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Trotz Erdbeben und Bürgerkrieg: Diese Allgäuer Zahnärztin hilft seit fast 20 Jahren in Nepal

Wer gibt, bekommt zurück

Trotz Erdbeben und Bürgerkrieg: Diese Allgäuer Zahnärztin hilft seit fast 20 Jahren in Nepal

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    Berufung statt Beruf: Seit 1999 hilft Zahnärztin Dr. Sybille Keller aus Kempten den Menschen in Nepal. 2018 war sie zum 40. Mal dort! Lies hier unsere rührende Story aus dem allgaeu.life-Archiv.
    Berufung statt Beruf: Seit 1999 hilft Zahnärztin Dr. Sybille Keller aus Kempten den Menschen in Nepal. 2018 war sie zum 40. Mal dort! Lies hier unsere rührende Story aus dem allgaeu.life-Archiv. Foto: privat

    Wer gibt, bekommt etwas zurück. Gerade an Weihnachten begegnet uns dieser Satz immer wieder. Im Fall von Sybille Keller trifft er wohl noch mehr zu, als bei anderen Menschen. Seit fast 20 Jahren engagiert sie sich als Zahnärztin, Humanistin und gute Seele in Nepal - einem der ärmsten Länder der Welt. Ihr "Return": Dankbarkeit, Freundschaften und Erlebnisse, die manch anderer in mehreren Leben nicht erfahren würde.

    Und tatsächlich könnte man auch sagen: Sybille Keller hat bereits drei Leben gelebt. Das erste in ihrer sächsischen Heimat. Noch vor der Wende 1989 floh sie nur mit einer Handtasche und einem Koffer "aus dem Gefängnis DDR" über Ungarn und Österreich ins Allgäu. Hier begann ihr zweites Leben: Mit Fleiß und der Unterstützung von Förderern und Freunden baute sie sich in Waltenhofen eine Existenz im Westen auf, betreibt hier seit 1991 ihre eigene Zahnarztpraxis.

    Ich habe keine drei Sekunden nachgedacht, dann habe ich mich gemeldet.Sybille Keller über die Anfänge ihres Nepal-Engagements

    Und zuletzt Leben Nummer drei - jenes in Nepal, das für sie zu einer zweiten Heimat geworden ist. Vor 19 Jahren entdeckte Keller einen Flyer, auf dem Zahnärzte für einen Einsatz in Nepal gesucht wurden. "Es war eine Bauchentscheidung. Ich habe keine drei Sekunden nachgedacht, dann habe ich mich gemeldet", sagt sie im allgaeu.life-Interview.

    Armut und Elend hautnah

    1999 fliegt sie zum ersten Mal in den südasiatischen Staat und ist schockiert von der Armut und dem Elend. "Die Menschen dort haben nichts. Es gab so gut wie keine zahnmedizinische Versorgung, Leute sind an Zahnentzündungen gestorben und hatten unendliche Schmerzen." Im Sushma Koirala Memorial Hospital in Sankhu, nahe der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu, findet sie einen zerschlissenen, nicht mehr funktionsfähigen Zahnarztstuhl vor.

    "Mit Spenden haben wir in dem Krankenhaus schließlich eine Zahnstation nach mitteleuropäischem Vorbild eingerichtet", erzählt sie von den Anfängen. Gleich die ersten Erlebnisse sind prägend: Menschen, die aus Dankbarkeit auf die Knie fallen, weil ihnen die unerträglichen Schmerzen genommen wurden.

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    Zwei Jahre später gibt es von einem Unfallchirurgen vor Ort den Hilferuf, dass in der abgelegenen Bergregion um Amppipal ein Zahnarzt gesucht wird. "Das ist Pampa, eine Tagesreise von der Hauptstadt Kathmandu entfernt", sagt Keller. Dennoch zögert sie wieder nicht und macht sich auf die Reise: Um 5 Uhr aufstehen, zu Fuß zum Bus, der sie aus der Hauptstadt ins mittlere Bergland des Distrikts Gorkha bringt. Über eine Hängebrücke folgt ein rund viereinhalbstündiger Fußmarsch hinauf zum Krankenhaus. Hier baut die Wahlallgäuerin ab 2001 ihre zweite Zahnstation in Nepal auf.

    Die Kemptenerin wird als „Dental Mama Sybille" in Nepal bekannt, lernt Land und Leute kennen und lieben. 40 Mal war sie bis heute dort (!), fliegt jedes Jahr mindestens zweimal in den Staat zwischen China und Indien, und spricht inzwischen sogar die Sprache Nepali. 2004 gründet sie mit dem Nürnberger Kieferorthopäden Claus Macher die Stiftung „Zahnärzte ohne Grenzen“, die Mediziner in notleidende Regionen schickt und Spenden sammelt.

