Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Warum es immer mehr hauptberufliche Bürgermeister im Allgäu gibt

Kommunalwahl 2020

Warum es immer mehr hauptberufliche Bürgermeister im Allgäu gibt

    • |
    • |
    Jürgen Schweikart ist seit 18 Jahren der Chef im Aitranger Rathaus. Er ist ein ehrenamtlicher Bürgermeister und gehört damit zu einer immer kleiner werdenden Spezies: Die Zahl hauptamtlicher Rathauschefs steigt ständig.
    Jürgen Schweikart ist seit 18 Jahren der Chef im Aitranger Rathaus. Er ist ein ehrenamtlicher Bürgermeister und gehört damit zu einer immer kleiner werdenden Spezies: Die Zahl hauptamtlicher Rathauschefs steigt ständig. Foto: Matthias Becker

    Jürgen Schweikart hat es zweimal vergeblich versucht. Schon 2008 und 2014 wollte der Bürgermeister von Aitrang (Ostallgäu) erreichen, dass er sein Amt hauptberuflich ausüben kann. Doch beim Gemeinderat blitzte er mit diesem Wunsch ab. Im vergangenen Jahr hat zu dieser Frage schließlich ein Bürgerentscheid stattgefunden. Das Ergebnis: Die Aitranger votierten mit großer Mehrheit dafür, dass der 2000-Einwohner-Ort nach der Kommunalwahl einen hauptamtlichen Rathauschef bekommt. „Die Aufgaben eines Bürgermeisters lassen sich heute nicht mehr in zwei, drei Tagen pro Woche erledigen“, sagt Schweikart.

    Aitrang ist im Allgäu nur ein Beispiel von vielen. In zahlreichen Orten hat die Kommunalpolitik im Vorfeld der Wahl darüber diskutiert, ob ein ehrenamtlicher Bürgermeister noch zeitgemäß ist. Und häufig lautete die Antwort: Nein, ist er nicht. Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die schon vor Jahren begonnen hat: Die Zahl der Bürgermeister im Nebenjob wird immer kleiner.

    undefined

    Bei der Frage, welchen Status ihr Rathauschef bekommt, haben die Städte und Gemeinden weitgehend freie Hand. Laut Innenministerium ist nur festgelegt, dass Kommunen mit mehr als 10 000 Einwohnern einen hauptamtlichen Bürgermeister haben müssen. Ansonsten liegt es im Ermessen der Gemeinde, ob der Rathauschef haupt- oder nebenamtlich arbeitet.

    Das Unterallgäuer Hawangen beschäftigte diese Frage vor gut einem Jahr. Nach dem Rücktritt des ehrenamtlichen Bürgermeisters beschloss der Gemeinderat, dass der 1400-Einwohner-Ort einen hauptamtlichen Rathauschef bekommt. Gegner dieser Lösung argumentierten, dass der Kommune dadurch höhere Kosten entstünden. Dem hielten die Befürworter entgegen, dass ein hauptamtlicher Bürgermeister dies schnell kompensiere, da er sich beispielsweise intensiver um Zuschüsse kümmern könne.

    Was Bürgermeister verdienen

    Definition

    Ein hauptamtlicher Bürgermeister arbeitet in Vollzeit, ein ehrenamtlicher übt das Amt neben seinem eigentlichen Beruf aus. Bürgermeister in Kommunen ab 10 000 Einwohnern sind immer hauptamtlich.

    Besoldung

    Bis 2000 Einwohner wird ein hauptamtlicher Bürgermeister in die Besoldungsgruppe A 13 (5417 Euro brutto) eingruppiert, in Gemeinden zwischen 2000 und 3000 Einwohnern in die Gruppe A 14 (5830 Euro brutto). In Kommunen, die zwischen 3000 und 5000 Einwohner haben, wird der Bürgermeister der Gruppe A 15 (6771 Euro brutto) zugeordnet.

    Entschädigung

    Ein ehrenamtlicher Gemeindechef erhält eine monatliche Aufwandsentschädigung. Die Spanne für Gemeinden unter 1000 Einwohnern liegt zwischen 1245 und 3268 Euro. Kommunen von 1000 bis 3000 Einwohner: 3114 bis 4671 Euro. Gemeinden von 3000 bis 5000 Einwohner: 4110 bis 5543 Euro. Kommunen über 5000 Einwohner: 4733 bis 5979 Euro (gerundete Zahlen). Den genauen Betrag legt der jeweilige Gemeinderat nach der Bürgermeister-Wahl fest.

