„Sag Tschüss zum Jonny.“ Stephan Wenning gibt seinem Sohn Luis noch einmal den größten der Edelkrebse in die Hand und der Fünfjährige lässt ihn ins Wasser gleiten. Dort tummeln sich schon an die 20 kleine und große Artgenossen von Jonny. Sie finden hier im Verlorenen Bach bei Untermühlhausen eine neue Heimat, denn der Loibach ist bei Igling ausgetrocknet.
Eine halbe Stunde zuvor: Sieben Männer stehen am Loibach in Höhe des Sommerkellers. Sie inspizieren vor allem die kurzen verrohrten Bereiche, dort, wo Wege über den Bach führen. Aus dem Schlamm des ausgetrockneten Gewässers steigt fauliger Geruch auf, einige silbrige Fischleiber sind zu sehen.
Tote Fische und Krebse in dem kleinen Bach zwischen Erpfting und Igling waren vergangene Woche ein Thema in der AZ und in den Sozialen Medien. Daraufhin wandte sich der langjährig aktive Naturschützer Paul Schmidhofer aus Untermühlhausen an die Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), der er selbst angehört. Schmidhofer schlug vor, die Tiere doch in den Verlorenen Bach bei Untermühlhausen umzusetzen. Und in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt geht der LBV die Sache am Samstag an.
Mit von der Partie ist Stephan Wenning, der hier zwar privat agiert, aber der Fachmann in Sachen Krebse ist: Der 33-jährige Landsberger hat in Weihenstephan studiert, einen Master in Umweltplanung und Ingenieurökologie in der Tasche und ist seit 1. Oktober Naturschutzfachkraft bei der Unteren Naturschutzbehörde in Landsberg.
Die Krebse haben riesige Scheren und sind bis zu 13 Zentimeter lang
Es dauert nur ein paar Minuten, dann haben die Helfer an die 20 lebende und ein paar tote Krebse aus dem Schlamm beziehungsweise den Rohren gezogen. Nur einige Zentimeter kleine Tiere sind dabei, von denen man sich ruhig mal zwicken lassen kann, aber auch große Exemplare mit zwölf oder 13 Zentimetern Körperlänge und beeindruckenden Scheren. Sie werden wegen roter Stellen auch Rotscherenkrebse genannt. Den größten hat Wennings Sohn Luis Jonny getauft. Krebse hätten seitlich am Leib Kiemen, die sich feucht halten könnten, erläutert Wenning, dass Krebse darum länger im Trockenen aushalten als Fische. Trotzdem hatte er nicht erwartet, hier so viele lebende Exemplare zu finden. Er zeigt unter der Böschung des Baches tiefe Einbuchtungen. Krebse, die sich in die Feuchtigkeit dieser Höhlen verkrochen haben, bleiben und Wenning setzt darauf, dass sie überleben.
Die Krux, aber auch das Positive am Loibach ist, dass er nur von Quellen und nicht von anderen Gewässern gespeist wird. Gut daran ist, dass so keine anderen eingeschleppten Arten wie der Signalkrebs hier auftauchen und den Edelkrebs verdrängen können. Der Edelkrebs gelte auf der Bayerischen Roten Liste als gefährdet, erläutert Wenning.
Ich bin jetzt 57 Jahre alt und weiß den Loibach noch nie so trocken.Josef Gayer, Gemeinderat in Igling
Aber wenn die Quellen versiegen, weil es wochenlang nicht richtig regnet, dann fehlt dem Loibach das Wasser. Heuer handelt es sich freilich um einen Spezialfall: „Ich bin jetzt 57 Jahre alt und weiß den Loibach noch nie so trocken“, sagt der Iglinger Gemeinderat Josef Gayer, der in Erpfting auch Weiher hat, wo ebenfalls nur die Hälfte an Wasser vorhanden ist, wie er erzählt. Früher habe es oft Jahre gegeben, da habe man nicht gewusst, wohin mit dem Wasser aus dem Loibach. Laut Gayer dauert es in der Regel drei oder vier Monate, bis sich die Trockenheit auf den Loibach auswirkt und das Wasser wegbleibt. Denn es ist Oberflächenwasser, also Regen, dass die Quellen speist.
300 Krebse haben schon eine neue Heimat gefunden
Die Gemeinde Igling deshalb auch schon reagiert. Gayer erzählt, dass man an die 300 Krebse in einen Baggersee umgesiedelt habe. Die Tiere, die am Samstag eingesammelt werden, haben eine größere Reise vor sich. Sie werden nach Untermühlhausen gebracht. Auch der Verlorene Bach wird nur von Quellen gespeist, und Wenning ist zufrieden mit der Struktur des Baches, der sowohl Verstecke bietet als auch das richtige Material am Bachgrund. Nach der ersten Gruppe werden noch 20 weitere große Tiere umgesetzt, die kleinen verbleiben im Loibach.
Doch wie geht es dort weiter? Das Gewässer bleibt davon abhängig, wie viel es regnet, und das können weder Naturschützer noch Gemeinde beeinflussen. Als kleine Erleichterung für kommende Trockenperioden kann sich Wenning höchstens vorstellen, dass tiefere Mulden geschaffen werden, in denen sich die Feuchtigkeit länger hält.