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Warum ich im Allgäu das erste (fast) plastikfreie Bio-Hotel führe

Hotelier Eggensberger

Warum ich im Allgäu das erste (fast) plastikfreie Bio-Hotel führe

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    Andreas Eggensberger - CSU.
    Andreas Eggensberger - CSU. Foto: Benedikt Siegert

    Herr Eggensberger, Sie führen im Allgäu das erste Bio-Hotel Deutschlands, bemühen sich schon seit Jahren um Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Sie müssen es also wissen: Kann ein Hotel plastikfrei sein?

    Andreas Eggensberger: Ich würde gerne ja sagen. Aber leider gibt es eine starke Diskrepanz, zwischen dem, was ich gerne hätte und dem, was wir wirklich haben. Null Plastik geht, glaube ich, wirklich nur im Privaten.

    Woran liegt das?

    Eggensberger: An den vielen Kleinigkeiten. Ein Beispiel: Seit kurzem müssen wir das Wasser der Schwimmbäder sechs Mal am Tag untersuchen, neue Verordnung. Dazu braucht es jedes Mal eine kleine Tablette, die sich im Wasser auflöst und es färbt. Eine Einwegtablette, die in Kunststoff eingeschweißt ist. Das ärgert mich wahnsinnig.

    Andreas Eggensberger würde gerne alle Plastikverpackungen aus seinem Hotel verbannen. Doch bei manchen Dingen sind ihm die Hände gebunden. Wie bei diesen kleinen Tabletten, mit denen er sechsmal am Tag das Schwimmwasser prüfen muss – das schreibt eine neue Verordnung vor.
    Andreas Eggensberger würde gerne alle Plastikverpackungen aus seinem Hotel verbannen. Doch bei manchen Dingen sind ihm die Hände gebunden. Wie bei diesen kleinen Tabletten, mit denen er sechsmal am Tag das Schwimmwasser prüfen muss – das schreibt eine neue Verordnung vor. Foto: Benedikt Siegert

    Also stehen Auflagen dem nachhaltigen Gedanken oft im Weg?

    Eggensberger: Immer wieder, ja. Unsere 364 Brandmeldeanlagen müssen aus Kunststoff sein, da gibt es nichts zu diskutieren, das habe ich schon mal festgestellt. Und vier Sterne verpflichten dazu, Kosmetikartikel im Bad zu haben.

    Die ja meistens in Plastik eingepackt sind ...

    Eggensberger: Da haben wir auch noch keine perfekte Alternative gefunden. Wir haben es schon mit Gläsern und Mehrwegspendern versucht, aber die verkeimen oft. Hygienisch gesehen sind die Kunststoffverpackungen tatsächlich am unbedenklichsten. Auf den Biomessen gibt es aber zum Glück schon tolle, neue Sachen, auch recycelbare Verpackungen oder Wattestäbchen, die wir gut verwenden können. Lassen unsere Gäste die kleinen Behälter mit den Cremes oder Shampoos im Bad stehen, schmeißen wir sie auch nicht weg, sondern füllen sie wieder auf.

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    Wo kommen Ihre Gäste sonst noch mit Plastik in Kontakt?

    Eggensberger: Sonst eigentlich gar nicht. Früher gab es bei uns noch Badeschlappen als Geschenk, die eine Sohle aus Kunststoff hatten. Mittlerweile haben wir sie aber abgeschafft und unsere Gäste darum gebeten, ihre eigenen Badeschuhe mitzubringen.

    Kopfzerbrechen bereiten Eggensberger auch die Kosmetikartikel für die Gäste. Auf Biomessen sucht er nach sauberen Alternativen zu Plastik - etwa recycelbare Verpackungen.
    Kopfzerbrechen bereiten Eggensberger auch die Kosmetikartikel für die Gäste. Auf Biomessen sucht er nach sauberen Alternativen zu Plastik - etwa recycelbare Verpackungen. Foto: Benedikt Siegert

    Und wie sieht es am Frühstücksbuffet mit Marmelade, Honig und Co aus?

    Eggensberger: Abgepackten Zucker, Käse oder Honig, das gibt es bei uns alles nicht. Am Tisch hat Plastik nichts zu suchen, genauso wenig wie bei der Dekoration. Das ist für mich schon so selbstverständlich, dass ich das gar nicht erwähnt hätte.

    Das gilt aber noch lange nicht für alle Häuser.

    Eggensberger: Letztens waren wir in einem Schweizer Hotel zu Besuch, die hatten sogar das Brot eingepackt, auch die Milch. Marmelade und Honig sowieso. Und die Butter auch. Das gibt’s doch nicht, man muss doch nicht alles einpacken.