    Weitere Leistungen

    Zum Grundgehalt kommen bei einem hauptamtlichen Bürgermeister eine jährliche Sonderzahlung (ehemals Weihnachtsgeld), vermögenswirksame Leistungen, gegebenenfalls ein Familienzuschlag sowie eine Dienstaufwandsentschädigung ( 242 bis 798 Euro). Die Höhe dieser Entschädigung bestimmt jeweils der Gemeinderat. (cli/az)

    Ulrich Ommer wurde im Januar 2019 zum Hawanger Bürgermeister gewählt. Der CSU-Politiker könnte sich nicht vorstellen, diesen Job ehrenamtlich zu machen: „Das wäre zuviel. Ich bin auch als Hauptamtlicher voll ausgelastet.“ So koste es beispielsweise „wahnsinnig viel Zeit“, sich mit Förderprogrammen zu beschäftigen. Ulrich Ommer (52) spricht allgemein von einem „hohen Verwaltungsaufwand“ und verweist darauf, dass es im benachbarten Baden-Württemberg „schon seit vielen Jahren“ nur noch hauptamtliche Rathauschefs gebe.

    Zu dieser Gruppe gehört seit 2014 auch der parteilose Markus Eugler (51), Bürgermeister im Westallgäuer Grünenbach. Die ersten sechs Jahre als Rathauschef hatte er in dem 1500-Einwohner-Ort noch als Ehrenamtlicher absolviert. „Ich weiß gar nicht, wie ich früher noch einen zweiten Job gestemmt habe“, sagt er heute. Er arbeitete zusätzlich im Rettungsdienst, „die Wochenarbeitszeit stieg bis auf 80 Stunden“.

    „Sofort reagieren“

    Die Aufgaben eines Bürgermeisters seien vielfältig, sagt der Aitranger Schweikart (59) und nennt ein paar Beispiele: „Hochwasser-Schutz, Ausweisen von Wohngebieten, Straßenbau, Kindergarten-Erweiterung.“ Bei seinem Amtsantritt im Jahr 2002 habe die Gemeinde etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt, heute seien es rund 40. Zudem sei es für einen Rathauschef wichtig, engen Kontakt mit Abgeordneten oder der Regierung von Schwaben zu halten. Und schließlich seien die Bürger fordernder geworden: „Die Verwaltung muss sofort reagieren, man will nicht mehr warten.“

    All dies sind für Schweikart Gründe genug, dass ein Ort wie Aitrang einen hauptamtlichen Rathauschef bekommt. Im Mai, wenn die neue Amtsperiode startet, ist es soweit. Doch Jürgen Schweikart wird dann nicht mehr im Rathaus sitzen. „18 Jahre sind eine lange Zeit“, sagt der pensionierte Post-Mitarbeiter, „jetzt sollen Jüngere ran. Ich will nicht zu lange an meinem Stuhl kleben“.

    KOMMENTAR von Helmut Kustermann (Leiter Allgäu-Rundschau)

    Bürgermeisteramt ist doch kein Nebenjob!

    Einmal Bürgermeister, immer Bürgermeister: Was früher selbstverständlich war, gilt längst nicht mehr. Laut Bayerischem Gemeindetag steigt die Zahl der Rathauschefs, die bereits nach einer Amtsperiode wieder aufhören. Verwundern muss das niemanden. Nicht nur die ausufernde Bürokratie mit einer Vielzahl an Vorschriften macht ihnen zu schaffen. Viele Bürger haben höhere Erwartungen an ihre Gemeinde als früher – jede defekte Straßenlampe muss möglichst sofort repariert werden.

    Und der Umgangston ist rauer geworden: Wo in vergangenen Zeiten vielleicht am Stammtisch über den Bürgermeister gemeckert wurde, schwappt heute eine Wutwelle durchs Internet. Dazu kommen immer neue Aufgaben: Die Versorgung mit schnellem Internet ist eigentlich eine Angelegenheit des Bundes, doch faktisch kümmern sich meist die Gemeinden darum.

    All dies sind Gründe dafür, dass das Bürgermeister-Amt unattraktiver geworden ist. Und setzt man das Gehalt in Relation zum immensen zeitlichen Aufwand, ist dieser Job auch nicht besonders gut bezahlt. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass es gerade in kleineren Orten immer schwieriger wird, Kandidaten zu finden. Und es ist erst recht kein Wunder, dass es immer weniger ehrenamtliche Bürgermeister gibt.

    Das Amt des Rathauschefs als Nebenjob – das ist ein Anachronismus. Der ehrenamtliche Bürgermeister ist ein Auslaufmodell. Wer an der Spitze einer Gemeinde steht, muss sich voll darauf konzentrieren können. Alles andere wird dieser wichtigen Aufgabe nicht gerecht.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden