Startpunkt am Waldfriedhof in Kaufbeuren. Dieser bietet mit einem großen Parkplatz genug Platz zum Anhalten. Wir stellen uns an den Straßenrand, halten die Kartons gut sichtbar hoch und strecken die Daumen raus.

    Was sind das für Leute...?

    Da wir mit wenig Erfahrung in das Experiment gehen, wissen wir nicht genau, was uns erwartet. Was sind das für Leute, die uns mitnehmen? Eigentlich rechnen wir nicht damit, dass irgendjemand anhält, und wenn doch, dann erst nach Stunden. Umso überraschter sind wir, als schon nach etwa 15 Minuten die Autofahrerin Claudia Aigner ihre Fahrt von Kaufbeuren nach Kempten für uns unterbricht. Sie nimmt uns bis nach Marktoberdorf mit. Auf die Frage, wieso sie extra für uns angehalten hat, weiß die dreifache Mutter schnell eine Antwort: "Ihr beide seid ungefähr im Alter meiner Kinder, und ich wäre auch froh, wenn sie eine vertrauenswürdige Person mitnehmen würde."

    Die Vielfalt an anderen Reisemöglichkeiten findet die 54-Jährige besser als Trampen, auch wenn man nur gegen Bezahlung von A nach B kommt. Sie erzählt während der Fahrt nach Marktoberdorf von ihren Töchtern, die auch auf Mitnahmemöglichkeiten im Internet setzen. Auf solchen Plattformen kann man sich registrieren. "Meine Töchter reisen so nicht mehr anonym, und das bietet eine gewisse Sicherheit", sagt Aigner.

    Ihr beide seid ungefähr im Alter meiner Kinder, und ich wäre auch froh, wenn sie eine vertrauenswürdige Person mitnehmen würde.Autofahrerin Claudia Aigner

    In Marktoberdorf angekommen, suchen wir uns erneut eine geeignete Stelle, um zurück nach Kaufbeuren zu kommen. Und wieder hält nach kurzer Zeit ein Auto. Dieses Mal beantworten uns Peggy Nothnagel und ihr Freund Rudolf Lorenz unsere Fragen: "Wir nehmen jeden mit", sagt Lorenz. "Ohne Ausnahmen oder Auswahlkriterien."

    Auf dem Land einfacher?

    Der 46-jährige Fahrer ist früher selbst viel getrampt. "Unser Sohn fährt oft per Anhalter ins nächste Dorf, wenn wir keine Zeit haben, ihn zu fahren", sagt Nothnagel. Die Busverbindungen seien nun mal nicht gerade die besten. Beide sind sich einig, dass es auf dem Land viel einfacher sei, mitgenommen zu werden, da man sich eher kenne.

    Jetzt wollen wir es noch auf längerer Strecke versuchen, ob bis nach München oder Augsburg, ist uns egal. Am Ende nimmt uns der Fahranfänger Maximilian Wiedemann bis nach Jengen mit. Er selbst ist noch nie getrampt. Aber er würde es im Notfall versuchen. "Man weiß halt nie, wo man einsteigt", sagt der 19-Jährige. Aber ist nicht genau das der Reiz des Trampens?

    Es gibt bestimmt Situationen, in denen Tramper sich entscheiden sollten, besser nicht einzusteigen. Vor allem Mädchen sollten vorsichtiger sein.Autofahrer Max Podkalicka

    Bei unserer letzten Fahrt dürfen wir noch den Chrysler-Fahrer Max Podkalicka kennenlernen. Er beschreibt sich selbst als einen "Karma-Menschen". Der 25-Jährige hat eine klare Ansicht: Das Trampen ist ein Geben und Nehmen. Auf unsere Frage, ob er das Reisen per Anhalter als gefährlich einschätzen würde, antwortet Podkalicka: "Es gibt bestimmt Situationen, in denen Tramper sich entscheiden sollten, besser nicht einzusteigen. Vor allem Mädchen sollten vorsichtiger sein". Er findet aber, dass das Trampen seinen Charme habe und nie aussterben werde.

    Dem stimmen auch wir zu. Gerade die damit verbundene Spontanität macht die Sache so einzigartig, und es ist die Erfahrung auf jeden Fall wert. Von uns bekommt das Trampen ein "Daumen hoch".

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