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Was bedeutet "fairer Handel"? Der Weltladen Kaufbeuren leistet Aufklärung

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Was bedeutet "fairer Handel"? Der Weltladen Kaufbeuren leistet Aufklärung

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    Die Verantwortlichen Bettina Rhein, Gerd Scholze und Lydia Bartenschlager (von links) für den Laden in Kaufbeuren zeigen Ihre Lieblingsprodukte: Fair gehandelte Gewürze, in Ghana produzierte Schokolade und das „Sonnenglas“, das dank eines Solarpanels nachts Licht abgeben kann.
    Die Verantwortlichen Bettina Rhein, Gerd Scholze und Lydia Bartenschlager (von links) für den Laden in Kaufbeuren zeigen Ihre Lieblingsprodukte: Fair gehandelte Gewürze, in Ghana produzierte Schokolade und das „Sonnenglas“, das dank eines Solarpanels nachts Licht abgeben kann. Foto: Marlene Marz

    Wer den Weltladen in Kaufbeuren betritt, den erwartet eine bunte Mischung aus Kunsthandwerk, Dekorationsartikeln und Lebensmitteln. Gemeinsam ist den Produkten die Art und Weise, wie sie produziert wurden. „Die Weltläden sind ein Fachhandel für faire Produkte und in dieser Hinsicht ein Gemischtwarenladen“, verrät Bettina Rhein, die im Weltladen Kaufbeuren für die Bildungsarbeit zuständig ist.

    1986 wurde der Laden eröffnet, seit 2001 ist er in den Räumlichkeiten in der Kaiser-Max-Straße angesiedelt. Er ist einer von rund 900 Eine-Welt-Läden in Deutschland. In Europa gibt es gar über 2.400 Weltläden. Ihre Gründung geht auf eine UN-Konferenz in den 60er Jahren zurück. Nach Freigabe durch die Kolonialmächte äußerten dabei einige Entwicklungsländer den Wunsch nach fairem Handel. Auf dieser Basis entstanden die Dritte-Welt-Läden, die später in (Eine-)Welt-Läden umbenannt wurden.

    Kaffee, Schoki und getrocknete Früchte zählen zu den beliebtesten Lebensmitteln im Weltladen. Derzeit sind etwa vier von hundert Tassen Kaffee fair gehandelt.
    Kaffee, Schoki und getrocknete Früchte zählen zu den beliebtesten Lebensmitteln im Weltladen. Derzeit sind etwa vier von hundert Tassen Kaffee fair gehandelt. Foto: Marlene Marz

    Die Hersteller der Waren bekommen im „fairen“ Handel für ihre Produkte einen Preis, der über dem des Weltmarktes liegt. Außerdem erhalten sie eine Prämie für gemeinschaftliche Zwecke, über den die Kooperative selbst entscheiden kann, sowie eventuell eine Bio-Prämie. Auf diese Weise können die Produzenten ihren Lebensunterhalt sichern. Die Produktionsstätten werden in regelmäßigen Abständen überprüft.

    Gerd Scholze, Vorsitzender des Vereins „Dritte Welt Solidarität e.V.“, der Träger des Weltladens Kaufbeuren ist, konnte sich selbst davon überzeugen. Vor acht Jahren reiste er privat nach Südafrika und besuchte eine Firma, die Kerzen und Keramik für den fairen Handel herstellt. Diese Produkte kann man auch im Laden in Kaufbeuren kaufen. „Die Leute, mit denen ich damals geredet habe, die habe ich heute noch im Kopf“, sagt Scholze.

    30 Ehrenamtliche

    Die Personen hinter dem Produkt sichtbar zu machen, das ist eines der Anliegen der Weltläden. „Das macht die Welt ein bisschen kleiner, partnerschaftlicher und lebenswerter“, sagt Bettina Rhein.

    Die Produkte werden anschließend mit einem sehr geringen Aufschlag in den Weltläden verkauft. In Kaufbeuren ist das ist dank der Unterstützung von 30 Ehrenamtlichen möglich, die in drei Schichten im Laden arbeiten. Daher ist der Non-Profit-Laden auch stetig auf der Suche nach neuen Unterstützern. Die Ehrenamtlichen erhalten regelmäßig Schulungen, um das Wissen auch an die Kunden weiterzugeben.