    Angst kennt sie nicht

    Nepal ist längst mehr als eine Herzensangelegenheit geworden, nichts und niemand kann sie davon abbringen, dort zu helfen. Selbst im Bürgerkrieg, der bis 2006 dauert, wagt sich Keller ins Maoistengebiet vor, um in einem Lager Soldaten, deren Familien und Menschen aller Altersgruppen zu behandeln. "Ich habe keine Angst. Ich kenne die Menschen dort, ich liebe sie und sie geben mir ihre Liebe zurück", sagt die mutige Frau.

    Ein junger Man packte mich am Ärmel, rief: Los, raus hier, raus hier! Sekunden später war das Haus zusammengestürzt.Sybille Keller über das große Erdbeben 2015 in Nepal

    Wer gibt, bekommt etwas zurück. Als am 25. April 2015 das große Erdbeben Nepal erschüttert, rund 8.000 Menschen sterben, ist Keller mit dem Bus auf dem Rückweg von Amppipal zum Sushma Koirala Memorial Hospital in Sankhu. "Der Bus machte eine Pause, viele Touristen gingen in ein nahegelegenes Restaurant, um etwas zu essen. Ich bin in eine kleine Imbissbude mit Supermarkt rein. Die Uhrzeit vergesse ich nie: 11.56 Uhr, als es losging. Ein junger Man packte mich am Ärmel, rief: Los, raus hier, raus hier! Sekunden später war das Haus zusammengestürzt. Er hat mein Leben gerettet."

    Obwohl ihr Rückflug gebucht war, bleibt Keller in den Tagen nach dem Erdbeben in Sankhu, hilft beim Röntgen der Verletzten und der medizinischen Versorgung. Allein in ihrem Örtchen, dort wo das Sushma Koirala Memorial Hospital steht, sterben an jenem Tag über 120 Menschen, darunter 19 enge Freunde der Ärztin. Doch es gibt auch Momente des Lichts: "Nach 21 Tagen wurde ein Baby lebend aus Trümmern geborgen", erzählt die Kemptenerin.

    Wie eng ihre Verbindung zu Land und Leute ist, zeigt auch die Tatsache, die sie immer wieder junge Nepalesen auf dem Weg in ein besseres Leben unterstützt. Einem Mädchen verhalf sie 2012 zu einem Zahnarztstudium, inzwischen studiert die junge Frau in Deutschland. Und dann gibt es die beiden Ziehsöhne. Guna (21), einst als Kind in einem Wald in Nepal aufgefunden. Ihm bezahlte Keller zusammen mit einer Freundin das Schulgeld, später studierte er in Kathmandu Ingenieur für Brücken- und Straßenbau. Und Khsitiz, der seinen Master an der FH Kempten machte.

    Mir geht es gut, mir wurde geholfen, als ich 1989 mit nichts aus der DDR kam. Es ist meine Art, etwas zurückzugeben.Sybille Keller über ihre Beweggründe

    Aufhören? Sich zur Ruhe setzen und das Leben im schönen Allgäu genießen? Das kommt für die Powerfrau, die seit vielen Jahren auch Vorstandsmitglied des zahnärztlichen Bezirksverbands Schwaben und Delegierte der Bayerischen Zahnärztekammer ist, nicht in Frage. "Ich fliege nach Nepal und helfe, bis sie mich wegtragen. Mir geht es gut, mir wurde geholfen, als ich 1989 mit nichts aus der DDR kam. Es ist meine Art, etwas zurückzugeben." Verlassen kann sie sich auf ihre Unterstützer, den Kemptener Fitnessstudio-Betreiber Harry Gries etwa, der mit seinem Studio "Injoy" in der Mozartstraße schon mehr als 30.000 Euro Spenden sammelte. Oder die Rentnerin auf dem Behandlungsstuhl ihrer Praxis, die selbst nicht viel hat, aber gerne fünf Euro für nepalesische Kinder gibt.

    Dann spürt Sybille Keller tiefe Dankbarkeit. So, wie sie es eigentlich nur aus Nepal kennt. An die Menschen im Allgäu hat sie deshalb einen Wunsch: "Jammert nicht so viel. Hier beschwert sich immer irgendwer über irgendwas - und sei es nur das Wetter. Aber hier werden die meisten von uns aufgefangen, selbst wenn es mal nicht so läuft. Die Menschen in Nepal haben nichts." Das sollten wir nicht vergessen. Und nicht nur an Weihnachten daran erinnert werden...

    Wer das Engagement von Dr. Sybille Keller unterstützen möchte - es gibt ein gemeinnütziges Spendenkonto für das Sushma Koirala Memorial Hospital in Nepal:


    Kreissparkasse Köln Konto 928 0

    BLZ 37050299

    IBAN DE73370502990000092801

    SWIFT-BIC COKSDE33

    Ab 30 Euro erhält jeder Spender bei Angabe der vollständigen Postadresse automatisch eine steuerwirksame Spendenbescheinigung.

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