Über 130 Mitglieder der italienischen Mafia gibt nach einer Schätzung des bayerischen Innenministeriums im Freistaat. Das zumindest geht aus einer parlamentarischen Anfrage hervor, die Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, gestellt hatte. 171 Millionen Euro Schaden sind demnach im Freistaat 2016 durch organisierte Kriminalität entstanden.
Das Allgäu ist da nicht außen vor, glaubt Sandro Mattioli, Präsident des Vereins „Mafia? Nein, danke“. Mattioli und Schulze nahmen kürzlich an der Podiumsdiskussion „Die Mafia spricht bayerisch“ in Kempten teil – und thematisierten, warum es so schwer ist, dem organisierten Verbrechen auf die Schliche zu kommen.
Das Allgäu, sagt Mattioli, sei nicht nur ein Rückzugsraum für italienische Mafiosi, sondern auch Aktionsgebiet. Die Region biete mit ihrer Grenznähe eine interessante strategische Lage. Das Bild vom bewaffneten Kriminellen mit Anzug und Hut entspreche aber nicht der Realität. Viel eher gliederten sich die Mafiosi unauffällig in die Gesellschaft ein, beteiligten sich vordergründig auch an legalen Projekten, beispielsweise in der Immobilienwirtschaft, und „waschen so Geld“.
Wie hoch das Immobilienvermögen in Bayern geschätzt wird, das mit Gewinnen aus Aktivitäten der organisierten italienischen Kriminalität erworben wurde, wollte auch Schulze in ihrer Anfrage wissen. Eine seriöse Schätzung sei aufgrund fehlender Parameter nicht möglich, lautete die Antwort. „In Deutschland besteht generell wenig Interesse daran nachzuverfolgen, was die Mafia tut“, moniert Mattioli.
Das Problem ist, Strukturen grundsätzlich zu erkennen. Der Datenschutz macht uns da oft einen Strich durch die Rechnung.Horst Böhm (Kripo Kempten)
Eines der Hauptgeschäftsfelder der italienischen Mafia sei beispielsweise der Drogenhandel. Die Behörden sähen dabei nur die Straftat allein, ob das organisierte Verbrechen dahinter stecke, sei wenig relevant. Die Mitgliedschaft in der Mafia sei zudem nicht strafbar und werde nicht statistisch erfasst. Mattioli zweifelt daher auch die von der Staatsregierung genannte Zahl von 136 italienischen Mafiosi in Bayern an. Schulze fordert: „Bei organisierter Kriminalität muss es ein besseres Analyse- und Berichtswesen geben.“
Horst Böhm, stellvertretender Leiter des Kommissariats für Wirtschaftskriminalität der Kripo Kempten, hat mit verschiedensten Delikten zu tun – von der Korruption bis zum Betrug. Zahlen, wie oft die italienische Mafia in derlei Fälle verwickelt ist, gibt es nicht. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass da nie mafiöse Geldwäsche dabei ist“, sagt Böhm. Wenn eine solche auffalle, werde sie selbstverständlich verfolgt.
Datenschutz und fehlendes Personal
„Das Problem ist, Strukturen grundsätzlich zu erkennen“, erläutert Böhm. Dafür müssten zahlreiche Daten erfasst und verknüpft werden. „Der Datenschutz macht uns da oft einen Strich durch die Rechnung.“ Häufig könne man nur mutmaßen, dass hinter einem Vorfall organisierte Kriminalität steckt. Wenn beispielsweise ein falscher Polizeibeamter Geld bei den Betrugsopfern abholt und geschnappt wird, müsse man Glück haben, um auch an die Auftraggeber zu kommen. Um tiefer zu bohren, fehle es an Personal, sagt Böhm.
Ein weiteres Problem ist laut Mattioli, dass sogenannte Geldwäsche-Verdachtsmeldungen beim Zoll landen. Diese müssen unter anderem Banken oder Notare weiterleiten, wenn sie unlautere Geschäfte wittern. Der Zoll aber ist nach Meinung des Aktivisten ungeeignet, diese Meldungen zu verfolgen: Er sei schlecht besetzt, die Beamten diesbezüglich zu wenig qualifiziert. Und die Bearbeitung dauere oft zu lange. „Bis gehandelt wird, ist das Geld längst weg“, sagt Mattioli.
Mit dem Geld nimmt man den Kriminellen auch ihre Macht. Sandro Mattioli (Verein „Mafia? Nein, danke“)
Böhm dagegen hält die Ansiedelung dieses Bereichs beim Zoll für sinnvoll: „Der Bezug zum Ausland ist dort enger als bei der Kriminalpolizei.“ Und auch die Bearbeitung gehe bei der Polizei nicht zwangsläufig schneller. So etwas brauche viel Zeit und Personal. Wichtiger sei es, rechtliche Grundlagen und geeignete Schnittstellen zum Datenaustausch zwischen den Behörden zu schaffen, sagt der Kripo-Mann.
Einig sind sich Böhm und Mattioli aber darin, dass sich die neue Gesetzeslage zur Gewinnabschöpfungpositiv auswirkt. Denn heute sei es wesentlich leichter als früher Geld einzuziehen, das aus kriminellen Machenschaften erwirtschaftet wurde. „Mit dem Geld nimmt man den Kriminellen auch ihre Macht“, sagt Mattioli.