    Das Kunsthandwerk, zum Beispiel Filzwaren aus Nepal, ist handgemacht. Daher handelt es sich um Unikate, die sich auch prima als Geschenk eignen.
    Das Kunsthandwerk, zum Beispiel Filzwaren aus Nepal, ist handgemacht. Daher handelt es sich um Unikate, die sich auch prima als Geschenk eignen. Foto: Marlene Marz

    Dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit gerade bei jüngeren Menschen steigt, merken auch die Helfer im Kaufbeurer Weltladen. Zwar bieten auch viele Supermärkte inzwischen als "fair" gelabelte Produkte an. Dabei muss man jedoch bedenken, dass ein Produkt bereits ab 20 Prozent fairem Anteil als „fair“ bezeichnet werden darf. Ist zum Beispiel auf der Schokoladenpackung zusätzlich „Mengenausgleich“ im Kleingedruckten zu lesen, so wurde lediglich eine bestimmte Menge fair gehandelten Kakaos eingekauft und in der Fabrik mit anderem Kakao vermischt. Letztendlich lässt sich für den Verbraucher nicht bestimmen, wie hoch der "faire Anteil" in einer bestimmten Schokoladenpackung ist.

    Das macht die Welt ein bisschen kleiner, partnerschaftlicher und lebenswerter.Bettina Rhein

    Die Produkte in den Weltäden zeichnen sich dagegen durch ihre Rückverfolgbarkeit aus, da beispielsweise die Kakaoplantage auf der Packung angegeben ist. Eine weitere Möglichkeit zeigt sich am Beispiel der Schokolade „Fairafric“ aus dem Weltladen, die in Ghana produziert wird.

    Die Mitarbeiter, die für die Herstellung der „fairafric“-Schokolade in Ghana eingestellt wurden, zeigen „I made your chocolat“-Schilder. Der Weltladen schickte Bilder von Kaufbeurer Kunden mit „I love your chocolat“-Schildern zurück.
    Die Mitarbeiter, die für die Herstellung der „fairafric“-Schokolade in Ghana eingestellt wurden, zeigen „I made your chocolat“-Schilder. Der Weltladen schickte Bilder von Kaufbeurer Kunden mit „I love your chocolat“-Schildern zurück. Foto: Marlene Marz

    Das Start-up entlohnt Kakao-Bauern nicht nur mit Anteilen. Es zahlt ihnen auch deutlich mehr als konventionelle Kaffeeproduzenten. Auf der Homepage des Unternehmens heißt es: „Der Weltmarktpreis für Kakaobohnen liegt bei ca. 2.000 USD pro Tonne. (…) Durch die Produktion in Ghana schaffen wir es, das Einkommen vor Ort auf mehr als 10.000 € pro Tonne zu heben“. Fairafric zahlen rund 0,80 Cent pro Tafel Schokolade an ihre Partner. Das ist mehr als drei Mal so viel wie es die meisten herkömmlichen Schokoproduzenten tun.

    Diesen Unterschied verständlich zu machen, ist die Aufgabe von Bettina Rhein, der Bildungsreferentin des Weltladens Kaufbeuren. Tatsächlich ist der Verkauf nur eine Säule des Weltladen-Konzepts. Genauso wichtig sind Information und Bildungsarbeit. „Es macht so eine Freude, nicht schnell und unreflektiert, sondern mit Bewusstsein zu konsumieren“, sagt Rhein voller Überzeugung.

    Das sehen auch die Kunden im Ostallgäu so - die Rückmeldungen sind durchwegs positiv. „Es sind einfach Besonderheiten, die man bei uns im Laden bekommen kann“, sagt Lydia Bartenschlager, eine der beiden hauptamtlichen Kräfte in Kaufbeuren. Für die Zukunft wollen die Kaufbeurer noch mehr als bisher die Bildungsarbeit ausweiten. Zu diesem Zweck wird der Seminarraum in ersten Stock neugestaltet. Über Führungen, Workshops oder Projekte wie die „faire Schultüte“ soll den Kunden nahegebracht werden, was fairer Handel bedeutet.

    Bartenschlager, Rhein, Scholze und alle Ehrenamtlichen sind sich einig: „Wir wollen ein lebendiger Laden bleiben und das Persönliche beibehalten.“

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