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    Wann war für Sie eigentlich klar, dass Sie Ihr Hotel so nachhaltig wie möglich gestalten wollen?

    Eggensberger: Ich hatte zusammen mit meinem Vater ein paar Schlüsselerlebnisse. Eines davon war auf der Müllhalde. Dorthin haben wir den Abfall früher immer mit einem Anhänger gebracht. Was die Leute da alles weggeschmissen haben, das fanden wir extrem abstoßend, manche kamen sogar mit Lastwagen. Schon da war mir klar, dass ich so wenig Müll wie nur möglich verursachen wollte.

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    Eggensberger: Das kostet zwar etwas mehr, dafür bekommen wir wertvolles Gas zurück. Übrigens ist es dafür sehr wichtig, dass sich kein Plastik im Abfall befindet, sonst kann man daraus kein Bio-Gas fermentieren.

    Wie war die Anfangszeit als erstes Bio-Hotel in Deutschland?

    Eggensberger: Komplett anders als jetzt. Wir mussten alles erst mal in kleinen Gebinden kaufen, in Haushaltsgrößen, Vanille beispielsweise in winzigen Gläschen. Denn Lebensmittel in Bioqualität gab es da noch nicht in Gastronomiemengen.

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    Und wie haben die Kollegen reagiert?

    Eggensberger: Mei, die haben das halt belächelt. Für die meisten hat das keinen Sinn gemacht.

    Mittlerweile schon?

    Eggensberger: Tatsächlich ist es heute eher umgekehrt, viele erkundigen sich bei uns, wie sie auf Bio umstellen können. Aber, wenn jemand fragt: Lohnt sich das? Sage ich sofort: Wenn du mit dieser Einstellung kommst, dann lass es lieber gleich.

    Warum?

    Eggensberger: Weil es da um eine Lebenseinstellung geht, um Werte. Nicht darum, ob irgendetwas beweisbar ist, ob es jemand merkt, sondern um Ehrlichkeit und Transparenz. Man muss das leben. Zum Beispiel nicht nur Bioprodukte kaufen, sondern auch gesund kochen.

    Etwas einfacher ist es dagegen beim Essen: Honig, Marmelade, Butter oder Brot gibt's nicht abgepackt. "Am Tisch hat Plastik nichts zu suchen", sagt der Hotel-Inhaber.
    Etwas einfacher ist es dagegen beim Essen: Honig, Marmelade, Butter oder Brot gibt's nicht abgepackt. "Am Tisch hat Plastik nichts zu suchen", sagt der Hotel-Inhaber. Foto: Benedikt Siegert

    Zurück zur Plastik-Spurensuche in Ihrem Hotel. Wo lässt es sich absolut nicht vermeiden?

    Eggensberger: Die ganze EDV kommt ohne Kunststoff gar nicht mehr aus, der Computer, das Netzwerkkabel, die Maus. An anderen Stellen kann man es wiederum gut umgehen, unsere Ordner und Klemmbretter sind beispielsweise alle aus Karton. In der Küche benutzen wir für Obst und Gemüse Mehrwegboxen, für das Brot Tonbehälter. Und doch finde ich, waren wir in den 1990ern schon mal weiter.

    Wie meinen Sie das?

    Eggensberger: Da hatten wir ganz viele Dinge in der Küche bereits abgeschafft, wie Verpackungen oder Folie, so etwas wie Ofenkartoffeln in Alufolie gab es einfach nicht. Und die Menschen sind allgemein sparsamer mit Lebensmitteln umgegangen, allein schon aus monetären Gründen. Da war man noch richtig stolz, wenn man sich etwas Teures leisten konnte.

    Und heute?

    Eggensberger: Ist der Wunsch schon da, Plastik zu vermeiden. Aber oft geht er im Trubel der alltäglichen Hektik unter, oder die Gemütlichkeit siegt.

    Wie schwierig ist es für Sie und Ihre Mitarbeiter, Kunststoffverpackungen Tag für Tag vom Hotel fernzuhalten?

    Eggensberger: Bei manchen Sachen ist es schon anstrengend, etwas ohne zu finden. Wir bekommen auch immer wieder Dinge mit Plastik, die wir nicht bestellt haben, die schicke ich dann wieder zurück. Was das Problem aber nicht löst, damit sind sie ja schon in der Welt.

    Was würden Sie sagen: Ein möglichst plastikfreies Hotel zu führen, klappt dann, wenn ...

    Eggensberger: ... man auf Dinge verzichtet. Und eine gehörige Portion Idealismus mitbringt.

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