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Vor 2000 Jahren: die Römer im Allgäu

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Vor 2000 Jahren: die Römer im Allgäu

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    AZ Foto: Ralf Lienert

    Der Händler erstarrt beinahe vor Ehrfurcht. Es ist das erste Mal, dass er seine Waren nach Cambodunum bringt. Als er sich über die Hügel der Iller nährt, leuchtet ihm im Abendlicht bereits von Weitem die weiß gekalkte Basilika der Stadt entgegen. Ein so großes und auffälliges Gebäude hat er noch nie gesehen. Eindrucksvoll bekommt er die Macht Roms vorgeführt - und das, obwohl zwischen der Hauptstadt des Imperiums und diesem Außenposten des Reichs ein abweisendes Gebirge und fast 1000 Kilometer Entfernung liegen.

    Die Pracht der vor ihm liegenden Stadt und die Dämmerung treiben ihn an. Nach der langen Reise gönnt er sich ein heißes Bad in einer Therme. Auf den Straßen herrscht am nächsten Morgen geschäftiges Treiben. Noch nie hat der Händler so viele Geschäftsleute auf einmal gesehen. Sie bieten ihre Waren an und feilschen. An einer anderen Straßenecke hämmert ein Schmied auf glühendes Eisen, nur wenige Häuser weiter verzieren Handwerker lederne Ausrüstungsteile für das Militär. Doch anders als in vielen anderen Provinzstädten ist von den Legionen nichts zu sehen. "Cambodunum scheint in friedlicher Zeit auf dem Reißbrett als reine Verwaltungs- und Handelsstadt geplant worden zu sein", sagt Grabungstechniker Ernst Sontheim vom Archäologischen Park Cambodunum. Das römische Militär hat leichtes Spiel, das Allgäu mit seinen wenigen Menschen zu unterwerfen. Die Front liegt weiter im Norden. Wegen der günstigen Lage - ab dort ist die Iller schiffbar - gründet das Imperium seine wichtige Stadt aber im heutigen Kempten. Möglicherweise ernennt es Cambodunum sogar zur ersten Hauptstadt der Provinz Rätien. Später wird Augusta Vindelicorum, das heutige Augsburg, diese Rolle übernehmen.Auch fast 2000 Jahre später sehen Teile des Lindenbergs mitten in Kempten so aus, wie zu Zeiten der Römer. Heute besichtigen Besucher des Parks die Ruinen und Nachbauten. Damals setzt die Stadt zivilisatorische Maßstäbe. Unser Händler von außerhalb dürfte nicht schlecht über die wohlgeordneten Straßen und den riesigen Heiligen Bezirk staunen. "Der ist selbst zur Blütezeit der Stadt viel zu groß für die geschätzten 3000 Bewohner", sagt Martin Fink, Leiter des Kemptener Kulturamts. Dort zelebrieren die Römer vor allem ihren Kaiserkult, sodass jeder Neuankömmling sofort weiß, wem er die ganze Pracht verdankt. "Rom hätte sich ja nie solange gehalten, wenn es nur mit Schwert und Feuer durch die Welt gezogen wäre", sagt Fink.Durch sein Gebaren will das Imperium einheimische Völker und Stämme im ganzen Mittelmeerraum sowie in weiten Teilen Europas für sich gewinnen und in die eigene Kultur aufnehmen. Wenn möglich, ohne teure und riskante Kriege zu führen. Daher gehen die Römer auch pragmatisch mit der Religion um: Ein Weihestein aus Cambodunum mit dem Abbild der keltischen Göttin Epona zeugt davon, dass die Römer den Kreis ihrer Götter durchaus mal erweitern. Ebenso weist er darauf hin, dass auch direkt vor den Römern Menschen im Allgäu lebten. Siedlungen lassen sich jedoch für die Jahre vor der Zeitenwende nicht nachweisen.Städte wie Cambodunum ziehen damals die Menschen aus einer ganzen Region an. Auch den Händler werden der technische Fortschritt und die Macht Roms nicht mehr loslassen. Beim Gang durch die Straßen trifft er auf unterschiedlichste soziale Schichten. Er sieht: Wer den Kaiser ehrt und etwas Glück und Fleiß hat, kann es im Römischen Reich zu etwas bringen. "Es ist ein relativ durchlässiges System, ein wenig wie der amerikanische Traum", vergleicht Sontheim. Nur heißt es in Cambodunum nicht vom Tellerwäscher zum Millionär, sondern von der Holzhütte in den mehrgeschossigen Häuserblock. Denn auch diese Insulae genannte frühe Form des Mietshauses strahlt im Allgäu der Antike Macht aus.

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